Entstehungs­geschichte

Carl Diem, Sportfunktionär und –wissenschaftler sowie Urheber des olympischen Fackellaufs in der Neuzeit, war einer der Väter des Gedankens eines Internationalen Jugendlagers, welches bei den Olympischen Sommerspielen 1912 in Stockholm erstmals ins Leben gerufen wurde. Diem hauchte dieser Idee zu den Olympischen Spielen in Berlin 1936 neues Leben ein. Doch nach diesem Jugendlager, geriet der Gedanke bis 1952 in Helsinki erneut in Vergessenheit und wurde erst ab 1960 in Rom zum festen Bestandteil der Olympischen Spiele. Fast ein komplettes ereignisreiches Jahrhundert nach den Spielen in Stockholm, sollten auch junge Menschen mit Behinderung die Möglichkeit erhalten an einem Jugendlager in der jeweiligen Olympiastadt teilzunehmen.

Ziele der (Inter-) Nationalen Paralympischen Jugendlager

Aufführung der Teilnehmer/innen PJL 2010 in Vancouver
Aufführung der Teilnehmer/innen PJL 2010 in Vancouver

Die Ziele der Deutschen Behindertensportjugend (DBSJ) und somit gleichwohl die des Paralympischen Jugendlagers (PJL) liegen darin, Kinder und Jugendliche mit Behinderung durch Sport in den allgemeinen Lebensprozess zu integrieren. Lebensfreude, soziale Kontakte, Persönlichkeitsentwicklung sowie Stärkung des Selbstwertgefühls sind durch den Sport erreichbar und bieten ideale Möglichkeiten für die Eingliederung in die Gesellschaft. Weitere Ziele sind, neben der Erlebniserfahrung der Paralympischen Spiele, das Kennenlernen des Gastgeberlandes, seiner Menschen, Kultur und Geschichte und die Förderung des gegenseitigen Verstehens durch gemeinsame sportliche und kulturelle Aktivitäten.

Auch die Ziele der "Paralympischen Erziehung", wie eine harmonische ganzheitliche Erziehung, ein faires und friedvolles Miteinander und ein gemeinsames und umweltverträgliches Sporttreiben, finden bei diesen Veranstaltungen Anwendung. Ein weiteres Interesse der DBSJ liegt darin, die Teilnehmer/innen des nationalen Paralympischen Jugendlagers für ein nachhaltiges Engagement im Sport zu gewinnen. Sei es in aktiver und leistungsorientierter Form mit dem Ziel, an zukünftige Paralympische Spiele teilzunehmen oder als ehrenamtliche/r Mitarbeiter/in im Sport (Soziales Talent/Junges Engagement).

Barcelona 1992

Erstmals, und somit modellhaft, wird die spanische Metropole Zeuge des ersten Paralympischen Jugendlagers (PJL), das bisher jedoch auf rein nationaler Ebene von der DBSJ organisiert wird.

Atlanta 1996

Das zweite Paralympische Jugendlager hat bereits an Bedeutung in der Öffentlichkeit und Gesellschaft gewonnen. Die Bundesministerin des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Frau Claudia Nolte, übernimmt die Schirmherrschaft.

Sydney 2000

Aus integrativer Sicht das bedeutendste Jugendlager, da auf Initiative des Vorstandes der DBSJ auch erstmals Jugendliche ohne Behinderung anderer Spitzenverbände des damaligen Deutschen Sportbundes teilnehmen und ins Land der Kängurus und Koalas aufbrechen. Die DBSJ hat hiermit ihre Zielsetzung unterstrichen - gerade aus der Sicht des Behindertensports - einen wichtigen Beitrag zur Inklusion auch in umgekehrter Richtung geleistet zu haben. Schirmherrin ist wieder die Bundesministerin des BMFSFJ, Frau Christine Bergmann.

Athen 2004

Das Nationale Paralympische Jugendlager wird zum Internationalen Paralympischen Jugendlager. Erstmals greifen auch andere Nationen den Gedanken auf und schließen sich der Organisation der DBSJ an. Österreich und die Türkei entsenden zusammen mit den Deutschen Jugendliche nach Griechenland in das Ursprungsland der olympischen Idee. Ein weiteres Novum erfreut die Jugendlichen im Besonderen. Bundespräsident a.D. Horst Köhler macht sein Versprechen wahr und besucht das Jugendlager in Athen. Gleichzeitig spricht er eine Gegeneinladung in seinen Amtssitz in das Schloss Bellevue in Berlin aus, die auch nach Renovierung des Schlosses am 20.06.2006 realisiert werden konnte. Dabei betonte auch er – aus seiner Sicht – die Sinnhaftigkeit eines zukünftigen Internationalen Treffens junger Menschen mit Behinderung während der Paralympics. In Folge der Paralympics in Athen richten die teilnehmenden Nationen des Paralympischen Jugendlagers 2004 im jährlichen Wechsel Internationale Paralympische Jugendcamps aus. Am 26. November 2005 in Warschau erhielt die DBSJ zudem die „Willi Daume International Fair Play Trophy 2004“ des „International Fair-Play Committee (CIFP)“ für die Bemühungen ein Internationales Paralympisches Jugendlager ins Leben zu rufen: „Die Jugendorganisation des DBS ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie man bei jungen Menschen Einfluss ausüben kann, um den Fair Play Gedanken umzusetzen sowie auch das kulturelle Verständnis zu wecken.“

Peking 2008

Der inklusive Gedanke wird mit dem 5. Nationalen Paralympischen Jugendlager gefestigt. Insgesamt begeben sich 37 Jugendliche mit Behinderung sowie sieben Jugendliche ohne Behinderung auf eine spannende Entdeckungsreise nach Peking. Trotz aller Bemühungen des Vorstandes der DBSJ – selbst über das Internationale Paralympic Committee (IPC) – gelang es diesmal leider nicht, weitere Nationen für die Idee eines Internationalen Paralympischen Jugendlagers zu begeistern. Nur der Partnerverband aus Österreich konnte zur Teilnahme überzeugt werden und dem Jugendlager so zumindest ein Hauch von Internationalität verliehen werden. Erneut hielt der damalige Bundespräsident Horst Köhler sein Wort und beehrte die Teilnehmer/innen mit einem Besuch. Die Schirmherrschaft wurde abermals von der Bundesministerin des BMFSFJ, Frau Dr. Ursula von der Leyen, übernommen.

Vancouver 2010

Teilnehmer/innen des PJL 2010 in Vancouver
Teilnehmer/innen des PJL 2010 in Vancouver

Nach 5 erfolgreichen Paralympischen Sommer-Jugendlagern fand auf Beschluss des DBSJ/Vorstandes in Vancouver zum ersten Mal ein Paralympisches Jugendlager im Winter statt. Die Routine und Erfahrungen aus fünf Sommerjugendlagern war eine große Hilfe in der Vorbereitung, so dass auch das erste Winterjugendlager ein wunderbares Erlebnis für Teilnehmer/innen und Betreuer/innen wurde. Insgesamt 11 Teilnehmer/innen, davon 3 ohne Behinderung, konnten die deutschen Athletinnen und Athleten anfeuern und Kanada erkunden. Internationaler Austausch fand nicht nur mit dem Austragungsland, sondern auch mit dem amerikanischen Jugendlager statt, mit dem sich unsere Jugendlichen einen Tag lang trafen. Nach dem gelungenen, ersten Winterjugendlager sollen in vier Jahren in Sochi wieder die Paralympischen Winterspiele mit talentierten und motivierten Jugendlichen besucht werden. Das Jugendlager fand mit der neuen Bundesministerin des BMFSFJ – Frau Dr. Kristina Schröder – eine neue Schirmherrin.

London 2012

Teilnehmer/innen des PJL 2012 in London
Teilnehmer/innen des PJL 2012 in London

Für 38 Teilnehmer/innen, von denen 32 Jugendliche mit und 6 ohne Behinderung sind, wurde ein Traum wahr: die Paralympischen Spiele hautnah zu erleben. Das Motto des Paralympischen Jugendlagers 2012 in London “inspire a generation“ konnte realisiert werden. Die Jugendlichen zu inspirieren von den Leistungen der Athletinnen und Athleten während der Wettkämpfe, von der Gastfreundlichkeit Großbritanniens und seiner offenen Kultur sowie vom fairen Miteinander innerhalb der Zusammenkünfte mit anderen Jugendlagern, aber auch innerhalb des eigenen Jugendlagers, ist wahrlich gelungen. Daneben verdeutlichten die zahlreichen Treffen mit einflussreichen Personen aus der Politik und Sport die Anerkennung und Wertschätzung der Jugendarbeit im Verband. Auch wenn innerhalb dieses Jugendlagers keine weiteren Fortschritte in Richtung Internationalisierung gemacht wurden, konnte zu mindestens mit dem Partnerverband Österreich an das erste gemeinsame Jugendlager in Athen 2004 geknüpft werden. Schirmherrin des PJL 2012 in London war die Bundesministerin des BMFSJF, Frau Dr. Kristina Schröder, die in diesem Jahr auch persönlich das PJL besuchte.

Früchte des Paralympischen Jugendlagers

Verena Bentele

Verena ist blind. 1996 war sie Teilnehmerin des Paralympischen Jugendlagers in Atlanta. In Folge dessen reifte sie zur Spitzensportlerin im Wintersport. Bei den Winterparalympics 1998 in Nagano gewann sie eine Bronzemedaillen, zwei Silbermedaillen und eine Goldmedaille. Vier Jahre später in Salt Lake City konnte sie Ihren Erfolg sogar noch ausbauen und gewann dreimal Gold. Die zahlreichen WM und EM-Titel lassen sich schon gar nicht mehr an einer Hand abzählen und so war es kaum verwunderlich, dass sie auch im Winter 2006 in Turin groß auftrumpfte und abermals zwei goldene und eine silberne Medaille mit in ihre Heimat brachte. Im Jahr 2010 erreichte die Athletin ihren Karrierehöhepunkt. Bei den Paralympischen Spielen 2010 in Vancouver gewann sie in den Disziplinen Biathlon und Skilanglauf fünf Goldmedaillen. Außerdem gewann sie die Wahl zur Behindertensportlerin des Jahres 2010 – nach 2006 bereits zum zweiten Mal – sowie die wichtigsten Trophäen des Sports, den Laureus-Award 2011 und den Bambi in der Kategorie Sport 2010. Im November 2011 gab die Athletin bekannt, dass sie sich nach 15 Jahren Leistungssport nun zukünftig neuen Herausforderungen im Beruf widmen möchte.

Alhassane Baldè:

Der gebürtige Westafrikaner ist querschnittsgelähmt und sitzt im Rollstuhl. Im Jahr 2000 gehörte er zu den Teilnehmern des Paralympischen Jugendlagers in Sydney. Wie er selbst sagt, „eine unvergessene Erinnerung und ein weiterer Motivationsschub sich für den Leistungssport zu engagieren“. Als Rennrollstuhlfahrer gewann er in den folgenden Jahren zahlreiche Medaillen bei Juniorenturnieren und nahm im Alter von gerade einmal 19 Jahren an den Paralympics in Athen 2004 teil. 2006 wurde er mit dem Sonderpreis des Behindertensports bei der Wahl zum Juniorensportler des Jahres ausgezeichnet. Auch in 2008 war er Mitglied des Deutschen Paralympischen Teams in Peking. Nach abgeschlossenem Studium im Jahr 2010, erhält Alhassane vermehrt die Unterstützung seines Arbeitgebers zur Ausübung seines Sports. Noch im selben Jahr des Studienabschlusses erreicht der Rennrollstuhlfahrer seine persönliche Bestleistung über 100m. Momentan bereitet sich Alhassane intensiv auf sein nächstes Ziel vor: eine Medaille bei den Paralympics in London 2012 zu gewinnen.

Andrea Rothfuß:

Andrea kam ohne linke Hand zur Welt. Schon als junges Mädchen begann sie mit dem Skifahren und nahm an etlichen Rennen im Nichtbehinderten-Bereich teil. Im Jahr 2000 wechselte sie zum Behindertensport und überzeugte mit ihren Leistungen die Nachwuchsabteilung des Deutschen Behindertensportverbands. Fortan besuchte sie regelmäßig die Jugend-Länder-Cups der DBSJ. 2004 war Andrea Mitglied des Paralympischen Jugendlager in Athen. Anschließend folgte ihre erste Weltcup-Saison sowie die erstmalige Teilnahme an den Paralympics 2006 in Turin, bei dem sie den 4.Rang im Slalom und einen 5.Platz in Super-G erreichte. Bei den Weltmeisterschaften in 2009 erreichte sie jeweils 3.Plätze in Slalom, Riesenslalom, Super-Kombi und in der Abfahrt. Im selben Jahr wurde sie zur Behindertensportlerin des Jahres gekrönt. Neben dem bestandenen Abitur, erreicht Andrea 2010 bislang ihren sportlichen Karrierehöhepunkt; sie erzielt den 2. Rang in der Weltcupgesamtwertung und gewinnt bei den Paralympischen Spielen in Vancouver zwei Silber- und eine Bronzemedaille in ihren Disziplinen. Ihr Ziel für die Paralympischen Winterspiele 2014 in Sochi ist der Gewinn einer Goldmedaille.