Aktuelles vom Para Schwimmen
Para Schwimmen: Taliso Engel mit Weltrekord-Kracher zum Abschluss

Die 39. Internationalen Deutschen Meisterschaften (IDM) im Para Schwimmen in Berlin sind mit einem Weltrekord-Kracher von Taliso Engel zu Ende gegangen. Der zweifache Paralympics-Sieger verbesserte seine Bestmarke über 200 Meter Brust nur wenige Wochen nach seiner erfolgreichen Teilnahme an der RTL-Tanzshow „Let’s dance“. Im schnellen Berliner Wasser purzelten zahlreiche weitere internationale wie nationale Rekorde. Zudem war es für Deutschlands Top-Schwimmer*innen die letzte Chance, um die WM-Normen zu erfüllen. Der Deutsche Behindertensportverband präsentiert die Ergebnisse gemeinsam mit der Heinz-Kettler-Stiftung.
Taliso Engel konnte es selbst nicht recht glauben, als er von der Zeit erfuhr. Die 200 Meter Brust legte der sehbehinderte Schwimmer von der SG Bayer in 2:23,43 Minuten zurück – gleichbedeutend mit einem neuen Weltrekord in seiner Startklasse SB13. „Dass ich nach nur drei Wochen Training nach Let’s dance meinen eigenen Weltrekord breche – das ist schon verrückt. Und um ehrlich zu sein: Ich weiß absolut nicht, wie mir das gelungen ist. Die Zeit bei Let‘s Dance hat meiner Leistungsfähigkeit offenbar nicht geschadet. Jetzt weiß ich, da kann richtig was abgehen bei den Weltmeisterschaften im September in Singapur“, berichtete Engel, der sich bei Let’s dance auf Rang zwei tanzte – und trotz eines körperlichen und mentalen Kraftakts offensichtlich beste Grundlagen gelegt hat, um wieder schnell zu schwimmen. „Ich hätte nicht gedacht, hier meinen eigenen Weltrekord zu verbessern. Aber das bestätigt mich darin, dass wir im Training das Richtige machen.“
Zehn Aktive buchen das WM-Ticket für Singapur

Engel gehört nach insgesamt drei überzeugenden IDM-Siegen im Brustschwimmen zu den zehn Aktiven, die Bundestrainerin Ute Schinkitz dem Deutschen Behindertensportverband (DBS) nun zur Nominierung für die Weltmeisterschaften in Singapur vom 21. bis 27. September vorschlagen wird. „Die WM-Normen waren anspruchsvoll. Deswegen bin ich sehr stolz auf die zehn Schwimmer*innen und auch ihre Trainer*innen, da sie auch im Jahr nach den Paralympics – mitunter auch mit anderen Herausforderungen des Lebens – unter den besten Sechs und die jüngeren unter den besten Zehn der Weltrangliste geblieben sind“, lobte Schinkitz. Mit Johanna Döhler (PSC Berlin) hatte sogar eine weitere Nachwuchsathletin die WM-Norm geschafft, sie wird im Sinne einer ausgewogenen Karriereplanung jedoch an den European Para Youth Games (EPYG) in Istanbul (21. bis 28. Juli) teilnehmen. Zur WM-Nominierung vorgeschlagen werden: Gina Böttcher (SV Motor Babelsberg), Malte Braunschweig (Berliner Schwimmteam/ SG Neukölln), Taliso Engel (SG Bayer), Phillip Hebmüller (SG Neuss), Mira Jeanne Maack (Berliner Schwimmteam / PSC Berlin), Tanja Scholz (PSV Neumünster), Verena Schott (BPRSV Cottbus), Naomi Maike Schwarz (SV Motor Babelsberg), Josia Topf (BPRSV Cottbus), Maurice Wetekam (SG Bayer).
Zum Abschluss der WM-Qualifikation zeigte sich Malte Braunschweig am Sonntag in Rekordform. Über 50 Meter Schmetterling drückte der Berliner die deutsche Bestmarke auf 26,82 Sekunden (Startklasse S9). Den Sieg in der IDM-Wertung, für die alle Zeiten über sämtliche Startklassen hinweg mittels einer Punktetabelle verglichen werden, sicherte letztlich aber Paralympics-Sieger Josia Topf (S3) in 48,49 Sekunden. Topf wurde zudem von der Abteilung Para Schwimmen im DBS zu Deutschlands Para Schwimmer des Jahres 2024 ausgezeichnet. Bei den Frauen ging der Titel an Tanja Scholz, zum Trainer des Jahres wurde Topfs Coach Christian Thiel gekürt.
„Diese Auszeichnung bedeutet mir viel und ist eine große Ehre. Fast noch mehr freut mich aber, dass auch mein Coach gewürdigt wurde“, sagte Topf. „Denn hinter meiner Leistung steht ein riesiger Mechanismus aus vielen Leuten, dir mich unterstützen. Das fängt bei meinen Eltern an und hört bei meinen Trainern auf. Deswegen finde ich es gut, wenn auch sie gewürdigt werden.“
Emotional wurde es auch, als Naomi Maike Schwarz ihr WM-Ticket buchte. „Mir fallen eine Million Steine vom Herzen. Ich bin so erleichtert“, sagte Schwarz. „Es war mein erster Wettkampf seit November, ich hatte eine ziemlich starke Knieverletzung, die erst einmal ausheilen musste. Ich war die ganze Zeit im Training, aber halt nur obenrum. Die Beine sind so lasch wie noch nie in meinem Leben zuvor.“ Die 100 Meter Freistil absolvierte Schwarz in 1:02,28 Minuten, war damit schneller als bei den Paralympics in Paris und blieb unter der erforderlichen WM-Norm. Die Spiele in Tokio 2021 hatte Schwarz noch wegen einer schweren Depression verpasst.
Eine perfekte IDM-Premiere feierte Jannis McDavid. Der 33-Jährige wurde ohne Arme und Beine geboren und machte sich zuvor als Buchautor sowie Motivationsredner einen Namen. Nachdem er trotz seiner Einschränkungen bereits den Kilimandscharo bestieg und eine Rennfahrerlizenz erwarb, wandte er sich im vergangenen Jahr trotz traumatischer Kindheitserfahrungen im Wasser dem Schwimmsport zu. Nun war er erstmals sogar beim nationalen Saisonhöhepunkt im Para Schwimmen dabei und belegte auf Anhieb Rang fünf in der IDM-Wertung. „Das ist der absolute Wahnsinn. Ich könnte glücklicher nicht sein“, sagte McDavid. „Ob jetzt bei meinem Rollstuhl oder zuvor im Motorsport, bislang hat mich immer eine externe Kraft angetrieben. Beim Schwimmen habe ich nun erstmals das Gefühl, mich ganz allein zu bewegen.“ Seine Botschaft, dass mit dem Glauben an sich selbst Berge versetzt werden können, kann er so nun noch glaubhafter verbreiten. Und zwar auch in ZDF und Stern-TV, die McDavid von ihren Teams begleiten ließen.
Verena Schott als dreifache Mutter in drei Finals an einem Tag

In gleich drei IDM-Finals schwamm am Sonntag auch Verena Schott (BPRSV/S6) mit. Knapp sechs Monate nach der Geburt des dritten Kindes zeigte sie dabei beeindruckende Leistungen – und zwischen den Rennen stillte sie mitunter die kleine Stella. „Der erste Wettkampf ist okay gelaufen. Ich weiß, wo ich noch meine Baustellen habe. Es ist aber nichts, was man in den nächsten Monaten nicht schaffen würde“, bilanzierte die 36-Jährige. Die Organisation der Familie sei an solchen Tagen zwar aufwendig, aber die Leidenschaft für den Sport sei dennoch ungebrochen groß. „Ich bin von Natur aus ein ehrgeiziger Typ. Wenn ich nicht nach Medaillen streben würde, könnte ich das so nicht weitermachen. Mit Blick auf Los Angeles 2028 möchte ich spätestens nächstes Jahr wieder an meine absoluten Bestzeiten herankommen“, betont Schott.
Insgesamt wurde bei dieser IDM vier Weltrekorde und ein Europarekord erzielt, hinzu kommen insgesamt 32 deutsche Bestmarken. „Nicht nur wegen der starken Leistungen der Aktiven war diese IDM-Ausgabe wieder eine rundum gelungene Veranstaltung“, sagte Kirsten Leow, Geschäftsführerin des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbands Berlin. „Dennoch haben wir bereits Strukturveränderungen auf den Weg gebracht, um uns im kommenden Jahr als Event der Weltserie weiterhin einen festen Platz im internationalen Kalender zu sichern.“
Hier gibt es alle Informationen und Ergebnisse rund um die IDM in Berlin. Die Ergebnisse der deutschen Meisterschaften in den Para Sportarten werden in diesem Jahr von der Heinz-Kettler-Stiftung (HKS) präsentiert, um die Aufmerksamkeit für die deutschen Meisterschaften zu erhöhen und die außergewöhnlichen Leistungen der Athlet*innen sichtbarer zu machen. Die HKS wurde von Heinz Kettler und seiner Tochter Dr. Karin Kettler bereits im Dezember 1999 gegründet, um Sportler*innen mit Behinderung in ihrer Sportausübung zu unterstützen und den Inklusionsgedanken in die Praxis umzusetzen.
Text: IDM Berlin; Ergänzungen DBS