Aktuelles von Tokio 2020
Erstmals seit 1996 keine paralympische Medaille im Para Judo
„Ich habe einfach kein Rezept gegen ihn gefunden“, sagte Oliver Upmann nach der Niederlage gegen den Russen Anatolii Shevchenko im Kampf um die Bronzemedaille in der Gewichtsklasse bis 100 Kilogramm. Eigentlich habe er sich gut vorbereitet gefühlt und sei absolut fokussiert gewesen. „Aber irgendwann bin ich gefallen“, sagte er sichtlich resigniert.
So blieb statt des ersehnten Edelmetalls auch am letzten Tag der Para Judo-Wettbewerbe lediglich Enttäuschung auf deutscher Seite. Dabei hatte der Wettkampftag gut begonnen. Gegen den Japaner Yoshikazu Matsumoto hatte Oliver Upmann sein Viertelfinale bereits nach knapp 30 Sekunden durch Ippon souverän gewonnen. Das Halbfinale ging der Weltmeister von 2019 dementsprechend selbstbewusst an. Doch auch gegen den späteren Goldmedaillengewinner Christopher Skelley hatte er keine Chance. Nach knapp zwei Minuten unterlag Upmann durch Ippon. So bleibt den bei den vergangenen Spielen erfolgsverwöhnten deutschen Para Judoka aktuell nur eins: eine Menge zu verarbeiten.
Bundestrainerin Carmen Bruckmann wirkte nach dem Kampf insgesamt aufgewühlt und ratlos: „Es war der Wurm drin, das hatten wir noch nie. Wir waren seit Atlanta 1996 noch nie ohne Medaillen, von daher ist die Situation für mich sehr unwirklich. Deshalb muss ich jetzt erst einmal sehen, wie ich das verarbeite – für mich, aber auch für das Team – und wie wir uns weiterentwickeln.“ Harsche Kritik übt sie vor allem an einigen Nationen, die offensichtlich Athletinnen und Athleten ohne wesentliche Sehbehinderung in den Wettkampf schicken. „Alle wissen es und keiner kann etwas dagegen tun“, ärgert sich Bruckmann. Es laste auf der ganzen Judo-Familie, wie die Bundestrainerin diese internationale Gemeinschaft nennt. „So viele Länder machen wirklich gute Arbeit für und mit Menschen mit Behinderung, mit denen sind wir wirklich gut befreundet“, betont sie und hofft, dass eine angekündigte Systemänderung dem Para Judo künftig fairere Wettbewerbe beschert.
Unterm Strich bleibt, dass sich das deutsche Team trotz guter Möglichkeiten spätestens im Halbfinale bzw. im Bronzekampf geschlagen geben musste. Sowohl für die Zwillinge Carmen und Ramona Brussig, Oliver Upmann als auch Nikolai Kornhaß, der als Weltranglistenerster nach Tokio gereist war, erfüllte sich der Traum von der Medaille nicht.
Quelle: Heike Werner