Aktuelles aus dem Bereich Prävention sexualisierter Gewalt

„Wir brauchen ein gesetzlich verankertes Recht auf Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs.“

Das Logo der unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs
© Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs setzt ihre Arbeit mit zwei neuen Mitgliedern fort. Neben einer gesetzlichen und über das Jahr 2023 hinausgehenden Arbeitsgrundlage macht sich die Kommission gemeinsam mit der Unabhängigen Beauftragten für ein gesetzlich verankertes Recht für Betroffene auf Aufarbeitung stark.

Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) hat heute zwei neue Mitglieder in die bei ihr angesiedelte Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs berufen: Prof. Dr. Silke Gahleitner, Professorin an der Alice Salomon Hochschule Berlin mit den Schwerpunkten Klinische Psychologie und Sozialarbeit sowie Prof. Dr. Julia Gebrande, Professorin an der Hochschule Esslingen mit den Schwerpunkten Prävention, Intervention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und Soziale Arbeit nach traumatischen Erfahrungen. Sie folgen auf Brigitte Tilmann und Prof. Dr. Peer Briken, die nach langjährigem Engagement ihr Ehrenamt als Mitglieder der Kommission beendet hatten.

Die Unabhängige Beauftragte, Kerstin Claus, begrüßte die neu berufenen Mitglieder der Kommission und würdigte das bisher außerordentliche Engagement des Gremiums: „Ich freue mich, dass wir mit Prof. Dr. Silke Gahleitner und Prof. Dr. Julia Gebrande zwei neue Kommissionsmitglieder gewinnen konnten, die ein hohes Maß an Fachwissen im Themenfeld und ausgewiesene Expertise in ihren Professionen mitbringen. Ich bin zuversichtlich, dass es gelingen wird, die wichtige und herausragende Arbeit der bei meinem Amt angesiedelten Aufarbeitungskommission weiter zu verstetigen und zu stärken. Ich werde mich gemeinsam mit der Kommission für ein kontextübergreifendes Recht von Betroffenen auf Aufarbeitung einsetzen. Ob und wie Aufarbeitung gelingt, dürfen wir nicht dem Zufall überlassen. Sie braucht qualitativ verbindliche Standards sowie ein starkes staatliches Mandat.“

Damit die Rechte und Pflichten in Aufarbeitungsprozessen zukünftig verbindlicher geregelt sind, fordern Kommission und UBSKM gemeinsam, für die Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs im Rahmen der im Koalitionsvertrag vorgesehenen gesetzlichen Regelung für das UBSKM-Amt eine verbindliche Grundlage zu schaffen. Mit dem Gesetz sollen Betroffene das Recht auf Aufarbeitung erhalten, wie etwa Akteneinsichts- und Auskunftsrechte. Institutionen sollen zur Aufarbeitung verpflichtet werden.

Um die Verwirklichung der Rechte und Pflichten zu gewährleisten, ist zudem eine gesetzliche Grundlage für die Arbeit der Kommission notwendig.
„Staat und Gesellschaft haben eine Verantwortung gegenüber Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren. Sie wurden nicht gut genug geschützt. Ein ausreichendes Bewusstsein für diese Verantwortung und die notwendige klare Haltung im Umgang mit sexuellem Kindesmissbrauch sehen wir in vielen gesellschaftlichen Bereichen bis heute nicht“, betont Kommissionsmitglied Prof. Dr. Julia Gebrande. „Um Betroffene besser zu unterstützen, brauchen wir ein gesetzlich geregeltes Recht auf Aufarbeitung. Dieses soll Betroffene stärken, wenn sie Missbrauch erlebt haben beispielsweise im kirchlichen Bereich, im Sport oder in Schulen. Auch Jugendämter sollen aus der Vergangenheit lernen, um künftig besser zu schützen. Hierzu soll das Gesetz Institutionen, in denen Fälle bekannt geworden sind, zur Aufarbeitung verpflichten“, so Kommissionsmitglied Prof. Dr. Silke Gahleitner.

Der Betroffenenrat bei der UBSKM begrüßt die Berufung der neuen Kommissionsmitglieder: „Der Betroffenenrat freut sich, dass mit der Berufung der neuen Mitglieder in die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs diese nun mit neuer Kraft und Erfahrung ihre so wichtige Arbeit fortführen kann. Immer parteilich und menschlich widmet sich die Kommission der notwendigen Aufarbeitung sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Deutschland und schaut hin, wo Staat und Gesellschaft zum Teil bis heute wegschauen oder vertuschen. Gemeinsam werden wir weiter um eine bessere Ausstattung und gesetzliche Grundlage auch für die Kommission kämpfen. Wir wünschen den neuen Mitgliedern viel Energie und Ausdauer und freuen uns auf die kommende Zusammenarbeit.“

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs untersucht seit 2016 Ausmaß, Art und Folgen sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Kern ihrer Untersuchungen sind vertrauliche Anhörungen und schriftliche Berichte von heute erwachsenen Betroffenen, die in ihrer Kindheit und Jugend sexualisierte Gewalt in Institutionen, im familiären und sozialen Bereich sowie organisierten Strukturen ausgesetzt waren. Der Kommission gehören sechs ehrenamtliche Mitglieder an. Die aktuelle Laufzeit der Kommission endet im Dezember 2023.

Betroffene sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die der Kommission über sexuellen Kindesmissbrauch berichten möchten, können sich telefonisch
(0800 4030040 – anonym und kostenfrei), per E-Mail oder Brief an die Kommission wenden. Weitere Informationen zur vertraulichen Anhörung – auch online per Video – und zum schriftlichen Bericht sowie alle Kontaktdaten finden Sie unter www.aufarbeitungskommission.de.