Aktuelles aus dem Bereich Sportentwicklung
Wie man mit Sport und Bewegung Geld sparen kann

Dass Sport und Bewegung positive Einflüsse haben auf die körperliche und psychische Gesundheit sowie vielen Erkrankungen vorbeugen können, ist hinlänglich bekannt. Trotz der vielen Vorteile ist der Bewegungsmangel in Deutschland ein erhebliches Problem – insbesondere bei Menschen mit Behinderung. Nicht selten wird deren Teilhabe am Sport in der Praxis erschwert oder gar verhindert. Das verstößt sogar gegen eine Konvention der Vereinten Nationen.
Der Teilhabebericht der Bundesregierung zeigt, dass Menschen mit Beeinträchtigungen deutlich weniger Sport treiben als Menschen ohne Beeinträchtigungen. Bei Menschen mit Beeinträchtigungen ist es sogar jeder Zweite, der angibt, nicht sportlich aktiv zu sein – zum Vergleich: 55 zu 28 Prozent. Dafür gibt es Gründe. „Wie sollen Menschen mit Behinderung Sport treiben, wenn es kaum Angebote in den Vereinen gibt? Wenn es keine Übungsleiter*innen gibt, die das nötige Zutrauen oder Wissen haben? Wenn sie keine Sportprothese oder keinen Aktivrollstuhl bekommen? Wenn die Sportstätte Barrieren hat? Oder wenn sie gar nicht erst selbstbestimmt zur Sportstätte kommen, z. B. mit einem zuverlässigen und barrierefreien ÖPNV?“, fragt DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher und betont: „Wir müssen als gesamte Gesellschaft die Voraussetzungen schaffen, damit Menschen mit Behinderung die Tür zum Sport nicht verschlossen bleibt, sondern möglichst weit geöffnet wird.“
Gemäß den Vorgaben der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die Deutschland im Jahr 2009 ratifiziert hat, gehört explizit auch die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten zu einer sozialen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Es sei erforderlich, dass Menschen mit Behinderung dieses Recht auch tatsächlich in Anspruch nehmen können, sagt Beucher. „Hinzukommt: Mehr Sport und Bewegung in unserer Gesellschaft haben auch eine präventive Wirkung mit Blick auf viele Krankheiten. In Zeiten explodierender Kosten wäre das nicht der schlechteste Schachzug. Leider werden Menschen mit Behinderung häufig von den Präventionsleistungen der Krankenkassen ausgeschlossen.“
Niko Kappel: "Wenn alle Menschen präventiv Sport treiben würden, könnten wir sehr viel Geld im Gesundheitssystem einsparen"
Das unterstreicht auch Niko Kappel, mehrfacher Medaillengewinner bei Paralympics im Kugelstoßen: „Ich mache als Kleinwüchsiger, denen in der Regel davon abgeraten wird, überhaupt Sport zu treiben, nun wirklich keinen Gesundheitssport, wenn ich 265 Kilogramm in der Kniebeuge hebe. Aber mir geht es trotzdem deutlich besser als den allermeisten, die keinen Sport treiben. Und es geht dabei nicht nur um die körperliche, sondern auch um die mentale Gesundheit“, sagt der 30-Jährige vom VfB Stuttgart und fügt an: „Wenn alle Menschen präventiv Sport treiben würden, könnten wir sehr viel Geld im Gesundheitssystem einsparen. Das sollte es uns wert sein, in entsprechende Programme zu investieren.“
Ein Beispiel dafür sind Hilfsmittel für den Sport. Denn häufig können Menschen mit Behinderung nicht mit Alltagshilfsmitteln Sport treiben. Ob zur Reduzierung von auftretenden Erkrankungen, nach Operationen oder zur Vermeidung eines medizinischen Eingriffs – Hilfsmittel wie Prothesen, Orthesen, Bandagen, Kompressionsstrümpfe oder Rollstühle ermöglichen es Menschen, schneller wieder in den Alltag zurückzukehren. Das trägt zu Heilungserfolgen bei und führt dazu, dass die Belastung für Krankenhäuser und Pflegepersonal vermindert wird. Und das wiederum kann zu erheblichen finanziellen Einsparungen führen.
Doch in der Praxis wird die Verordnung für Hilfsmittel durch die Krankenkasse als Leistungsträger oftmals abgelehnt mit dem Grund, dass Freizeit-, Breiten- und Vereinssport nicht zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehöre. „Unzählige wissenschaftliche Studien belegen, wie wichtig Sport und Bewegung für die gesundheitliche Prävention ist, um chronische Erkrankungen und behinderungsbedingte Folgeeinschränkungen zu reduzieren oder zu verhindern. Klar ist: Aus rein wirtschaftlicher Sicht würde sich eine Förderung durch die Krankenkasse sehr wohl lohnen, wenn man eine langfristige Betrachtung als Maßstab anlegen würde“, betont Friedhelm Julius Beucher.
Friedhelm Julius Beucher: "Für uns ist es eine Frage von Gerechtigkeit und Chancengleichheit"
In der Praxis entsteht ein unübersichtliches Antragsverfahren, in dem Widersprüche, medizinische Begründungen oder eine Klage vor dem Sozialgericht durch den Antragsteller eingereicht werden müssen, um an das benötigte Hilfsmittel zu kommen. Für Betroffene sind die Hürden also hoch – ihnen steht häufig ein juristischer Kampf bevor, vor dem sich viele scheuen. Das ist ohne rechtliche Beratung kaum machbar. Unterstützung kann es dabei durch den Sozialverband VdK geben. Hierzu gibt es auch eine gemeinsame Initiative von DBS, dem Deutschen Olympischen Sport-Bund und VdK. Was viele Betroffene nicht wissen: Erfolgsversprechender als über die Krankenkassen könnte der Weg über die Eingliederungshilfe sein, die soziale Teilhabe fördert und die durch eine Behinderung entstehenden Einschränkungen zugunsten einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben ausgleicht.
Friedhelm Julius Beucher: „Für uns ist es eine Frage von Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Zur Teilhabe und Inklusion im Freizeit- und Vereinssport müssen Menschen mit Behinderung, die auf Hilfsmittel angewiesen sind, unbürokratisch und kurzfristig bedarfsgerechte Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden“, fordert der DBS-Präsident. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Menschen mit Behinderung den Zugang zum Sport zu erleichtern. Dazu gehörten, so Beucher, neben der Hilfsmittelversorgung vor allem auch wohnortnahe Sportangebote und möglichst barrierefreie Sportstätten. Kugelstoßer Niko Kappel fügt hinzu: „Dabei muss es nicht immer die große Lösung sein, auch kleine Schritte wie zum Beispiel der Bau einer Rampe helfen und sind manchmal sogar besser, um die Akzeptanz von außen zu erhöhen. Wichtig ist nur, dass die Barrierefreiheit immer mitgedacht wird.”
Und das Beste an all den Maßnahmen: Wer Menschen mit Behinderung die Tür zum Sport öffnet und ermöglicht, dass sich die präventive Wirkung des Sports auch entfalten kann, spart langfristig gesehen sogar Geld. Eine Win-win-Situation. Eigentlich. Beucher: „Doch dafür braucht es notwendige Investitionen und entschlossenes Handeln – und das nicht erst irgendwann in ein paar Jahren, sondern jetzt.“
Informationen rund um die Hilfsmittelversorgung im Sport gibt es auf unserer Webseite.