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Teilhabe VEREINfacht: Kung-Fu und Kinder-Rehasport – Tradition trifft Vielfalt in der Chin-Woo-Schule Lübeck
Überragende Kunst – das bedeutet Chin-Woo auf Kantonesisch. Und wahrlich überragend ist der Ansatz, mit dem die Chin-Woo-Schule Lübeck Kampfkunst mit Inklusion verbindet und so Raum für sportliche Teilhabe schafft. Unter der Leitung von Jörg Gehl hat sich die Schule in den letzten 24 Jahren von einer reinen Kampfsportschule zu einem breitgefächerten Sportzentrum entwickelt, in dem körperliche Fitness, Sicherheit und Gemeinschaft zentrale Werte sind.
Gehl erlernte seinen Lieblingssport noch auf die klassisch harte Tour. Mit einem Kopfschütteln erinnert er sich an die vielen Verletzungen und die Ausgrenzungen, die in den 90er Jahren beim Kampfsporttraining gang und gäbe waren. Denn es geht auch anders. In den Trainingskursen der Chin-Woo-Schule Lübeck wird, getreu dem Leitmotto „Mit Sicherheit fit!“, nicht nur körperliche Fitness, sondern auch ein Gefühl von Sicherheit vermittelt: „Bei uns können sich alle sicher fühlen und dieses Gefühl hoffentlich auch nach draußen mitnehmen“, erklärt Gehl.
Kampfkunst und Rehasport – eine harmonische Symbiose
In der Kampfsportschule werden klassische wie moderne asiatische Kampfkünste unterrichtet und trainiert. „Wir versuchen, unser Angebot regelmäßig zu erweitern – je nach Verfügbarkeit der Trainer“, erläutert Gehl. Besonders Kinder finden über Filme und Serien wie Kung Fu Panda oder Ninjago den Weg zur Chin-Woo-Schule. Ein besonderes Highlight der Schule ist jedoch, dass neben Kickboxen, Kung-Fu und Co. auch Rehasport auf dem Kursplan steht.
Für Gehl eine logische Konsequenz, denn die asiatische Kampfkunstphilosophie lässt sich im Rehasport hervorragend aufgreifen: Harmonie zwischen Körper und Geist. „Ob Rückenschmerzen oder andere Beschwerden – unser Ansatz ist, die Ursache ganzheitlich zu betrachten“, sagt Gehl. Besonders die Qigong-Kurse, bei denen eine chinesische Meditations-, Konzentrations- und Bewegungsform unterrichtet wird, ziehen ältere Menschen mit gesundheitlichen Problemen an. Der Schritt von der Qigong-Gruppe zum ersten Rehasportangebot war daher naheliegend. Im Jahr 2016 startete Gehl mit frisch erworbener Übungsleiter-B-Lizenz die erste Herzsportgruppe. Mittlerweile bringen er und sein Team rund 200 Personen regelmäßig beim Rehasport in Bewegung.
Die Rehasport-Angebote stehen sowohl Menschen mit als auch ohne ärztliche Verordnung offen. Gerade bei den Kindergruppen zahlt sich das Konzept der gemischten Kurse aus. „In unseren Kindergruppen haben wir jeweils ein bis zwei Kinder mit Rehasport-Verordnung und viele, die eine Verordnung bekommen könnten, aber keine haben.“ Laut Gehl liege das oft an der mangelnden Unterstützung durch die Ärzteschaft sowie an einer defensiven Haltung der Eltern.
Inklusion durch ein offenes Kurskonzept
Auch im Bereich Kampfsport sind die Kurse bewusst durchmischt. Menschen mit und ohne Behinderung trainieren gemeinsam, wobei die Angebote auf unterschiedliche Fitness- und Leistungsniveaus abgestimmt sind. „Ob jemand eine Behinderung hat oder nicht, spielt bei uns keine Rolle“, betont Gehl. „Wir finden für jede und jeden den passenden Einstieg.“
Mit über 90 Angeboten ist der Wochenplan der Chin-Woo-Schule entsprechend voll: Vormittags finden meist Rehasport-Einheiten, Qigong oder Selbstverteidigungskurse für Menschen mit geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen statt. Abends dominieren Kampfsportarten wie Muay Thai oder Kickboxen für wettkampforientierte Teilnehmer*innen. Die zeitliche Trennung ermöglicht es, verschiedenen Zielgruppen eine Plattform zu bieten, ohne dass unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen.
Auch innerhalb der Kurse funktioniert das Konzept der Begegnung. Berührungsängste verschwinden nach und nach, und Menschen werden nicht für ihre Behinderung bemitleidet, sondern für ihre Leistungen respektiert. Dieses Ergebnis erfüllt Gehl jedes Mal mit Stolz. „Die Fortschritte, die Teilnehmende nach teils schweren Erkrankungen machen, und die Freude, die sie dabei ausstrahlen, sind für mich eine große Motivation.“
Durch Kooperationen mehr erreichen
Für Personengruppen, denen der Besuch der Kampfsportschule nicht möglich ist, bieten Gehl und sein Team Kurse direkt in Behinderteneinrichtungen oder Förderschulen an. So engagiert sich die Chin-Woo-Schule beispielsweise im Ganztagsbetrieb einer Förderschule und bietet Rehasport- und Selbstverteidigungskurse in Wohneinrichtungen der Diakonie an.
Erst durch Kooperationen mit Partnern wie der Diakonie, Vereinen wie dem VfB Lübeck, Förderschulen oder anderen lokalen Institutionen kann die Chin-Woo-Schule finanzielle und organisatorische Herausforderungen meistern und den Sport für alle zugänglicher machen.
Die Chin-Woo-Schule Lübeck zeigt eindrucksvoll, wie ein vielfältiges Sportangebot, enge Kooperationen und ein inklusiver Ansatz Menschen jeden Alters und jeder Herkunft zusammenbringen können. In einer Welt, die oft von Ausgrenzung geprägt ist, beweisen Jörg Gehl und sein Team, dass es auch anders geht – durch die Kraft des Sports.