Aktuelles aus dem Bereich Sportentwicklung
Bewegung und Sport bei Post-/Long-COVID
Der Deutsche Behindertensportverband e.V. (DBS) veröffentlicht das Skript „Post-/Long-COVID im Rehabilitationssport“
Insgesamt fünf Wochen war Uwe Riedle coronapositiv. Nach dem Klinikaufenthalt folgte eine dreiwöchige Anschlussheilbehandlung in Marburg, danach wurde der ehemalige Schichtleiter als arbeitsunfähig entlassen. An eine Wiedereingliederung ist seitdem nicht zu denken. Riedle leidet an Long Covid und noch immer an den Folgen der Erkrankung. Die kognitiven Ausfälle und Störungen machen ihm zu schaffen, „die Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sind für mich am schlimmsten“, entgegnet er. „Ich drehe mich um und weiß manchmal nicht mehr: habe ich meine Tablette genommen oder nicht. Eine kurze Ablenkung reicht, um mich aus dem Konzept zu bringen.“ Dazu komme die Erschöpfung, schon einfachstes Treppensteigen wird zur Anstrengung, seine geliebte Gartenarbeit ist derzeit eine Herausforderung. „Ehrlich gesagt dachte ich, dass ich mich in der Anschlussheilbehandlung erhole, ein bisschen was für meine Fitness mache und nach ein paar Wochen wieder arbeite“, sagt Riedle. Doch weit gefehlt. „Mein Körper zeigt mir knallhart die Grenzen auf.“
So wie Riedel geht es derzeit vielen Menschen in Deutschland. Mit der ständig ansteigenden Anzahl an Betroffenen sind Post- und Long-COVID mittlerweile weit verbreitete Erkrankungen mit weitreichenden sozialen und persönlichen Auswirkungen. Bei der Genesung unterstützen, kann auch der ärztlich verordnete Rehabilitationssport. „Gerade die häufigsten Symptome bei Post- und Long-COVID wie Schwindel, Luftnot, Erschöpfung und Konzentrationsschwäche sind im Rehabilitationssport nicht unbekannt“, erläutert DBS-Vizepräsidentin Dr. Vera Jaron und fügt an: „Die Bedeutung der körperlichen Aktivität ist unumstritten“. Somit weisen auch die im letzten Jahr überarbeiteten AWMF S1-Leitlinien Long-/ Post-COVID auf die Bewegung als wichtiger Bestandteil der Behandlung hin.
Mit dem Wissen aus den zahlreichen Schulungen und mit Unterstützung von Expert*innen veröffentlichte der DBS im März 2023 die erste Informationsbroschüre „Post-/Long-COVID im Rehabilitationssport“, um Übungsleiter*innen und Referent*innen im Umgang mit den Rehabilitationssportteilnehmer*innen eine Hilfestellung geben zu können und der neuen Zielgruppe gerecht zu werden.
Der DBS begann bereits Anfang 2021 sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und bot erste Web-Seminar für Referent*innen und Übungsleiter*innen im Rehabilitationssport zu dem Thema Post-/Long-COVID an, um frühzeitig auf die neue Zielgruppe vorzubereiten. In fünf weiteren Web-Seminaren mit mehreren 100 Teilnehmer*innen erläuterte Prof. Dr. Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule in Köln eindrucksvoll die neusten Erkenntnisse hinsichtlich der Entstehung einer COVID-19-Erkrankung und deren möglichen Auswirkungen, Spät- und Langzeitfolgen. Weitere Multiplikatoren-Schulungen mit Referent*innen aus Rehakliniken, der Wissenschaft und der Akutmedizin brachten Bildungsverantwortliche und Referent*innen den DBS-Landes- und Fachverbände auf den aktuellsten Stand der Nachsorge bei Post-/Long-COVID.
Im September 2022 führte der DBS dann mit Unterstützung der Deutschen Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) das Forum Corona und Sport durch. Rund 70 Teilnehmer*innen aus Politik, Wissenschaft, Medizin und der Sportpraxis nutzten die Plattform, um sich über die Potenziale des (Rehabilitations-)Sports bei Post-/Long-COVID auszutauschen. Dabei zeigte sich eindrucksvoll: Es besteht noch viel Bedarf an Aufklärung auf sämtlichen Ebenen. Die Wissenschaft steckt einerseits noch in ihren Anfängen durch die Aktualität der Thematik COVID-19, andererseits können viele Parallelen und Schnittstellen zu der Behandlung bei anderen Erkrankungen gezogen werden. „Wir sind froh, dass wir mit dem Forum eine Plattform schaffen konnten, um Akteure aus verschiedenen Bereichen zusammenzubringen. Es gab einen sehr guten, intensiven Austausch“, erklärte DBS-Vizepräsidentin Katrin Kunert im Anschluss an die Veranstaltung.
Das nun veröffentlichte Skript fasst die bisherigen Erkenntnisse praxisnah zusammen. Neben Grundlagen zum SARS-CoV2-Virus und Post-/Long-Covid, sind Informationen zu den Zielen, der Einordnung und den Besonderheiten im Rehabilitationssport bei Post-/Long-Covid sowie praktische Hinweise zu Übungs- und Trainingsformen enthalten. Das Skript wird bedarfsabhängig zu neuen Erkenntnissen aus der Wissenschaft erweitert. „Unser Dank gilt allen, die uns bei der Umsetzung der Schulungen und der Erstellung des Skriptes unterstützt haben, mit dem Ziel, die Referent*innen und Übungsleiter*innen für ihre wichtige und verantwortungsvolle Tätigkeit bestmöglich vorzubereiten“, resümiert Jaron und Kunert betont: „Wir hoffen, dass damit unsere Vereine noch viel mehr Menschen, wie Uwe Riedel, bei der Rückkehr in ein bewegtes und selbstbestimmtes Leben unterstützen und begleiten können.“