Para Snowboarder zwischen Erfahrung sammeln und Final-Ambitionen
„Wir können uns hier im Dorf munter bewegen, wir hätten es schlimmer erwartet. Die Sportstätten sind in einem Top-Zustand, da gibt es gar nichts zu bemängeln“, sagt Para Snowboard-Cheftrainer André Stötzer nach den ersten Tagen im Paralympischen Dorf in Zhangjiakou mit seinen drei deutschen Athleten Christian Schmiedt, Matthias Keller und Manuel Ness. Dann schiebt er hinterher: „Aber noch fühlt es sich ein bisschen an wie bei der WM in Lillehammer. Der paralympische Hype, wie man ihn sich erhofft, der ist irgendwie noch nicht da, weil die Wettkämpfe noch fehlen. Das kommt bestimmt beim Einlaufen bei der Eröffnungsfeier.“
Für Schmiedt ist mit Glück das Finale drin
André Stötzer ist mit ein Grund, dass es überhaupt ein deutsches Para Snowboard-Team in Peking gibt. Christian Schmiedt und Manuel Ness waren bis 2018 noch privat und auf eigene Kosten Wettkämpfe für Deutschland gefahren, der in der Schweiz lebende Stötzer – beruflich Orthopädietechniker und gelernter Snowboard-Trainer – schaute sich die beiden auf Vermittlung einer Bekannten an und wurde nach den Paralympics 2018 als Cheftrainer beim Deutschen Behindertensportverband angestellt. Matthias Keller kam als dritter Para Snowboarder dazu und so arbeitete das Quartett plus Co-Trainer Tobias Werner auf die Paralympics 2022 in Peking hin – denn 2014 bei der Para Snowboard-Premiere in Sotschi hatte es in Stefan Lösler nur einen deutschen Starter gegeben, in PyeongChang keinen.
„Ich bin positiv überrascht, dass es alle Drei bis hierher geschafft haben“, sagt Stötzer, der darauf hofft, dass alle im Snowboard Cross am 6. März die Qualifikation überstehen und am 7. März in den Finals fahren dürfen. Gleiches gilt am 11. und 12. März im Dual Banked Slalom. „Ich habe ähnliche Erwartungen wie bei der WM im Januar, für Chris Schmiedt ein Platz unter den Top-8 oder mit etwas Glück sogar im Finale der besten Vier, für die anderen, dass sie die Qualifikation schaffen.“
WM im Januar ein „Erfahrungsgewinn“
Nach der ersten Weltmeisterschaft der Drei hatte sich Stötzer zufrieden gezeigt, Christian Schmiedt hatte sich im Dual Banked Slalom der Klasse LL1 (Lower Limp 1) mit Platz sieben und im Snowboard Cross mit Rang zwölf zwei Mal für den Finaltag qualifiziert und scheiterte dort – jeweils aufgrund eines Sturzes – im Viertelfinale. Matthias Keller und Manuel Ness kamen beide nicht über die Qualifikationsläufe hinaus. Im Team-Wettbewerb im Snowboard Cross – der nicht paralympisch ist – zeigten Keller und Schmiedt mit Platz zehn noch mal gute Leistungen. „Es war für uns alle ein großer Erfahrungsgewinn in Richtung Paralympics“, sagte Stötzer damals: „Alle Nationen außer China waren dabei, deshalb wissen wir nun besser, wo wir stehen und woran wir genau arbeiten müssen, um in Peking noch besser abliefern zu können.“
Über den Leistungsstand der Chinesen weiß Stötzer noch immer nichts, dann sagt er lachend: „Aber wenn man sie hier auf der Piste sieht, merkt man, dass sie nicht faul waren, sondern ordentlich trainiert haben.“ Während die internationalen Konkurrenten teilweise als Profis unterwegs sind, sind die drei Deutschen „mehr oder weniger frischgebackene Familienväter und voll berufstätig“, wie Stötzer anmerkt – die der Teamgedanke und die gute Laune beim Snowboardfahren eint.
„Zweites Großevent so kurz nacheinander“
In Zhangjiakou gefällt Stötzer, „wie griffig und wie gut der Schnee ist. Da können wir unser Material auf die Schneeverhältnisse sehr gut einstellen. Es ist kalt, das heißt die Strecken werden wahrscheinlich nicht so schnell ausgefahren sein wie auf Naturschnee, das ist sicher ein Vorteil für uns.“ In den letzten drei Monaten rund um die WM bekamen die deutschen Para Snowboarder neue Prothesenfüße und kleinere technische Modifikationen. Gerade Schmiedt und Keller profitierten davon enorm.
Wäre das im letzten Jahr schon passiert, wäre mehr Zeit zum Testen gewesen, doch coronabedingt fand nur ein Weltcup statt. „Eine Wettkampfsaison fehlt uns eben“, merkt Co-Trainer Werner an. „Für uns sind die Paralympics nach der WM das zweite Großevent und dann so kurz nacheinander, da fällt es schwer zu eruieren, was wir reißen können“, sagt Stötzer, der aber auch schon vorausblickt: „Ich bin jetzt einfach auf das Endergebnis hier und dann die Zeit nach den Paralympics gespannt, inwieweit wir von diesen Erfahrungen profitieren können.“
Quelle: Nico Feißt