Drei Medaillen zum Auftakt
Im Biathlon-Sprint über sechs Kilometer bei den Paralympics gewinnt Marco Maier bei den Männern stehend Silber, ebenso wie Linn Kazmaier bei den Frauen mit Sehbeeinträchtigung. Leonie Walter holt dort Bronze. Marco Maier muss nach seinem Rennen einen Schreckmoment verkraften.
Marco Maier hatte schon einige Interviews in der Mixed-Zone hinter sich und seine unermessliche Freude über Silber im Biathlon-Sprint 45,8 Sekunden hinter dem wie er fehlerlosen Ukrainer Grygorii Vovchynskyi (16;17.6 Minuten) und 10,2 Sekunden vor Mark Arendz aus Kanada (zwei Fehler) geführt, da wurde er plötzlich zur Jury gerufen. Die hatte Redebedarf, weil sich die Feder, auf der sein Gewehr beim Schießen aufliegt, sich leicht verbogen hatte – ein Verstoß gegen die Regeln. Es drohte eine Disqualifikation.
Bange Minuten vergingen, bis klar war: Maier behält Silber; er kam mit einer Verwarnung davon. „Die Feder darf sich eigentlich nicht bewegen. Für die Sportler ist das aber extrem schwierig zu kontrollieren. Niemand im Feld verstößt absichtlich gegen diese Regel, Marco am wenigsten“, sagte der Bundestrainer Ralf Rombach nach dem Happyend für den Allgäuer. „Diese Medaille bedeutet mir alles. Dass dieser Wunsch Realität geworden ist, ist unglaublich“, sagte der 22-Jährige vom SV Kirchzarten. Dem zweiten Deutschen, seinem Vereinskameraden Alexander Ehler, merkte man im ersten Rennen nach seiner Corona-Infektion den Trainingsrückstand noch an. Er landete mit sieben Schießfehlern auf Platz 16.
Ein Herzinfarkt für die Mama
Gleich doppelt freuen durften sich die deutschen Frauen mit Sehbeeinträchtigung. Beim Sieg der Ukrainerin Oksana Shyshkova (20:09.0 Minuten, kein Schießfehler) kamen Linn Kazmaier (SZ Römerstein, mit Guide Florian Baumann) 5,8 Sekunden und Leonie Walter (SC St. Peter, mit Guide Pirmin Strecker) 30,0 Sekunden dahinter auf zwei und drei ins Ziel. Beide Deutschen, wie Marco Maier Paralympics-Debütanten und große Versprechen für die Zukunft, leisteten sich je einen Schießfehler.
„Ich wollte eigentlich null bleiben, weil meine Mutter gesagt hat, sie kriegt einen Herzinfarkt, wenn ich einen Fehler schieße“, verriet die erst 15-Jährige Linn Kazmaier. Die Vorstellung, am Sonntag eine Medaille zu erhalten, war für sie da noch kaum fassbar. Leonie Walter (18) sprach von einem „wunderbaren Gefühl“. Die dritte Deutsche, Johanna Recktenwald (Biathlon Team Saarland, mit Guide Valentin Haag) kam nach Problemen am Schießstand (zwei Fehler) und auf der Strecke auf Rang sieben. „Es hat mir den Stecker gezogen. Das Rennen war richtig, richtig hart.“ Bei den Männern mit Sehbeeinträchtigung musste Nico Messinger (Ring der Körperbehinderten Freiburg, mit Guide Robin Wunderle) dreimal in die Strafrunde, war als Siebter aber dennoch zufrieden. „Läuferisch habe ich mich besser gefühlt als zuletzt. Es geht bergauf.“
„Mehr als zufrieden“ mit der Ausbeute des Nachmittags im Zhangjiakou National Biathlon Centre war der Bundestrainer Ralf Rombach. „Was Marco gegen die Konkurrenten von Weltniveau gezeigt hat, war überragend. Bei den Frauen mit Sehbeeinträchtigung haben wir uns schon etwas ausgerechnet, nachdem die Russinnen nicht starten durften. Dass es so gut läuft, war aber nicht zu erwarten gewesen“, sagte er.
Martin Fleig zeigt die Faust
Jeweils Platz fünf gab es bereits am Vormittag für Anja Wicker (MTV Stuttgart) und Martin Fleig (Ring der Körperbehinderten Freiburg) in den Rennen der sitzenden Konkurrenz. Fleig zeigte bei der ersten paralympischen Goldmedaille eines chinesischen Para Biathleten durch Zixu Liu (18:51.5 Minuten, null Fehler) eine ordentliche Leistung. Nicht als Sprint-Experte bekannt, kam er mit einem Schießfehler 1:11.1 Minute hinter Liu ins Ziel und ballte ob seiner Leistung kurz die Faust.
„Im Biathlon-Sprint bei einem Großereignis war ich selten besser. Das ist ein positiver Auftakt“, sagte der 32-Jährige und gratulierte dem Ukrainer Taras Rad zu dessen zweiten Platz 17,5 Sekunden hinter dem Sieger (ein Fehler). „Ich habe mich riesig gefreut, dass Taras in dieser schwierigen Zeit einen solchen Erfolg feiern konnte.“ Bronze ging an den Vertreter des Gastgebers Mengtao Liu (+41,8 Sekunden, ein Fehler).
Anja Wicker haderte beim emotionalen Erfolg der ukrainisch-stämmigen US-Amerikanerin Oksana Masters (20:51.2 Minuten, null Fehler) vor Yilin Shan (China, +15,1 Sekunden, null Fehler) und Kendall Gretsch (USA, +1:01.7 Minuten, ein Fehler) über sehr ungewohnte drei Fehler am Schießstand. „Am Wind lag‘s nicht. Das muss ich auf meine Kappe nehmen“, sagte die 30-Jährige und behielt sich ihren Humor. „Mein rechter Arm ist jetzt wahrscheinlich doppelt so dick und müde wie mein linker. Die Strafrunde ist die Hölle.“
Woran es dann lag? „Ich kann‘s mir momentan noch nicht erklären. Ich habe nicht in meinen Rhythmus und in meine Belastung gefunden.“ Entmutigen lässt sie sich davon nicht. „Ich weiß, was ich kann. So schnell zweifle ich nicht.“ Am Sonntag im Langlauf über die Langdistanz ist Wicker im Gegensatz zu Martin Fleig nicht am Start. Ihr nächster Wettkampf wird das Biathlon-Rennen über die Mitteldistanz am Dienstag sein.
Benjamin Schieler