Merle Menje und Jule Roß trotzen dem nasskalten Wetter
Rennrollstuhlfahrerin Merle Menje kommt an Tag eins der Para Leichtathletik bei den Paralympics souverän ins Finale über 5000 Meter, am Abend macht es ihr Newcomerin Jule Roß über 400 Meter hauchdünn nach. Isabelle Foerder wird Achte und Phil Grolla beim Paralympics-Debüt Zehnter auf der regennassen lila Bahn im Stade de France.
Im strömenden Regen in einem prall gefüllten Stade de France kam Rennrollstuhlfahrerin Merle Menje als Zweite ihres Vorlaufs in 12:44,17 Minuten souverän ins Finale über 5000 Meter der Klasse T54 und fährt am morgigen Samstag um die Medaillen. „Es war ein ganz gutes Auftaktrennen, es ging darum, sich zu qualifizieren und das möglichst kräftesparend, weil die nächsten Tage noch viele Starts anstehen“, sagte die 20-Jährige vom Stadt-Turnverein Singen, die noch über 800 und 1500 Meter sowie im Marathon startet: „Es war gut zu spüren, wie ich drauf bin, wie die Geschwindigkeit hochgeht.“
Dass es wie verrückt regnete, irritierte die Vize-Weltmeisterin über diese Distanz dabei nur bedingt: „Es war ein schönes, regnerisches Rennen. Das Wasser stand echt auf der Bahn, es war sehr nass. Durch den Windschatten fahren wir dicht aufeinander, sodass es immer vom Rad hochspritzt. Gesehen habe ich daher nicht viel, aber das Material hat gepasst“, sagte Gottmadingenerin, die für so einen Fall extra Handschuhe trägt, die mehr Grip am Greifring haben. Das Finale steigt nun am Samstag um 10.40 Uhr.
Jule Roß jubelt dank 0,02 Sekunden
Die 18 Jahre junge Jule Roß vom TSV Bayer 04 Leverkusen machte es Menje am Abend nach – wenn auch ganz knapp. In 1:01,08 Minuten kam sie dank zweier Hundertstelsekunden als Gesamt-Achte ins Finale über 400 Meter der Klasse T47, das am Samstag um 21.19 Uhr startet. „Es hat sehr, sehr viel Spaß gemacht“, sagte das Nachwuchstalent, das in Kobe bei der WM im Mai Vierter über die Stadionrunde wurde: „Als ich das erste Mal in den Katakomben die vielen Menschen gesehen habe, habe ich schon Gänsehaut gehabt und erstmal probiert, die Nervosität abzulegen. Im Stadion habe ich meine Family gesehen, meine Trainerin, die anderen vom Team Deutschland. Das hat mich mega beruhigt.“
Dass sie dann knapp eine halbe Stunde im Kalten warten musste, beeindruckte sie nicht. „Man ist in Deutschland das schlechte Wetter gewohnt, es hat mich nicht eingeschränkt. Aber ich laufe lieber in der Sonne“, sagte die gebürtige Bergisch Gladbacherin und freute sich: „Das Finale war mein großes Ziel hier, dass es direkt klappt, ist mega. Ich freue mich auf morgen und hoffe, dass ich dann noch eine Schippe drauflegen kann. Ich will noch mal alles geben, damit ich am Ende zufrieden bin mit meiner Leistung – und das Ganze genießen.“
Grolla wird Zehnter und hofft auf Staffel-Rückkehr
Paralympics-Debütant Phil Grolla verpasste in ordentlichen 10,94 Sekunden den Endlauf in der Klasse T47 um eine Zehntelsekunde. Der 23-Jährige vom VfL Wolfsburg wurde in seinem Vorlauf Sechster und belegte damit Rang zehn insgesamt. „Ich hätte schneller laufen können, habe am Start aber viel verloren. Das war die ganze Saison mein Problem, wir haben gut daran gearbeitet, aber heute habe ich es nicht umsetzen können. Mit der Zeit bin ich dennoch nicht unzufrieden, die anderen waren echt gut drauf.“
Noch im April im Trainingslager auf Lanzarote konnte der Staffel-Europameister von 2018 nicht richtig laufen, weil er im vergangenen Jahr einen Knorpelschaden hinter der Kniescheibe hatte und operiert werden musste. „Im Frühjahr hätte ich noch nicht gedacht, dass ich hier stehen könnte, deshalb war es eine super Experience und ein sehr besonderer Moment für mich, in diesem vollen Stadion zu laufen.“
Da Deutschland keine Universal-Staffel haben wird, sind die Paralympics bereits zu Ende. Grolla, der in 40,52 Sekunden mit der ehemaligen Amputierten-Staffel mit Johannes Floors, Markus Rehm und Felix Streng den Weltrekord über 4x100-Meter hält, hätte gerne ein weiteres Rennen gemacht. Eine Rückkehr der ehemaligen Staffel würde er sich daher „wünschen, die anderen Jungs auch. Wir laufen da eine super bomben Zeit, die man auch als nichtbehinderte Person einschätzen kann. Ich hoffe, dass sie zurückkommt und wir da was auf die Beine stellen können.“
Foerder genießt die Stimmung und belegt Rang acht
Begeistert von der Kulisse war auch Isabelle Foerder, die über 100 Meter der Klasse T35 im einzigen deutschen Finale am Vormittag Achte in 16,36 Sekunden wurde. Obwohl sie mit der Zeit nicht zufrieden war, schwärmte die erfahrene Athletin über die Stimmung: „Das war einfach geil, wunderbar! Die Atmosphäre ist super, man kommt rein und wird umjubelt – es ist alles ganz fantastisch.“
Vorgenommen hatte sie sich eine Zeit unter 16 Sekunden – am Ende lief die Athletin vom HSC Erfurt, die 1996 in Atlanta als 16-Jährige schon bei Paralympics dabei war und bei zuvor vier Paralympics insgesamt vier Mal Silber und ein Mal Bronze geholt hatte, etwas langsamer, obwohl sie sich eine besondere Strategie überlegt hatte. „Normalerweise schreit die Kasachin immer, dieses Mal habe ich einfach auch den ganzen Lauf über geschrien und sie aus dem Konzept gebracht.“
Am Samstag steigen vormittags das 5000-Meter-Finale mit Merle Menje sowie die Vorläufe über 100 Meter der Klasse T38 mit Lindy Ave, Nele Moos und Friederike Brose. Der Endlauf für das Trio fände am Abend statt. Dort steht der Weitsprung-Wettbewerb mit Weltmeister Léon Schäfer im Fokus, Jule Roß sprintet im Finale über 400 Meter. Zum Abschluss des Abends läuft Nicole Nicoleitzik im Vorlauf über 200 Meter.