Millionen Zuschauer bei Paralympics: Team D von Stimmung überwältigt
Die Paralympics 2024 in Paris sind schon jetzt die zweitgrößten Paralympischen Sommerspiele aller Zeiten. Tausende Menschen strömen in die Arenen, unterstützen lautstark und sorgen für eine Vielzahl an Gänsehautmomenten. Die deutschen Athlet*innen sind fasziniert von der Unterstützung auf den Rängen.
Mascha Mosel kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Ein unglaubliches Gefühl. Es war so laut in der Halle. Einfach cool“, sagt die 24-jährige Deutsche, die mit der Rollstuhlrugby-Nationalmannschaft bei den Paralympics in Paris an den Start gegangen ist. Die Zuschauer in der Champ-de-Mars-Arena, die bis zu 8100 Plätze fasst, verwandeln die Halle in einen Hexenkessel. Für das Team von Trainer Christoph Werner sei es keine Selbstverständlichkeit, vor solch einer Kulisse zu spielen. Die Emotionen auf den Rängen saugen sie auf. Die Atmosphäre sei, so erklärt es das Team unisono, ein „toller Wundenstiller“, nachdem die deutsche Auswahl zwar auch gegen die Favoriten gut mithalten, aber keine einzige Partie gewinnen konnte.
Bei den Paralympics in Tokio vor drei Jahren waren weitgehend keine Zuschauer zugelassen
Die diesjährigen Spiele sind für viele der insgesamt 143 Athlet*innen und fünf Guides, die für das Team D Paralympics auf Medaillenjagd gehen, eine Besonderheit. Coronabedingt waren bei der Sommer-Ausgabe vor drei Jahren in Tokio weitgehend keine Zuschauer zugelassen. Einzig Schulkinder durften teilweise in die Arenen. Mehr als 100.000 Schulkinder waren erwartet worden. Am Ende waren es etwas mehr als 15.000.
Bei den Wettkämpfen in Frankreichs Hauptstadt erlebt man ein völlig anderes Bild. Mehrere Tage nachdem der Startschuss in Paris gefallen war, zählten die Organisatoren rund 2,3 Millionen verkaufte Tickets. Schon zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass die 2024er-Ausgabe mindestens die zweitgrößten Paralympischen Sommerspiele aller Zeiten werden. Mit rund 2,5 Millionen verkauften Eintrittskarten wies bislang nur die 2012er-Ausgabe in London mehr Zuschauer auf. Aber: 2,8 Millionen Tickets werden für Paris angeboten, der bisherige Rekord könnte somit noch gebrochen werden – es ist schon jetzt ein großartiger Sieg für die Sichtbarkeit des Behindertensports in der Gesellschaft.
Zuschauer sorgen in Schwimmhalle für ohrenbetäubenden Lärm
Millionen Zuschauer fiebern mit den Para Athlet*innen mit, sorgen für Gänsehautmomente am Fließband. Eines der Highlights: die La Défense Arena, in der die Schwimmwettbewerbe vor bis zu 17.000 Zuschauern ausgetragen werden. Wenn Athleten aus dem Gastgeberland ins Rennen gehen, werden sie wie Volkshelden gefeiert und es erklingen lautstarke „Allez les bleus“-Gesänge. Ohrenbetäubend laut. Wenn am Ende eine Medaille für das Gastgeberland herausspringt, herrscht Ausnahmezustand. Doch auch die anderen Athlet*innen aus aller Welt werden angefeuert und gefeiert.
Para Schwimmerin Gina Böttcher hatte in ihren Rennen (100 Meter Freistil in der Startklasse S5, 150 Meter Lagen in der Startklasse SM4, 50 Meter Brust in der Startklasse SB3) keine französische Mitstreiterin und wird im verbleibenden Lauf über 50 Meter Rücken auch gegen keine Französin mehr schwimmen, dennoch war die 23-Jährige aus Brandenburg an der Havel von der Atmosphäre überwältigt. „Es ist krass hier, ich hatte noch nie so viel Publikum. Das ist auf jeden Fall sehr motivierend – es macht mir total viel Spaß!“
Eine besondere Unterstützung erfuhr Thomas Wandschneider. Der mit 60 Jahren älteste Athlet im deutschen Paralympics-Team ging im Para Badminton an den Start. Immer wieder spielte der Buxtehuder mit dem Publikum, gestikulierte, forderte die Fans auf den Rängen auf, lautstark anzufeuern und gewann so die Herzen der Tausenden Fans in der Porte de La Chapelle Arena. Im Aufeinandertreffen mit dem Chinesen Tong Yang – mit 103 Minuten Spieldauer das längste Para Badminton-Spiel in der noch jungen paralympischen Historie – riefen seine neu gewonnenen Anhänger fast ununterbrochen „Allez Thomas“.
Der Routinier schwärmte hinterher: „Eine solch wahnsinnige Kulisse wie heute hier in der Halle habe ich noch nicht erlebt. Selbst die Zuschauer, die eigentlich für den Chinesen waren, haben mich zwischendurch angefeuert.“ Am Ende schrieb Wandschneider mit der ersten deutschen Para Badminton-Medaille für Deutschland Geschichte bei den Paralympics und ließ sich von den Zuschauern ausgiebig feiern.
Ein emotionales Highlight erlebte auch Rollstuhlfechter Maurice Schmidt. Der 25-Jährige gewann mit dem Säbel die Goldmedaille im Grand Palais – und war überwältigt von den Anfeuerungsrufen, die er erfuhr. Immer wieder waren die deutschen Fans in den Gefechtsunterbrechungen lautstark zu hören. Schmidt: „Endlich sind die Paralympics wieder mit Zuschauern. In Paris ist etwas Tolles entstanden, ein richtiges Fest.“
Das Stade de France, wo die Para Leichtathleten vor rund 80.000 tosenden Fans um Edelmetall kämpfen, verwandelt sich in eine riesige Open-Air-Party. Léon Schäfer, Viertplatzierter im Weitsprung und 100-Meter-Lauf (Startklassen: T63), betonte: „Es ist ein Segen, vor solch einer Kulisse zu starten.“ Und Kim Vaske (TSV Bayer 04 Leverkusen), die über 100 Meter Rang 15 (Startklasse: T47) belegte, sagte nach ihrem Lauf im Stade de France: „Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen und zu staunen, weil es so geil war.“
Ähnlich stimmungsvolle Kulisse auch bei den Paralympics 2028 in Los Angeles zu erwarten
In Paris, wo erstmals die Paralympischen Sommerspiele ausgetragen werden, sind rund 4400 der weltbesten paralympischen Athlet*innen am Start. Auf eine ähnlich famose Stimmung können sich die Sportler*innen bei den Paralympics 2028 in Los Angeles einstellen. Die Para Leichtathlet*innen werden beispielsweise im LA Memorial Coliseum (77.500 Plätze) auflaufen, die Rollstuhlbasketballer*innen dürfen sich auf bis zu 18.000 Fans freuen. Doch zunächst einmal wird das Team D Paralympics die außergewöhnliche Stimmung in Frankreichs Hauptstadt genießen - und in den verbleibenden Wettkampftagen noch möglichst viele Erfolgs- und Gänsehautmomente erleben wollen.