Maximilian Jäger: Dreirad-Weltmeister zwischen Turbulenzen und Hoffnungen
Para Radsportler Maximilian Jäger (24) gelang vor fünf Jahren der Durchbruch. Die Paralympics 2021 in Tokio kamen für ihn zu früh, doch für Paris 2024 ist der Bad Brückenauer nominiert. Der Dreiradfahrer hofft auf eine Medaille, obwohl er eine bewegte Zeit hinter sich hat.
Die zurückliegenden Monate waren für Maximilian Jäger turbulent. Auch wenn das dem 24-jährigen Dreiradfahrer aus Bad Brückenau gar nicht anzumerken ist – zu groß sind Euphorie und Vorfreude, kurz vor der Paralympics-Premiere des jungen Athleten. „Der Bundestrainer hat mich Mitte Juli gebeten, ihn anzurufen. Er sagte mir dann am Telefon, dass er mich für die Paralympics in Paris vorgeschlagen hat“, erzählt Jäger. „Es ist immer noch ein bisschen unwirklich. Ich bin unfassbar stolz und kann es kaum erwarten, in Paris an den Start zu gehen.“ Für ihn sind die Spiele Herausforderung und Chance zugleich.
Im Herbst 2023 infizierte Jäger sich mit Corona. Das Virus erwies sich als hartnäckig. Bei den drei Para Radsport-Weltcups in Adelaide (Australien), Ostende (Belgien) und Maniago (Italien) konnte er nicht in Topform antreten. Der Sieg im Straßenrennen in Adelaide war das einzige Ausrufezeichen, das Jäger setzen konnte, obwohl er als amtierender Weltmeister im Einzelzeitfahren in die Saison gestartet war. Physisch und psychisch belasteten ihn die Spätfolgen der Infektion, er nahm durch die Medikamente knapp sieben Kilogramm zu. Jäger, bekannt als sehr positiv gestimmter, drahtiger Athlet, stand vor den schwierigsten Aufgaben seiner Karriere – und das mitten in der Vorbereitung auf die Paralympischen Spiele 2024. Wille und Kampfgeist waren gefragt. „Die Weltcups liefen für mich nicht gerade rosig. Danach konnte ich die Medikamente aber absetzen und wieder voll trainieren“, sagt Jäger. „Ich habe mein Wettkampfgewicht von 65 Kilogramm durch gezieltes Training wiederhergestellt und auch die Leistungswerte nach oben geschraubt.“
Die Stützpunkttrainer Frederik Hähnel und Reneé Schmidt sowie Para Radsport-Bundestrainer Gregor Lang unterstützten Jäger und verloren nie das Vertrauen in ihn. Zwei Trainingslager im sächsischen Oberwiesenthal hätten ihn zurück in die Spur gebracht, sagt der 24-Jährige: „Wir haben an der Form gefeilt, zuerst an der Grundlagenausdauer. Danach war das Training wettkampfspezifisch, mit kürzeren, intensiveren Einheiten auf dem Rad.“ Bis zu 380 Kilometer absolvierte der Dreiradfahrer in einer starken Trainingswoche.
Begegnung mit Paralympics-Sieger Michael Teuber brachte Jäger zum Para Radsport
Dass er einmal auf dem Dreirad bei den Paralympics starten würde, hätte vor einigen Jahren noch niemand gedacht. Jäger kam durch eine zufällige Begegnung mit Michael Teuber, dem fünffachen Paralympics-Sieger und Landestrainer für Para Radsport in Bayern, zum Dreirad. Kurz nach den Paralympics 2016 in Rio trafen beide bei einer Sportlerehrung aufeinander: Teuber als frisch gebackener Goldmedaillengewinner, Jäger als Teilnehmer des Paralympischen Jugendlagers. Para Ski alpin und Para Kanu waren damals die bevorzugten Sportarten von Jäger, der im Mutterleib einen Schlaganfall hatte und seine linke Körperhälfte nicht gut ansteuern kann. Teuber riet dem damals 16-Jährigen aufgrund seines schmalen Körperbaus, das Dreiradfahren auszuprobieren. Jäger erinnert sich zurück: „Meine Eltern und ich sind Monate später am Silvesterabend von Bayern nach Cottbus gefahren, um das Dreirad zu kaufen.“ Es war der Startpunkt einer Erfolgsgeschichte: Jäger fand 2018 am Trainingsstützpunkt beim BPRSV in Cottbus Anschluss und zog ins Internat der Lausitzer Sportschule. Der Einsatz zahlte sich aus.
2019 holte er bei der Para Radsport-WM im niederländischen Emmen jeweils die Silbermedaille im Einzelzeitfahren und Straßenrennen der Klasse T1. Diese Erfolge markierten den Beginn seiner internationalen Karriere. Zwei Jahre später, 2021, wurde Jäger kurz vor Beginn der WM in Portugal von der Klasse MT1 in MT2 umklassifiziert. Seine Hartnäckigkeit und sein Einsatz bescherten ihm 2023 den Weltmeistertitel im Einzelzeitfahren im schottischen Dumfries. Auch Auszeichnungen wie der „Sporthilfe Juniorsportler 2023“ und „Sportler des Jahres 2024“ der Stadt Bad Brückenau sollten folgen.
Jäger hat 2023 sein Fachabitur bestanden und will im Herbst an der Europäischen Sportakademie in Potsdam Sportwissenschaften mit Fokus auf Wettkampf und Leistung studieren. „Ich kann mir vorstellen, eines Tages selbst Trainer zu werden. Vielleicht hier in Cottbus, auch wenn ich die Berge in meiner Heimat schon sehr vermisse“, sagt Jäger. Doch erstmal steht Paris im Fokus.
Bundestrainer Lang schwärmt vom Charakter des jungen Athleten. „Maxi ist ein fröhlicher, positiv eingestellter Mensch, der sich ehrlich freuen kann“, sagt Lang. „Er nimmt Ratschläge an und gibt Feedback, so gut er kann.“ Die Goldmedaille im Zeitfahren 2023 habe etwas in ihm ausgelöst. „In Paris werden die T1- und die T2-Klasse im Zeitfahren zusammengelegt und mit einem Zeitfaktor versehen. Ich traue Maxi trotzdem eine vordere Platzierung zu, vielleicht sogar auf dem Podium. Er hat Chancen im Zeitfahren und auch im Straßenrennen. Seine Leistungswerte sind inzwischen sogar besser als im vergangenen Jahr zu dieser Zeit.“
Auch Jäger hofft auf ein Happy End nach langer Leidenszeit. „Die Paralympischen Spiele werden für mich eine großartige Erfahrung. Mein Ziel ist es, unter die Top Ten zu fahren. Eine Medaille wäre klasse, aber ich will nicht so vermessen sein, sie als Ziel auszugeben. Ich werde alles geben“, sagt Jäger, der am 4. September im Zeitfahren und am 7. September im Straßenrennen antritt.
Text: Jessica Balleer / DBS