Flora Kliem will den Wettkampf-Fluch brechen
Flora Kliem kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Dass ich dort schießen darf, ist einfach surreal. Ich kann es immer noch nicht fassen und genieße es total“, sagt die 26-Jährige, die bei den Paralympics in Paris im Para Bogenschießen mit dem Recurvebogen (die Pfeile werden aus einer 70-Meter-Distanz abgefeuert) an den Start gehen wird. „Am Finaltag werden dort Tausende Zuschauer sein“, berichtet Kliem, die eine Wirbelsäulenversteifung hat sowie einen amputierten linken Unterschenkel. Wenn sie an den Finaltag mit den vielen Zuschauern denke, sei sie sehr ergriffen.
Den Grundstein für die Paralympics-Teilnahme am Esplanade des Invalides legte die gebürtige Berlinerin, die inzwischen in Göttingen lebt, im vergangenen Jahr. Bei den Para European Championships in Rotterdam (Niederlande) sicherte sie sich den Quotenplatz für Deutschland. Im Unterschied zu anderen Sportarten gewinnen die Sportlerinnen und Sportler im Para Bogensport keinen Quotenplatz für sich selbst, sondern eben für die eigene Nation. Heißt: Für Kliem hätte in Paris auch jemand anderes an den Start gehen können.
Aber die 26-Jährige, die vier- bis fünfmal pro Woche à drei bis vier Stunden trainiert, ist jetzt dabei. Am Donnerstag, 29. August (ab 17 Uhr), muss sie zunächst in der Qualifikation antreten. Hier entscheidet sich, gegen wen Kliem in der Finalrunde (3. September) antreten muss. „Ich habe keinen Favoritenstatus. Ich bin in diesem Wettkampf ein klarer Underdog.“ Die Favoriten kommen aus Italien, Polen, Griechenland und der Türkei. „Es gibt noch ein paar Überraschungskandidaten, wenn sie einen guten Tag erwischen.“
Kliem selbst peilt eine Top-8-Platzierung an. „Mit Ausnahme des Quotenplatz-Turniers belegte ich auf den internationalen Wettkämpfen immer Platz neun. Das ist ein Fluch, den ich gerne brechen würde“, betont Kliem, die die Sportart erstmals 2014 austestete. Zu diesem Zeitpunkt befand sie sich aufgrund eines Unfalls in Behandlung. „Ohne diesen Sport kann ich jetzt nicht mehr leben. Ich liebe ihn“, ergänzt Kliem und beginnt zu lachen.
Für ihren Traum, an den Paralympics teilzunehmen, hat die Lehramtsstudentin sogar ihre Examensarbeit sausen lassen. „Mich zwischen den beiden Sachen zu entscheiden, fiel mir nicht schwer. Die Paralympics brauchen in der Vor- und Nachbereitung viel Zeit. Ich könnte nicht aus Paris zurück und mich sofort auf die Examensarbeit stürzen“, sagt Kliem. Die Examensarbeit soll noch folgen, jetzt liege der Fokus aber zunächst auf dem Bogen-Wettbewerb.
Text: Jonas Bargmann / DBS