Aktuelles aus Peking 2008
Basketball-Bundestrainer Holger Glinicki (Damen) und Frits Wiegmann (Herren) im Interview
Jeder Basketballfan konnte zu Beginn der Olympischen Spiele in Peking hautnah miterleben, welch emotionale Bedeutung es selbst für einen NBA-Profi wie Dirk Nowitzki hatte, bei der Eröffnungsfeier ins National Stadium einzulaufen und sogar die deutsche Fahne zu tragen. Bei den Paralympics wird dies für die deutschen Rollstuhlbasketballer nicht anders sein, das Stadion wird mit 91.000 Besuchern ausverkauft sein und die eigenen Träume noch einmal beflügeln. Im Interview geben Herren-Bundestrainer Frits Wiegmann und Damen-Bundestrainer Holger Glinicki einen Ausblick auf die zweitgrößte Sportveranstaltung der Welt, den XIII. Paralympics vom 6. bis 17. September 2008.
Was erwarten Sie ganz persönlich von den Spielen in Peking?
Holger Glinicki: Es werden ganz sicher die gigantischsten Paralympics, die es bisher gegeben hat, davon konnten wir uns schon im Januar bei einem Vorbereitungsturnier in Peking überzeugen. Die Rahmenbedingungen werden exzellent und die Zuschauerresonanz riesig sein, da bin ich mir sicher. Die Gastgeber werden alles tun, um auch bei den Paralympics den Sportlern perfekte Rahmenbedingungen zu bieten.
Frits Wiegmann: Das sehe ich ähnlich, wobei ich auch ein wenig die Befürchtung habe, dass die Gastgeber Gefahr laufen die Veranstaltung überzuorganisieren. Für mich persönlich sind es bereits die siebten Paralympics als Spieler wie Trainer und für mich sind weiterhin die Spiele 1992 in Barcelona trotz der hoch gelobten Paralympics in Sydney 2000 immer noch die Schönsten. Sie waren menschlich, unbeschwert und einfach ein fröhliches Fest.
Darf dabei auch die Frage nach der politischen Situation aus ihrer Sicht nicht unberücksichtigt bleiben?
Frits Wiegmann: Natürlich ist die Frage der Menschenrechte in China elementar, aber ich fahre nicht als Privatperson nach Peking, sondern mit einem sportlichen Auftrag und insbesondere mit einer sportlichen Verantwortung. Dabei wollen wir natürlich unseren Beitrag leisten, denn ich bin überzeugt davon, dass die Situation in China nach den Olympischen und Paralympischen Spielen offener sein wird als zuvor.
Holger Glinicki: Da stimme ich zu, denn man darf den Sport und vor allem die Sportler nicht für das verantwortlich machen, was die Politik leider noch nicht geschafft hat. Die Wirtschaft möchte mit China Geschäfte machen, aber die moralische Verantwortung soll der Sportler tragen, dies wäre doch unehrlich. Nichts desto trotz darf natürlich die Frage nach den Menschenrechten nicht ausgeblendet werden, dazu ist sie viel zu wichtig.
Und wie sehen ganz konkret die sportlichen Erwartungen und Ziele aus?
Frits Wiegmann: Wir haben uns mit dem Erreichen des Halbfinales bewusst ein ganz hohes Ziel gesetzt. Würden wir dies nicht tun, könnten wir gleich zuhause bleiben. Natürlich ist die Leistungsdichte enorm hoch und es muss schon alles perfekt klappen, aber meine Mannschaft hat das Potenzial dazu. Letztendlich wird wie immer die Tagesform einen entscheidenden Ausschlag geben.
Holger Glinicki: Für unser Damenteam kann nur eine Medaille das Ziel sein. Dies hört sich vielleicht vermessen an, aber es ist seit vier Jahren unser großes Ziel. Die Ergebnisse zeigen, wir sind wieder auf Augenhöhe mit der Weltspitze. Edelmetall ist unser großer aber durchaus realistischer Traum, für den wir über viele Monate hart gearbeitet und auch viele persönliche Opfer gebracht haben.
Welches sind denn die eigenen Stärken, um diese Ziele zu erreichen?
Holger Glinicki: Wir gehören athletisch, physisch und spielerisch zu den Topteams und haben mit Simone Kues und Annika Zeyen die vielleicht besten Spielerinnen auf ihrer Position in den eigenen Reihen. Hinzukommen mit Marina Mohnen und Maren Butterbrodt unter den Brettern zwei äußerst starke Center-Spielerinnen, die in der Offensive für viel Durchschlagskraft sorgen werden. Diese vier Akteure sind eindeutig unsere Schlüsselspielerinnen, ohne das Team als Ganzes dabei vergessen zu wollen.
Frits Wiegmann: Unsere Stärke ist es dagegen keine wirklichen Schlüsselspieler zu haben. Diverse taktische Aufstellungen geben uns die Möglichkeit bis zur Position zehn fast ohne Qualitätsverlust durchwechseln zu können. Wir haben mit Dirk Passiwan einen Scharfschützen den viele fürchten. Jens Schürmann, Andre Bienek oder aber die physische Präsenz von Dirk Köhler-Lenz sind weitere Trümpfe, die wir ziehen müssen. So sind wir für unsere Konkurrenten schwer auszurechnen, zumal wir es geschafft haben das Team nach Athen komplett umzubauen.
Und wer sind die Favoriten auf paralympisches Edelmetall?
Frits Wiegmann: An erster Stelle sind da natürlich Kanada und die USA im Herrenbereich zu nennen. Aber auch Großbritannien, Australien in zweiter oder Japan und Schweden in dritter Reihe haben Chancen auf Edelmetall. Es gibt inklusive unserem Team mehr als eine handvoll Kandidaten für eine Medaille, dies macht das Turnier in Peking so reizvoll, aber auch unberechenbar. Die EM im letzten Jahr mit dem Sensations-Europameister Schweden hat gezeigt, was alles möglich ist - für die Außenseiter wie für die etablierten Teams.
Holger Glinicki: Ich sehe im Damen-Wettbewerb die USA klar vorn. Dahinter folgen auf gleicher Augenhöhe Australien, Kanada und unser Team. Aber auch China oder Japan darf niemand unterschätzen. Gerade der Gastgeber haben in den letzten Jahren riesige Fortschritte gemacht und bei Olympia konnten wir sehen, mit welchem Ansporn aber auch mit welchem Druck die Gastgeber auftreten.