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Mit Querschnittslähmung auf 6200 Meter geklettert

Fünffacher Paralympicssieger wird zum Gipfelstürmer: Michael Teuber erklimmt den 6268 Meter hohen Chimborazo in Ecuador

Michael Teuber auf dem Chimborazo
Michael Teuber auf dem Chimborazo © Peter Neusser

Die Gipfelexpedition hatte es in sich: Fast 14-stündiger Auf- und Abstieg, Temperaturen von anfangs -15 Grad und knapp 1000 Höhenmeter zu bewältigen. Die Tour durch die Dunkelheit, über eine sechs Meter hohe Kletterpassage und die teils 45 Grad steilen Gletscherhänge hinauf wurden zu einer Qual, doch Michael Teuber hat es geschafft: Als erster inkomplett Querschnittsgelähmter hat der 49-Jährige den 6268 Meter hohen Chimborazo in Ecuador erklommen. Der fünffache Paralympicssieger im Radsport wurde zum Gipfelstürmer, musste dafür aber bis an seine Grenzen des Machbaren gehen.

„Die Herausforderung war riesig. Im Radsport bin ich sonst Einzelkämpfer, mir war allerdings vorher klar, dass ich den Gipfel wegen der großen Schwierigkeiten und Gefahren nur im Team schaffen kann. Doch je schwieriger die Aufgabe, desto größer ist die Zufriedenheit, wenn man es trotzdem packt“, erklärt Teuber. Gemeinsam mit einer Gruppe der Bergsteigerschule des Deutschen Alpenvereins, dem DAV Summit Club, und unter Führung der südamerikanischen Bergsteigerlegende Marco Cruz wagte sich Teuber nach einigen Tagen Training und Akklimatisierung in der Höhe an das Abenteuer Chimborazo, der höchsten Erhebung in den ecuadorianischen Anden. „Es ist ein bedeutender, majestätischer Gipfel. Bis heute ist es für jeden Bergsteiger eine äußerst schwierige Angelegenheit – vor allem für einen mit gelähmten Beinen“, sagt Teuber, der als Folge eines Autounfalls vor 30 Jahren von der Hüfte ab teilweise und von den Knien ab komplett gelähmt ist.

Michael Teuber: „Das war die härteste und gefährlichste Tour meines Lebens“

Den finalen Aufstieg starteten die elf Bergsteiger vom Hochlager in 5300 Meter Höhe aus um Mitternacht bei Temperaturen von rund -15 Grad. Auf eine sechs Meter hohe Kletterpassage folgte der lange Weg die eisigen Gletscherhänge hinauf bei sternenklarem Himmel durch die Dunkelheit. „Jeder Meter nach vorne bedeutet zugleich einen Meter nach oben – das ist wahnsinnig kräftezehrend. Dazu war die Kälte an den gelähmten Füßen das größte Problem“, schildert Teuber. Umso größer der Jubel, als der 49-Jährige das Gipfelplateau um 7.30 Uhr morgens mit sechs Mitstreitern erreichte – die vier weiteren mussten unterwegs abbrechen.

Nur im Verbund und gerade mit Hilfe des Bergführers Israel Paez habe er es schaffen können, betont Michael Teuber. „Das war für mich gelebte Inklusion – und eine existenzielle Erfahrung, bei der ich über meine persönlichen Grenzen gegangen bin.“ Auf die große Erleichterung am Gipfel folgte der knifflige und nicht ungefährliche Abstieg hinunter auf 4800 Meter Höhe. Ankunft: knapp 14 Stunden nach dem mitternächtlichen Start mit jeder Menge Adrenalin, einigen Schwierigkeiten und unvergesslichen Erfahrungen. „Das war die härteste und gefährlichste Tour meines Lebens, ein sehr emotionales Erlebnis. Umso glücklicher bin ich über diesen Gipfelerfolg.“

Ausruhen wird sich Michael Teuber nach dieser Tour allerdings nicht. Die Bergsteigerausrüstung wird gegen das Rennrad getauscht, denn schon am Wochenende geht es ins Trainingslager nach Gran Canaria. Im Mai startet schließlich die Weltcup-Saison, der Höhepunkt des Jahres sind die Weltmeisterschaften in Südafrika ab Ende August. „Bis dahin bin ich hoffentlich konkurrenzfähig und möchte wieder angreifen.“ Und die Weichen für die Zukunft sind bereits gestellt: Die Paralympischen Spiele in Tokio 2020 hat Michael Teuber so fest eingeplant wie die Besteigung des Chimborazo – und den hat er bekanntlich auch bezwungen.