Aktuelles aus dem Behindertensport

Rückkehr in den Diskusring

Es wäre ein einmaliges Kunststück: Als erste Sportlerin könnte die Diskuswerferin Ilke Wyludda Olympiasiegerin und Paralympics-Siegerin werden. Die 42jährige bereitet sich auf einen Start in London vor. Doch vor allzu hohen Erwartungen wird gewarnt.

Ilke Wyludda ist etwas Besonderes im Behindertensport. Sie war 1996 in Atlanta Olympiasiegerin im Diskuswurf der Frauen, mit 69,66 m. Ihre Bestleistung mit dem 1-kg-Diskus steht bei 74,56 m – nur eine Frau auf der Welt warf  je weiter als sie: ihre ehemalige Nationalmannschaftskollegin Gabi Reinsch bei ihrem Weltrekord von 76,80 m.

2001 beendete sie ihre Karriere, nach etlichen Verletzungen und Operationen. Im Dezember 2010 musste sie sich nach einem bakteriellen Infekt  Unterschenkel und Kniegelenk amputieren lassen. Und nun kehrt sie zurück in den Ring, aus dem sie früher mit der für sie typischen Hacke-Ballen-Drehung mehrfach über 70 m warf, aber jetzt auf einem Spezial-Wurfhocker sitzend, arretiert an einer Spezialplatte, die im Ring befestigt ist.

Der Diskuswettbewerb bei den Deutschen Winterwurfmeisterschaften in Halle an der Saale war für Ilke Wyludda ihr erster Wettkampf in Deutschland, nachdem sie Ende 2011 in Dubai an den Start gegangen war, allerdings nur um erste Erfahrungen zu sammeln und sich in die internationale Startklasse F58 klassifizieren zu lassen.

Ihr Ergebnis von 25,54 m ist nach einer extrem kurzen Trainingszeit respektabel und eine deutliche Steigerung zu den ersten Versuchen vor einigen Monaten. Wurfgefühl hat sie noch immer, aber zum Werfen ohne Beineinsatz („Früher hat der Trainer immer gesagt, ich werfe ohne Beine. Jetzt werfe ich ohne Beine, aber das gleiche ist es trotzdem nicht“) kommt nun auch noch das Fehlen jeglicher Hüftspannung hinzu. Und natürlich die zehnjährige Trainingsabstinenz.

Um das Ergebnis einzuordnen, einige Zahlen: In dieser Startklasse F58, einer von insgesamt acht aus dem Sitzen werfenden Startklassen im Handicapsport, wobei die hintere „8“ anzeigt, dass dies die Klasse mir der geringsten Behinderung ist, liegt der Frauen-Weltrekord bei 40,99 m, gehalten von Nassima Saifi aus Algerien. Die Weite der Weltranglisten-Zweiten liegt bei knapp 40 m. Und bei den Paralympics werden die Startklassen F57 und F58 zusammengelegt, also muss man auch das Leistungsniveau der Klasse F57 berücksichtigen, in der in der Spitze 32 m geworfen wird. Diese Werferinnen gehen mit einem Punktvorteil an den Start. Ilke Wyludda wird also wohl um die 40 m weit werfen müssen, um eine Medaillenchance zu haben.

Darum hat sie eher langfristige Ziele vor Augen: Erstmals könnte es gelingen, erst einen Olympiasieg und dann einen Paralympicssieg zu erringen. Vielleicht in Rio de Janeiro 2016? Vielleicht aber auch als stehende Werferin mit Prothese? Hier steht der Weltrekord bei 33,19 m. Zunächst ist aber die Qualifikation für London dran, und sie ist kein einfacher Weg. Das weiß Ilke Wyludda und sagt, sie wolle „schön weit werfen“, ohne Druck von außen und ohne übersteigerte Erwartungshaltung.

Bericht und Foto: Dr. Ralf Otto