Aktuelles aus dem Behindertensport

Der Goldfisch von Leipzig

„Ich will nur schwimmen“ heißt ein Buch, das über Kay Espenhain aus Leipzig erschienen ist. Herausgeberin des Porträts einer ungewöhnlichen Sportlerin, das fast zehn Jahre nach ihrem Tod aus Erzählungen, Briefen, Zeitungsartikeln und Dokumenten zusammengestellt wurde, ist ihre Mutter Monika Espenhain.

Diese Sportlerbiografie handelt von einer Frau mit unerschütterbarem Lebensmut und unverrückbarem Optimismus. Von einer Sportlerin, die niemals aufgab und sich nie aufgegeben hat. Die Schicksalsschläge, Unfälle und Rückfälle mit unglaublichem Willen und unfassbarer Energie verwunden hat. Jemand riet ihr, Schwimmen wäre für sie Gift. Sie entgegnete: „Aber ich will nur schwimmen.“

Kay Espenhains Naturell drückt sich in einem ihrer typischen Sprüche aus: „Ich bin nicht weniger glücklich als die anderen.“ Was das bedeutet, hat der frühere Oberbürgermeister von Leipzig, Wolfgang Tiefensee, der sie kannte und das Buch der Öffentlichkeit präsentierte, so gedeutet: „Geglücktes Leben kann sich offensichtlich ganz anders definieren. Das gilt es zu entdecken.“

Wer dieser Aufforderung Tiefensees folgt und nachliest, was von und über Kay Espenhain geschrieben wurde, kommt aus bewunderndem Staunen nicht heraus. Mit welch unermesslicher Stärke sie alle Widerstände brach und sich vollkommen unangepasst niemals unterkriegen ließ, ist faszinierend. Ihr Leben und ihre Sportlaufbahn sind ein Beweis für die These, dass der Mensch umso mehr Kraft gewinnt, je mehr Blockaden sich ihm entgegenstellen.

Für Menschen mit Behinderungen, die Sport treiben, mag die Lektüre bestätigen, was sie selbst erleben, und wird trotzdem ein Ansporn sein. Für Menschen ohne Behinderung kann das Buch mit seinen geradlinigen Zitaten („Lieber kurz und intensiv leben als ewig im Glaskasten hocken und Angst haben vor jeder Infektion“) nur aufrüttelnd wirken.

Die 1968 in Leipzig geborene Kay Espenhain musste nach einem ärztlichen Kunstfehler immer wieder operiert werden, wurde mit 25 Jahren querschnittsgelähmt und erkämpfte sich die Teilnahme an der Schwimm-Europameisterschaft 1995 in Perpignan (Frankreich). Unvergessen sind ihre vier Goldmedaillen mit vier Weltrekorden. Kurz danach hatte sie erneut einen Unfall, der eine Lähmung ab dem 6, Halswirbel bewirkte. Trotzdem qualifizierte sie sich für die Paralympics in Atlanta (USA), wo sie 1996 dreimal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze gewann. Sie wurde Sachsen-Sportlerin des Jahres, übrigens vor der damals noch nicht behinderten Kugelstoß-Olympiasiegerin Ilke Wyludda. Auch in den folgenden Jahren triumphierte sie auf allen Strecken und kehrte von den Paralympics in Sidney 2000 mit fünf Silbermedaillen zurück. Erneut wurde sie Sportlerin des Jahres, erhielt das Silberne Lorbeerblatt und war UNICEF-Botschafterin. 2002 ist sie mit 34 Jahren gestorben.

Kay Espenhain ist die nicht die erste Behindertensportlerin, über die geschrieben wurde. Schon früher waren die Bücher „Schweres Schicksal? Leichtathletin!“ der Gold-Kugelstoßerin Marianne Buggenhagen, „Spielend das Leben beginnen“ des ehemaligen Tischtennis-Spitzenspielers Rainer Schmidt und „Der einarmige Bandit“ über den Ausnahme-Radsportler Wolfgang Sacher erschienen.

Helmut Lölhöffel

Monika Espenhayn (Hg.): Ich will nur schwimmen. Porträt der Paralympics-Schwimmerin Kay Espenhain. Plöttner Verlag Leipzig, 2012. 128 Seiten und zahlreiche Abbildungen, 14,90 €