Aktuelles aus dem Behindertensport

BSV Rheinland-Pfalz feierte 60-jähriges Bestehen

Begrüßung der besonderen Art: Nicht nur die Rede von Hagen Herwig wurde von zwei Gebärdensprachen-Dolmetscherinnen simultan übersetzt.

Selten trifft ein Buchtitel es so auf den Kopf: „Behinderte bewegen…“ heißt die Chronik, die der  Behinderten- und Rehabilitationssport-Verband Rheinland-Pfalz beim Festakt zu seinem 60-jährigen Bestehen vorstellte. Wenn Behinderte Sport treiben, dann bewegen sie nicht nur sich – sie bewegen auch viel für sich und viel in der Gesellschaft.

Hagen Herwig, der Geschäftsführende Präsident des BSV, konnte zahlreiche Gäste zur Feierstunde in Koblenz begrüßen: Politiker und Sportler, Verbands- und Vereinsvertreter. Schon in den Grußworten kam zum Ausdruck, was behinderte Sportler bewegt und was sie bewegen: Der für Sport zuständige Innenminister Roger Lewentz, der auch die Grüße von Ministerpräsident Kurt Beck überbrachte, hob die Bedeutung des BSV für den Spitzen- und den Breitensport im Land hervor: Hier wird eine klasse Verbandsarbeit geleistet. Den Vereinen wird wo es nur geht geholfen.“. Er merkte aber auch ganz persönlich an, dass er immer wieder gern mit Behinderten zu tun habe: „Ich treffe selten so unglaublich positive und optimistische Menschen.“ Der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), Friedhelm Julius Beucher, der auf Bundesebene vor Jahresfrist dasselbe Jubiläum feiern konnte, sprach die „riesige Entwicklung“ an, die der Behindertensport in den vergangenen Jahren genommen habe. „Welchen Stellenwert die Paralympics heute haben, das hätten wir vor 10 oder 20 Jahren niemals erwartet. Immer mehr Menschen erkennen den Wert von Sport – auch für Behinderte.“

In ihrer Festrede ging DOSB-Vizepräsidentin Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper vor allem auf das Thema Inklusion ein – das Miteinander von Behinderten und Nichtbehinderten: „Nicht die Menschen mit Behinderung müssen sich anpassen, sondern die gesellschaftlichen Gegebenheiten müssen an die Bedürfnisse der Behinderten angepasst werden.“  Verstärkte gleichberechtigte Teilhabe der Behinderten am gesellschaftlichen Leben bringe allen Menschen etwas: „Die Vielfalt, die sich dadurch ergibt, ist ein Gewinn für die gesamt Gesellschaft. Gerade der Sport biete viele Möglichkeiten zum Miteinander. Mit dem Inklusionsgedanken sei man auf dem richtigen Weg, aber es gebe noch viel zu tun: „Stärkere Kooperationen zwischen den Verbänden sind nötig, auch die Wohnortnähe von Sportstätten ist gerade für Behinderte von Bedeutung.“ Außerdem müssten Übungsleiter besser für die spezifischen Anforderungen qualifiziert werden und auch die Informations- und Beratungssysteme müssten ausgebaut werden.

Der Festakt war alles andere als eine trockene Vortragsveranstaltung. Kabarett und Talkrunde boten Unterhaltung auf bestem Niveau. Der mehrfache Weltmeister und Paralympics-Medaillengewinner Rainer Schmidt erntete Beifall und wahre Lachsalven, als er von seinen Kindheitserinnerungen und von seinem Sportlerleben erzählte – mit einer gehörigen Portion Selbstironie. Der evangelische Theologe, der als Tischtennisspieler trotz stark verkürzter Arme und ohne Hände sicherlich auch viele Nichtbehinderte „von der Platte fegen“ würde, nahm die Gäste mit seinem Humor gefangen – ganz gleich, ob er von seinem fehlenden Fingerspitzengefühl oder von seinem einzigartigen Daumen berichtete. Wie er als Fußballer trotz seiner Beinprothese mit einer Blutgrätsche erfolgreich sein könnte – man konnte es sich lebhaft vorstellen.

Hohen Unterhaltungswert hatte auch die Talkrunde, die wie die gesamte Veranstaltung von SWR-Reporter Christin Döring exzellent und schlagfertig moderiert wurde. Die Koblenzerin Traudel Weber erzählte als Medaillengewinnerin bei den ersten Winterparalympics von fast vergessenen Zeiten und bildete somit das optimale Pendant zur aktuellen Paralympics-Medaillengewinnerin, der Dressurreiterin Britta Näpel, die die einmalige Atmosphäre in London auf fesselnde Weise vermittelte. Autor Stefan Kieffer steuerte eindrucksvolle Erkenntnisse aus seinen Recherchen für das Buch zum 60-jährigen Bestehen bei. Hagen Herwig betonte, warum eben dieses Buch für den Verband zum jetzigen Zeitpunkt so wichtig sei: „Wir wollten unbedingt die beeindruckenden Aussagen der Zeitzeugen aus den Gründerjahren in die Chronik mit aufnehmen.“

Kein Festakt ohne Ehrung – in diesem Fall eine ganz besondere. BSV-Vizepräsident Rolf Boettiger überreichte dem Bad Kreuznacher Fritz Brosius, der Ehrenmitglied des BSV ist, die Auszeichnung „Pro Ehrenamt“ für seine enormen Verdienste, die Brosius im BSV, aber auch auf zahlreichen weiteren Gebieten erworben hat.