Aktuelles vom Deutschen Behindertensportverband

„Wir wollen die Kraft des Sports nutzen“

Der Parlamentarische Abend des DBS im Allianz Forum in Berlin stand voll im Zeichen der Inklusion im und durch Sport

Friedhelm-Julius Beucher
Friedhelm-Julius Beucher © Picture Allicane / DBS

Rekordbesuch und spannende Diskussionen: Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen sowie ein Ausblick auf die sportlichen Highlights in 2019 und die Paralympics in Tokio waren die Schwerpunkte beim Parlamentarischen Abend des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) in Berlin. Rund 250 geladene Gäste sorgten für ein volles Haus im Allianz Forum am Pariser Platz im Herzen der Hauptstadt.

Vielfalt, Teilhabe und Chancengleichheit – diese Schlagworte waren gut sichtbar im Hintergrund der Bühne, in den Gesprächsrunden rückten sie dann in den Mittelpunkt. „Sport ist ein Inklusionsmotor. Diese Kraft wollen und müssen wir nutzen“, betonte DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher in seiner Begrüßung. Im Jubiläumsjahr der UN-Behindertenrechtskonvention, die in Deutschland vor zehn Jahren in Kraft getreten ist, stand der Parlamentarische Abend ganz im Zeichen von Sport und Inklusion. Und Beucher machte deutlich, dass viel erreicht wurde, es aber auch noch viel zu tun gibt. „46 Prozent der Menschen mit Behinderung geben an, nie Sport zu treiben. Das unterstreicht den Handlungsbedarf. Wir haben ein handfestes Nachwuchsproblem“, sagte Beucher. Das hänge auch damit zusammen, dass in Deutschland viele Sportstätten nicht barrierefrei seien. „Dabei haben sich 80 Prozent der Deutschen dafür ausgesprochen, dass Sportstätten hierzulande grundsätzlich barrierefrei sein sollten“, berichtete der DBS-Präsident mit dem Verweis auf eine Umfrage, die kürzlich vom internationalen Meinungsforschungsinstitut YouGov durchgeführt wurde.

Hubertus Heil: „Die UN-Behindertenrechtskonvention war ein Meilenstein, ist jedoch kein Schlussstein“
Hubertus Heil und Willi Lemke
Bundesminister Hubertus Heil und Willi Lemke © Picture Alliance / DBS

Besondere Anstrengungen müssten im ländlichen Raum vorgenommen werden, sagte Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales. „Die UN-Behindertenrechtskonvention war ein Meilenstein, ist jedoch kein Schlussstein.“ Gerade mit Blick auf die Barrierefreiheit und den Breitensport gebe es noch viel Luft nach oben. Willi Lemke, ehemaliger UN-Sonderbeauftragter und langjähriger Manager von Werder Bremen, verwies noch auf ein anderes Manko. „Die Barrieren in den Köpfen sind noch nicht verschwunden. Es muss unser aller Ziel sein, diese in Zukunft weiter zu verbannen“, sagte Lemke, der besonders im Breitensport einen wichtigen Ansatzpunkt sieht: „Wir müssen die Inklusion im Breitensport vorantreiben. Gemischte Mannschaften von Menschen mit und ohne Behinderung auf lokaler Ebene – das funktioniert.“ Der Sport habe dabei die Kraft, die Politik zu verändern und Türen zu öffnen.

„Besonders im Sport wird offensichtlich, was Menschen mit Behinderung für Leistungen vollbringen können“, sagte die zwölffache Paralympics-Siegerin und heutige Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele. Einer, der die Faszination Para Sport verkörpert, ist der unterschenkelamputierte Weitspringer Markus Rehm. Der 30-jährige Weltrekordhalter feiert in diesem Jahr ebenfalls ein Jubiläum: Rehm ist seit zehn Jahren im Leistungssport aktiv. „Unser Sport ist wahnsinnig professionell geworden. In diesen zehn Jahren hat sich unglaublich viel getan. Die Förderung der Athleten hat sich deutlich verbessert, ebenso die mediale Aufmerksamkeit. Damals kamen wir wenn überhaupt nur als Randnotiz in der Zeitung vor.“ In diesem Jahr hofft Rehm auf weitere große Sprünge – sowohl in der medialen Berichterstattung als auch in der Sandgrube. Nicht ausgeschlossen, dass der gebürtige Göppinger vom TSV Bayer Leverkusen in diesem Jahr die 8,50 Meter-Marke knackt, spätestens beim Highlight zum Jahresabschluss, der Para Leichtathletik-WM in Dubai Mitte November.

Markus Rehm: „Niemand sollte sich für eine Beinprothese schämen müssen“
Markus Rehm im Interview
Markus Rehm im Interview © Picture Alliance / DBS

Einen Monat zuvor findet vom 8. bis 13. Oktober in Rostock die Goalball-Europameisterschaft statt. Voller Vorfreude blickt Organisationsleiter und Nationalspieler Reno Tiede auf das Turnier in seiner Heimatstadt. „Woche für Woche nimmt die Vision mehr Gestalt an. Wir wollen die beste Goalball-EM auf die Beine stellen, die es je gegeben hat. Ich möchte, dass die Goalball-Szene auch in zehn Jahren noch von Rostock 2019 spricht.“ Auch sportlich haben Tiede und seine Teamkollegen große Ziele. „Die Mannschaft hat richtig Bock auf diese EM. Wir waren zuletzt zweimal im Finale und haben Silber geholt. Jetzt wollen wir wieder ins Endspiel – und das dann natürlich gewinnen.“

Als Unterstützer auf der Tribüne angekündigt hat sich bereits der Parlamentarische Staatssekretär Stephan Mayer, MdB. Dieser war besonders glücklich darüber, dass der massive finanzielle Mittelaufwuchs für den paralympischen Leistungssport vom Bundestag beschlossen wurde, den er beim Parlamentarischen Abend vor einem Jahr bereits in Aussicht gestellt hatte. „Ich bin sehr erleichtert. Es ist ein wichtiger Schritt, um die Professionalisierung des paralympischen Sports weiter voranzutreiben. Dadurch können zahlreiche neue Trainerstellen geschaffen und die Förderung der Athleten verbessert werden.“

Doch die Strahlkraft des Para Sports geht über die beeindruckenden Spitzenleistungen hinaus. Markus Rehm brachte diese gesellschaftliche Bedeutung auf den Punkt. „Ich verbinde mit Ereignissen wie den Paralympics auch die Hoffnung, dass Handicaps im Alltag weltweit Normalität werden. Niemand sollte sich beispielsweise für eine Beinprothese schämen müssen.“

Der Deutsche Behindertensportverband bedankt sich bei der Allianz Deutschland AG für die Möglichkeit den Parlamentarischen Abend erneut im Allianz Forum in Berlin durchgeführt haben zu können.