Aktuelles vom Deutschen Behindertensportverband
Para Standing Tennis will ein Lücke schließen
Wer in Deutschland eine körperliche Behinderung hat und Tennis ausüben möchte, betätigt sich oft beim Rollstuhltennis. Trotz großer Beliebtheit dieser bekanntesten und paralympischen Variante, gab es zunehmend Bedarf, den Sport auch mit anderen Behinderungen und ohne Rollstuhl auszuüben. Die noch junge Disziplin Para Standing Tennis versucht, diese Lücke zu füllen und wächst langsam, aber stetig. In Deutschland gibt es mit Thomas Leuschel sogar schon den ersten Medaillengewinner bei einer WM.
Die Bewegung des Para Standing Tennis existiert bereits seit einigen Jahren und stammt vor allem aus den USA. „Para Standing Tennis richtet sich an Menschen mit körperlicher Behinderung, die nicht im Rollstuhltennis starten können oder wollen“, erläutert Niklas Höfken, Projektleiter „Tennis für Alle“ bei der Gold-Kraemer-Stiftung (GKS) und gleichzeitig Cheftrainer für Rollstuhltennis im Deutschen Behindertensportverband (DBS). Er engagiert sich rund um den Aufbau von Para Standing Tennis hierzulande – einer der Vorkämpfer sozusagen.
Einer, der sich vom neuen Angebot angesprochen fühlte, ist Thomas Leuschel. „Ich habe mein Leben lang Tennis gespielt und das auch nicht ganz so schlecht. Irgendwo ist aber eine Grenze, deshalb habe ich mich bei Niklas Höfken über Angebote außerhalb von Rollstuhltennis informiert“, erinnert sich Leuschel zurück an seine Anfänge. In 2023 erhält er die ersten Infos über Para Standing Tennis in Deutschland. Im Jahr darauf nimmt Leuschel schon an internationalen Turnieren teil, qualifiziert sich für die Weltmeisterschaften und gewinnt in Turin direkt WM-Bronze. In diesem Jahr wiederholt er den Erfolg bei der WM in Barcelona. Der 55-Jährige hat seit Geburt eine sogenannte Hemiparese (halbseitige Lähmung) und startet damit in der Klasse PST2 für Menschen mit Beeinträchtigungen der unteren Extremitäten mit gut erhaltener Mobilität.
Insgesamt gibt es vier Klassen im Para Standing Tennis. Die anderen drei sind: PST1 für Menschen mit Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten, PST3 für Menschen mit Beeinträchtigungen der unteren Extremitäten mit größerer Einschränkung der Mobilität und PST4 für Menschen mit Kleinwuchs. Die Regeln sind bezüglich der Feldgröße, Schläger und Bälle identisch zu denen der olympischen Variante. Einen Unterschied gibt es nur bei den Startklassen PST3 und PST4, wo der Ball zwei Mal aufspringen darf.
„Mit Para Standing Tennis können ganz neue Zielgruppen erschlossen werden, da ist noch richtig viel Potenzial“, sagt Niklas Höfken überzeugt und fügt an: „Es geht jetzt darum, Aufbauarbeit zu leisten – das heißt, Strukturen zu schaffen und diese Tennis-Variante in Vereinen zu etablieren.“ Aktuell beschränkt sich die Anzahl der Spieler*innen noch auf eine kleine Gruppe, aber auch Thomas Leuschel sieht eine Chance auf weiteres Wachstum: „Es gibt in Deutschland bestimmt Hunderte Leute, die Para Standing Tennis spielen könnten, aber einfach nichts davon wissen.“
Auch international schreitet die Entwicklung voran. Die Para Standing Tennis & Padel Association wurde gegründet, die nun Welt- und Europameisterschaften jeweils im Jahresrhythmus austrägt. Die Wettkämpfe ziehen mehr und mehr Spieler*innen aus unterschiedlichen Ländern an. Trotzdem gibt es noch viel Potenzial, sowohl international als auch in Deutschland. Regelmäßiges Training, ausschließlich für Para Standing Tennis-Spieler*innen, gibt es kaum, zudem wurde noch kein Turnier hierzulande ausgerichtet. Dafür finden immer mal wieder Trainingslager auf Initiative der Gold-Kraemer-Stiftung statt; das nächste am 6. und 7. Dezember in Starnberg (Bayern). Anmeldungen für das Trainingscamp sind unter niklas.hoefken@gold-kraemer-stiftung.de möglich.
Das Ziel dabei: Mehr Menschen für Para Standing Tennis begeistern. Denn laut Niklas Höfken bietet die neue Disziplin eine große Möglichkeit: „Para Standing Tennis-Spieler können sich sowohl in der Welt des Behindertensports als auch in der regulären Tennislandschaft bewegen. Das ist eine weitere Riesen-Chance für die ohnehin schon inklusive Sportart Tennis, weiter zu wachsen und noch vielfältiger zu werden.“
Para Standing Tennis ist Teil des Projekts „Tennis für Alle“, das die Gold-Kraemer-Stiftung in Kooperation mit dem DBS und dem Deutschen Tennis Bund durchführt. Ziel des Projekts ist die Vernetzung von Para Tennis-Interessierten mit Trainerinnen und Trainern und Vereinen. „Durch die bundesweit flächendeckende Struktur ist es eigentlich für alle möglich, Tennis vor der eigenen Haustüre zu spielen. Wir wollen Trainer*innen und alle im Verein Verantwortlichen über die Chancen von Inklusion im Tennis aufklären und zum Mitmachen motivieren“, erläutert Dr. Volker Anneken, Fachgeschäftsführer bei der Gold-Kraemer-Stiftung. Im Rahmen des Programms werden Rollstuhltennis, Tennis für Menschen mit geistiger Behinderung und mit Sinneseinschränkung, wie zum Beispiel Tennis für seheingeschränkte und blinde Menschen angeboten. Mehr Informationen zum Projekt gibt es hier.
Text: Paul Foreman / DBS
