Aktuelles vom Deutschen Behindertensportverband
Olympic Day: Die verbindende Kraft des Sports

Sollte es noch immer Menschen geben, die Museen für Oasen der Ruhe halten, dann können sie noch nicht beim Olympic Day gewesen sein. Annika Hufschmidt zumindest kam am Mittwochvormittag stimmlich an ihre Grenzen. Als einer von fünf Guides führte sie Schulklassen durch das Deutsche Sport & Olympia Museum (DSOM) im Rheinauhafen. Sie tat dies mit viel Geduld und Fachwissen, und man kann nicht behaupten, dass die Mädchen und Jungs, die ihr lauschten, kein Interesse gehabt hätten.
Aber der Geräuschpegel, den mehrere Hundert Schüler*innen erzeugen, die sich gleichzeitig an Mitmachstationen ausprobieren dürfen, stellt für jede noch so kräftige Stimme eine Herausforderung dar. Anmerken ließ Annika sich das nicht, und das war wichtig an diesem so besonderen Tag, an dem jedes Jahr die Vielfalt des Sports und die dabei erbrachten Leistungen im Mittelpunkt stehen.
Der Olympic Day ist streng genommen der 23. Juni, darf aber auf eine Zeitspanne von ein bis zwei Wochen um dieses Datum ausgeweitet werden – und konnte deshalb fünf Tage früher im DSOM stattfinden. Erstmals offiziell gefeiert wurde er 1948, um an die Gründung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) am 23. Juni 1894 in Paris zu erinnern. Gewürdigt werden mit ihm die Werte der Olympischen Bewegung – Exzellenz, Freundschaft und Respekt – und die vereinende Kraft des Sports.
Unter dem Slogan „Let’s Move“ wird jedes Jahr ein neues Motto ausgegeben, das in diesem Jahr +1 lautete – Sporttreiben mit Partner*in. In Köln, wo die Deutsche Olympische Akademie (DOA) das zentrale Event im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zum zehnten Mal im Museum ausrichtete, hätte das Motto auch +499 lauten können. 500 Schüler*innen aus den Klassenstufen zwei bis sechs von zehn Schulen aus fünf Städten in Nordrhein-Westfalen erlebten gemeinsam die verbindende Kraft des Sports.
Und wie ginge das besser als beim Ausprobieren neuer Sportarten? Auf dem Dach des Museums, das mit zwei großen Kunstrasenflächen dauerhaft zu Bewegung einlädt, waren sieben Mitmachstationen eingerichtet, die trotz des heißen Sommerwetters extrem gut frequentiert wurden. Ein Hockeyparcours der Deutschen Hockeyjugend war zu durchdribbeln, eine kleine Breaking-Choreografie, angeleitet von No Limits aus Köln, konnte einstudiert werden. Mittels verschiedener Simulationsbrillen war es möglich, Sehenden die Erfahrung Blindenfußball am Stand der FC-Stiftung näherzubringen.
Das Leichtathletik-Team der Deutschen Sporthochschule hatte eine Sprintbahn mit Lichtschranken-Messanlage aufgebaut. Am Ruderergometer hieß es bei der „Et toi“-Challenge des BRSNW, in Zusammenarbeit mit dem DBS und der DBSJ, Vollgas geben. Ein Handballparcours des HV Nordrhein bot fünf unterschiedliche Skill-Tests. Und sehr beliebt bei den Schüler*innen: Flag Football, die körperlose Variante des American Footballs, die 2028 in Los Angeles ihre Premiere bei Olympischen Spielen feiert und in Köln vom Programm der US-Profiliga NFL angeboten wurde. Nationalspielerin Annalena Welter leitete die Übungen in Köln persönlich an.
Das große Interesse am Flag Football freute Mona Stevens von Team D besonders. Als Quarterback für die von ihr mitgegründeten Saarland LadyCanes in Spielübersicht geschult, beobachtete sie den fleißigen Nachwuchs wachsam bei deren Koordinationsübungen. „Mir geht das Herz auf, wenn ich sehe, wie die Kinder hier bei der Sache sind. Flag Football ist zwar noch nicht so bekannt, aber man merkt, dass unser Sport immer größer wird. Und dieser Olympic Day ist eine tolle Chance, Neues zu testen und vielleicht den passenden Sport für sich zu finden“, sagte die 33-Jährige, die für Talkrunden zur Verfügung stand und hunderte Autogramme schrieb.
Das hatte sich auch Alexander Rauen vorgenommen. Doch der Skirennläufer von Team D Paralympics war der Pechvogel des Tages. Obwohl er um 5.20 Uhr von zu Hause aufgebrochen war, um pünktlich um 9.30 Uhr in Köln am Start zu sein, kam er wegen einer Vollsperrung der Bahnstrecke zwischen Koblenz und Köln erst mittags im Museum an. Die gute Laune ließ er sich davon nicht verderben. Sein Guide Jeremias Wilke hielt die Fahne hoch und berichtete den staunenden Schüler*innen, wie Skifahren mit Sehbehinderung funktioniert.
Aufgeteilt war der Tag für alle 16 Schulklassen, die sich um die Teilnahme bewerben und von der DOA zugelassen werden, in drei Abschnitte: Selber Sport treiben, Talkrunde mit wechselnden olympischen und paralympischen Athlet*innen – und Museumsführung. Bei den Talkrunden öffnete Moderator Kai Gemeinder nach ein kurzem Einstieg das Podium für Fragen aus dem jungen Publikum – und erntete erstaunliche Wissbegierde. So wurde die einarmige Para Kugelstoßerin Kim Vaske gefragt, was sie denn täte, wenn sie sich ihren Arm brechen würde. „Zum Glück bin ich auch im 100- und 200-Meter-Sprint ganz gut“, sagte sie. Bob-Anschieberin Leonie Fiebig gestand, dass sie sich bei ihrem ersten Training im Eiskanal „fast in die Hose gepinkelt“ hätte vor Anspannung. So entwickelten sich Gesprächsrunden, aus denen alle einiges mitnehmen konnten.
Der erfolgreichste Athlet indes war als Lehrer mit der Klasse 5f des Landrat-Lucas-Gymnasiums Leverkusen angereist. Olympiasieger Jonas Reckermann, der 2012 bei den Spielen in London an der Seite von Julius Brink im Beachvolleyball triumphiert hatte, war von der Veranstaltung, die er seit Jahren besucht, wieder einmal genauso begeistert wie seine Klasse. „Das Highlight war für alle natürlich, dass sie so viele Sportarten ausprobieren konnten. Aber auch die Führung und die Talkrunde waren gut. So etwas wie diesen Olympic Day hätte ich als Schüler auch gern gehabt“, sagte der 46-Jährige. Seine Kollegin Rita Bednarz, Leiterin einer 4. Klasse der Grundschule Berrenrather Straße in Köln, war ebenfalls sehr angetan. „Unsere Kinder sind alle sportbegeistert, wir mussten niemanden zur Teilnahme überreden. Aber es ist schön zu sehen, wie intensiv alle bei der Sache sind“, sagte sie
Große Begeisterungen bei den Schüler*innen
Jan, Schüler in der Klasse von Frau Bednarz, bestätigte den Eindruck seiner Lehrerin. „Es war super, dass wir hier ein paar andere Sportarten ausprobieren konnten. Vor allem den Standweitsprung und das Handball-Zielwerfen fand ich gut“, sagte der Neunjährige, der Wasserball spielt und das Museum schon von Besuchen mit seinen Eltern kannte.
Liah (11) und Johannes (10) vom Bonner Tannenbusch-Gymnasium, die im Boxring des Museums am Sandsack arbeiten durften, waren zum ersten Mal im DSOM – anders als ihr Lehrer Sebastian Wagner, der mit seinen Klassen seit vielen Jahren den Olympic Day besucht und im vergangenen Jahr sogar eine eigene Veranstaltung organisiert hat. „Mir hat es gut gefallen, mal außerhalb der Schule etwas über Sport und Olympia zu lernen“, sagte Liah, die kickboxte und nun Fußball spielt.