Aktuelles vom Deutschen Behindertensportverband
Eine Kaffeetasse, ein Mittelfinger – und ganz viel Aufbauarbeit

Er ist ein Urgestein des Sports von Menschen mit Behinderung in Deutschland, war der erste hauptamtliche Angestellte für den Leistungssport im Deutschen Behindertensportverband (DBS) und hat 17 Paralympische Spiele live miterlebt. Nach 35 Jahren als Sportdirektor ist nun Schluss – Frank-Thomas Hartleb verabschiedet sich in den Ruhestand.
Sein Idol und Mentor hat es sich nicht nehmen lassen, extra aus Griechenland anzureisen und persönlich zu seiner Verabschiedung in die DBS-Geschäftsstelle nach Frechen zu kommen. Athanasios Papageorgiou, Spitzname „Papa“, war es, der Frank-Thomas Hartleb 1983 mit dem Behindertensport bekannt machte. Der Dozent für Volleyball an der Sporthochschule Köln war zu dieser Zeit erfolgreicher Trainer der Standvolleyball-Nationalmannschaft des DBS geworden und beauftragte Hartleb mit einer Analyse dieser Sportart bei der Welt- und Europameisterschaft im niederländischen Delden. „Für mich war der Behindertensport eine völlig unbekannte Welt. Und so wie mir ging es wahrscheinlich damals den meisten Menschen“, sagt Hartleb rückblickend. Es war sein erster Kontakt mit dem Sport von Menschen mit Behinderung – doch freilich nicht der letzte. Denn Hartleb wurde 1986 zunächst Co- sowie ein Jahr darauf Cheftrainer des Sitzvolleyball-Nationalteams der Herren und begleitete die Mannschaft 1988 zu seinen ersten Paralympics nach Seoul. Vier Jahre später führte er die Mannschaft in Barcelona zur Bronzemedaille.
Als der DBS 1990 erstmals die Stelle des „Bundestrainers mit besonderer Aufgabenstellung“ ausschrieb, bewarb sich Hartleb – das erste und letzte Mal in seiner beruflichen Karriere. Denn die Anstellung beim DBS sollte bis Mai 2025 Bestand haben. Angefangen hat alles in Duisburg in einem Bürocontainer, ausgestattet mit einem Schreibtisch und einer Schreibmaschine. „So habe ich das Handwerk von der Pike auf gelernt“, sagt Hartleb, der den Verband im Hauptamt maßgeblich aufbauen und gestalten konnte. Einige Präsidenten und Generalsekretäre erlebte er in dreieinhalb Jahrzehnten, Kolleg*innen kamen und gingen. Die Konstante im DBS hieß Frank-Thomas Hartleb. „Ich habe immer den Sportler gesehen und nicht die Behinderung. Das war die Prämisse meines Handelns. Für mich war es folglich kein Behindertensport, sondern Sport“, betont der gebürtige Düsseldorfer.
Sein ständiger Wegbegleiter in diesen Jahren: eine weiße Kaffeetasse. Die habe er damals an einer Autobahnraststatte einfach mitgehen lassen, berichtet Mr. DBS augenzwinkernd. Vergleiche zu einer eher unauffälligen Kaffeetasse erscheinen unangebracht, und doch gibt es Parallelen. Frank-Thomas Hartleb drängte sich nie in den Mittelpunkt, war niemand für die erste Reihe. Gleichwohl war er meinungsstark und zog im Hintergrund die Fäden. Statt Smoking trug er lieber Rollkragen-Pullover. Er brauchte nicht das Scheinwerferlicht, war kein Mann der großen Worte, aber weit mehr als ein akribischer Arbeiter. Der 66-Jährige war Impulsgeber, Antreiber, Vordenker. „Er hat an der Entwicklung des Verbandes und insbesondere an den Erfolgen im Leistungssport entscheidenden Anteil. Dabei ging er keinem Konflikt aus dem Wege. Frank-Thomas Hartleb zeichnete aus, dass er konsequent und unbeirrt im Sinne der Sache gearbeitet hat und auch bei Gegenwind nicht umgekippt ist. Mit ihm verliert der Verband ein echtes Urgestein“, sagt DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher über den langjährigen Sportdirektor.
"Der Para Sport hat sich eine gewisse Unschuld bewahren können – dieses Image sollte er nicht leichtfertig verspielen"

Ein weiteres Markenzeichen neben der geliebten Kaffeetasse und den Rollkragen-Pullovern: der rechte Mittelfinger – freilich nicht zum Gestikulieren, sondern zum Tippen. Denn dieser Finger trug maßgeblich dazu bei, dass der Diplomsportlehrer geschliffene Briefe, Texte und Emails formulierte, zunächst auf der Schreibmaschine, später dann auf der Computer-Tastatur. Fast so rasant wie die Technik entwickelte sich auch der Sport von Menschen mit Behinderung. „Zu Beginn meiner Tätigkeit beschränkte sich die Berichterstattung von den Paralympischen Spielen auf eine 45-minütige Zusammenfassung am Sonntagnachmittag im ZDF-Gesundheitsmagazin. Heute sind die Paralympics das drittgrößte Sportereignis weltweit, die öffentlich-rechtlichen Sender übertragen mehr als 60 Stunden von den Spielen“, berichtet Hartleb und fügt hinzu: „Gleichzeitig hat die Professionalität in vielerlei Hinsicht Einzug in den Spitzensport gehalten. Trainingsumfänge und Trainingsintensitäten, die Weiterentwicklung der Sportgeräte sowie die trainingswissenschaftliche und medizinische Betreuung ist mit damaligen Zeiten nicht ansatzweise zu vergleichen. Parallel dazu hat sich die finanzielle Unterstützung des Spitzensports von Menschen mit Behinderung durch den Bund sehr stark entwickelt. Anfangs standen dem DBS im Jahr nur wenige hunderttausend DM im Jahr zu Verfügung. Im Jahr 2025 sind es zwölf Millionen Euro.“
Diese Mittel sind auch notwendig, um im zunehmend umkämpften internationalen Kräftemessen mitzuhalten und den Kontakt zur Weltspitze nicht abreißen zu lassen. Doch wo mehr Gelder im System sind, wachsen bekanntlich die Begehrlichkeiten. „Auch der Para Sport findet längst nicht mehr auf einer Insel der Glückseligen statt. Gleichwohl hat er sich eine gewisse Unschuld bewahren können – dieses Image sollte er nicht leichtfertig verspielen“, betont Hartleb. Er wünsche dem Para Sport, dass er sich so positiv weiterentwickelt wie in den vergangenen Jahrzehnten. „Und vor allem, dass Sportler mit Behinderung auch in Zukunft ein leuchtendes Beispiel für die gesamte Gesellschaft darstellen.“
Nach 35 Jahren ist nun Schluss. „Wir danken Frank-Thomas Hartleb für sein jahrzehntelanges Engagement und seine Aufbauarbeit rund um den Spitzensport von Menschen mit Behinderung. Für die Zukunft wünschen wir alles Gute, eindrucksvolle Reisen und viel Freude bei der Gestaltung der ungewohnten Freizeit“, sagte Friedhelm Julius Beucher anlässlich der Verabschiedung.
Text: Kevin Müller / DBS