Aktuelles vom Deutschen Behindertensportverband
DBS-Verbandstag: Neuer Präsident, neue Struktur, neue Satzung

Wegweisend und denkwürdig war der 19. Verbandstag des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS). Im Scandic Hotel in Berlin wurden die Weichen für die Zukunft des Bundesverbandes gestellt und zahlreiche Neuerungen beschlossen. Friedhelm Julius Beucher trat nach 16 Jahren an der Spitze des DBS nicht mehr zur Wiederwahl an, bleibt dem Verband jedoch als Ehrenpräsident erhalten. Neuer Präsident ist Hans-Jörg Michels. Zudem stimmte der Verbandstag für eine neue Satzung. Dadurch werden Verantwortlichkeiten neu verteilt und Entscheidungsprozesse beschleunigt. Das Ziel: eine effiziente und zukunftsfähige Ausrichtung.
Emotional wurde es direkt zu Beginn des 19. DBS-Verbandstags. Im Grußwort blickte Friedhelm Julius Beucher auf 16 bewegte Jahre als DBS-Präsident zurück mit zahlreichen Höhepunkten und wichtigen Meilensteinen für den Sport von Menschen mit Behinderung (hier geht’s zum gesonderten Beitrag). „Was haben wir für eine erfolgreiche Wegstrecke zurückgelegt. Quantensprünge haben wir erreicht, aber noch lange nicht den Platz, wo wir hingehören. Beispielsweise haben wir die gleichen Medaillenprämien bei Paralympics wie bei Olympischen Spiele erkämpft, sind immer mehr herausgekommen aus der medialen Nische und haben dazu beigetragen, die Inklusion im Sport entscheidend voranzutreiben. Unser Engagement für Menschen mit Behinderung war und ist bestimmt durch das Recht auf gleichwertige Teilhabe“, sagte Beucher, dessen Zeit jedoch nicht schlagartig endet (siehe unten).
Wenige Stunden später stand sein künftiger Nachfolger fest. Die Delegierten wählten Hans-Jörg Michels einstimmig zum neuen DBS-Präsidenten. Michels, langjähriger Volleyball-Nationalspieler und von Beruf Rechtsanwalt, ist seit 2013 Präsident des Behinderten-Sportverbands Brandenburg und verfügt damit über enorme Erfahrung rund um den Sport von Menschen mit Behinderung. Nun wechselt der 63-Jährige an die Spitze des Bundesverbandes und wird Beuchers Nachfolger – eine Zäsur.
Hans-Jörg Michels: "Wir wollen erreichen, dass das Sporttreiben für Menschen mit Behinderung in Deutschland keine Ausnahme ist, sondern zur Selbstverständlichkeit wird"

„Die Fußstapfen, die Friedhelm Julius Beucher hinterlässt, sind sicher tief und groß, aber gerade deshalb freue ich mich sehr auf diese besondere Aufgabe als neuer Präsident des Verbandes. Gemeinsam mit der gesamten DBS-Familie möchte ich den eingeschlagenen Weg tatkräftig fortsetzen und meinen Beitrag leisten, damit das Sporttreiben für Menschen mit Behinderung in Deutschland keine Ausnahme ist, sondern zur Selbstverständlichkeit wird“, betonte Michels und fügte hinzu: „Uns ist bewusst, dass dafür noch viele Barrieren aus dem Weg geräumt werden müssen. Doch es lohnt sich, gemeinsam zu kämpfen für eine Gesellschaft, in der Teilhabe, Inklusion und Chancengleichheit auch im Sport gelebte Praxis sind. Die Strahlkraft der Paralympics wird uns bei der Erreichung dieser Ziele helfen, umgekehrt profitiert der paralympische Spitzensport von einer breiteren Basis an Menschen mit Behinderung, die nicht nur Sport treiben wollen, sondern auch tatsächlich Sport treiben können.“
Das Präsidium besteht weiterhin aus sieben Personen. Als Vizepräsident*innen wiedergewählt wurden Gerhard Janetzky, Dr. Vera Jaron, Dr. Karl Quade und Prof. Dr. med. Roland Thietje. Neu zum Präsidium gehört Anja Surmann, langjährige Büroleiterin der damaligen Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, sowie anschließend Staatssekretärin für Bundesangelegenheiten in der Staatskanzlei des Landes NRW. Zudem ist Surmann stellvertretende Vorsitzende des Behinderten- und Rehabilitationssportverbandes NRW. Das Präsidium komplettiert Katja Kliewer als Vorsitzende der Deutschen Behindertensportjugend. Nicht mehr zur Wiederwahl angetreten ist hingegen Katrin Kunert, deren Amtszeit damit nach acht Jahren endet.
Zukunftsfähigkeit sichern, Effektivität steigern: Neue Struktur und Satzung des Verbandes mit großer Mehrheit beschlossen

Künftig werden die Vizepräsident*innen keine Ressort-Verantwortung mehr haben. Dies hängt mit der neuen Struktur des Verbandes zusammen, die in Berlin als Abschluss eines mehrjährigen Prozesses mit knapp 98 Prozent der Stimmen beschlossen wurde. Grundlegendste Änderung ist, dass künftig die Verantwortung und Haftung (gem. § 26 BGB) für den DBS verlagert wird vom ehrenamtlich tätigen Präsidium in einen noch zu besetzenden hauptamtlichen Vorstand. Das Präsidium wird die Rolle eines Aufsichtsrates einnehmen. Zudem werden Bundesausschüsse mit Beschlusskompetenz eingerichtet in den Themengebieten Bildung und Lehre, Breitensport und Inklusion sowie Rehabilitationssport für die Erfüllung der Aufgaben im Bereich Sportentwicklung. Damit einher geht eine Stärkung der Verantwortung der Mitgliedsorganisationen.
„Wir wollen mit der neuen Struktur die Zukunftsfähigkeit des Verbandes sichern und die Effektivität steigern. Durch die Verlagerung der Verantwortung entstehen kürzere Entscheidungswege, so dass wir in der Umsetzung unserer Ziele schneller und effizienter werden. Zudem wollen wir die gemeinsame inhaltliche Arbeit mit unseren Landes- und Fachverbänden intensivieren und in den Bundesausschüssen wichtige thematische Impulse setzen. Wir sind überzeugt, dass der Verband sich ein Jahr vor seinem 75. Geburtstag mit der neuen Satzung eine hervorragende Basis für die Zukunft geschaffen hat“, sagte DBS-Generalsekretär Stefan Kiefer und ergänzt: „Auch die Strukturen im Leistungssport werden weiter gestärkt und klar gegliedert. Hier wird künftig das Nationale Paralympische Komitee integriert sein und der Vorstandsbereich Leistungssport wird mit einem eigenen Direktorium ausgestattet.“
Neues Ehrenmitglied des DBS ist Reinhard Schneider aufgrund seiner langjährigen ehrenamtlichen Mitarbeit in verschiedenen DBS-Organen. Der Vorsitzende des Behinderten- und Rehabilitationssportverbandes NRW ist seit 2002 Mitglied im Hauptvorstand des DBS, war von 2009 bis 2012 Vizepräsident im DBS und engagierte sich viele Jahre sowohl im Stiftungsrat der Stiftung Behindertensport als auch im Aufsichtsrat der DBS-Akademie.
Grußworte sprachen Dennis Buchner, Vize-Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin, der die Delegierten in der Hauptstadt begrüßte und Beucher als „Glücksfall für den DBS“ bezeichnete, sowie die zwölffache Paralympics-Siegerin, Präsidentin des Sozialverbands VdK und Vizepräsidentin des Deutschen Olympischen Sportbundes, Verena Bentele. „Von trauriger Klaviermusik haben wir es geschafft zu ,We are the Champions‘ von Queen – was für eine wunderbare Entwicklung. Wir haben gemeinsam schon sehr viel erreicht, aber auch noch richtig viel zu tun. Danke lieber Friedhelm für alles, was du für uns getan hast. Du hast es immer krachen lassen, egal ob mit Fahne und Kuhglocke an der Wettkampfstrecke, bei der Feier danach oder bei der Unterstützung durch Politik und Wirtschaft, die du maßgeblich vorangetrieben hast“, sagte Bentele mit am Ende feuchten Augen.
Beucher zum Ehrenpräsidenten des DBS ernannt: "Ihr habt diesen Para Sport-Bazillus in mich gepflanzt – und ich werde ihn einfach nicht mehr los"

Zum Abschluss des Verbandstages erhoben sich die fast 100 Delegierten von ihren Sitzen und spendeten langanhaltenden Applaus. Friedhelm Julius Beucher wurde für seine beachtlichen Verdienste und sein außergewöhnliches Engagement in den vergangenen 16 Jahren einstimmig zum Ehrenpräsidenten des DBS ernannt. In der Begründung hieß es: „In den über anderthalb Jahrzehnten seiner Amtszeit prägte er die Entwicklung des Verbandes maßgeblich und setzte sich mit großem persönlichem Engagement für Inklusion, Chancengleichheit und gesellschaftliche Teilhabe durch Sport ein. Unter seiner Führung erlebte der Behindertensport in Deutschland eine bemerkenswerte Professionalisierung und wachsende gesellschaftliche Anerkennung. Mit seiner verbindenden Art und seiner politischen Erfahrung baute Beucher Brücken zwischen Sport, Politik und Gesellschaft. Er war eine glaubwürdige und kraftvolle Stimme für Menschen mit Behinderung – national wie international – und setzte entscheidende Impulse für die Weiterentwicklung des paralympischen Sports.“
Eine enge Verbindung hatte Beucher stets auch zu den Athletinnen und Athleten. Die dankten es ihm mit emotionalen Videobotschaften – und machten Beucher nicht nur sprachlos, sondern rührten ihn auch zu Tränen. Er blicke zufrieden auf das Erreichte und die zahlreichen Meilensteine in mehr als anderthalb Jahrzehnten zurück. „Alles hat seine Zeit, daher habe ich für mich selbst entschieden: Wenn nicht jetzt, wann dann, zumal wir uns durch eine Änderung der Struktur auf einen neuen Weg begeben. An manchen Stellen hätte ich gerne noch mehr gewollt, aber der Kampf ist noch nicht zu Ende“, betonte Beucher und wandte sich an die Delegierten: „Ich sage nicht ,Tschüss das war’s‘, sondern gehe dahin, wo ihr mich haben wollt und helfe, wo ihr mich braucht. Ihr habt diesen Para Sport-Bazillus in mich gepflanzt – und ich werde ihn einfach nicht mehr los.“
Klar ist auch: Der gemeinsame Weg endet nicht abrupt durch die Tatsache, dass der 78-jährige Bergneustädter auf eine Wiederwahl verzichtete. Die Verbindung wird weiterhin eng bleiben. Nach einer Übergangsphase wird Beucher dem DBS auch als Ehrenpräsident weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen sowie den eingeschlagenen Weg der Professionalisierung und Modernisierung des Verbandes weiter begleiten.
Hier geht es zum gesonderten Beitrag über Friedhelm Julius Beucher.
Text: Kevin Müller