Aktuelles vom Deutschen Behindertensportverband
30 Jahre IPC - Die Entwicklung und ein Blick in die Zukunft
Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 30-jährigen Bestehen des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) findet in Bonn derzeit die Generalversammlung des IPC statt, an der auch DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher und DBS-Vizepräsident Dr. Karl Quade teilnehmen. Insgesamt 500 Mitglieder und Stakeholder des IPC feiern in dieser Woche mit einem vielfältigen Programm das Jubiläum. Friedhelm Julius Beucher nutzte den Anlass, um über die Entwicklung des Behindertensports sowie über zukunftsweisende Themen zu sprechen.
Das IPC feiert in dieser Woche sein 30-jähriges Bestehen. Welchen Stellenwert hatte die Gründung für die Entwicklung des paralympischen Sports?
Nach den Anfängen des leistungsorientierten Versehrtensports in den Nachkriegsjahren war die Gründung des Internationalen Paralympischen Komitees die logische Folge einer beginnenden Professionalität im internationalen Para Sport. Wenn es auch schon seit Seoul 1988 – und damit vor der Gründung des IPC – die Paralympics im Anschluss an die Olympischen Spiele am gleichen Austragungsort gab, so war die Konstituierung eines internationalen Weltsportverbands zwingend notwendig, um im Namen vieler Nationen mit dem Internationalen Olympischen Komitee über die gewollte Gleichrangigkeit von Olympischen und Paralympischen Spielen verhandeln zu können.
Das IPC wurde 1989 in Düsseldorf gegründet und hat seit 1999 seinen Sitz in Bonn. Welche Rolle spielte und spielt Deutschland in diesem Prozess?
Schon bald nach seiner Gründung in Düsseldorf hatte das IPC seinen Sitz zunächst in Kanada, 1999 wurde der Standort nach Bonn verlegt. Das IPC zählt damit zu den ganz wenigen Weltsportverbänden, die ihre Zentrale in Deutschland haben. Im Sportausschuss des Deutschen Bundestages, der immer beklagt hatte, dass die Weltsportverbände mit ihren Sitzen meist außerhalb unserer Landesgrenzen angesiedelt ist, konnten die Stadt Bonn, das Land NRW und der damalige Bundesinnenminister Otto Schily überzeugt werden, dass sich Deutschland als Standort bewirbt. Auf einer IPC-Konferenz in Australien hat dann die damalige Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann überzeugend dafür geworben, dass Bonn als neuer Standort des IPC ausgewählt wurde. In der Folge ist die Zusammenarbeit und Unterstützung von Stadt, Land und Bund kontinuierlich ausgebaut worden, so dass das IPC im Jahr seines 30. Geburtstages verkündete, in eine neue attraktive Immobilie am Bonner Rheinufer umzuziehen, in der die auf über 70 Köpfe angewachsene internationale Para Sport-Organisation alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterbringen kann. Solche Entscheidungen stützen den Sportstandort Deutschland und heben zugleich den Stellenwert der Bundesstadt Bonn mit ihren internationalen Organisationen.
Was hat sich seit den Anfängen der Behindertensport-Bewegung verändert? Wo gibt es noch Optimierungsbedarf?
Den unbestreitbaren Grundstein der internationalen Behindertensport-Bewegung hat der von den Nazis vertriebene jüdische Arzt Sir Ludwig Guttmann 1948 mit den Stoke Mandeville Games gelegt, als sich 16 Rollstuhlfahrer im südenglischen Aylesbury auf dem Außengelände des Stoke Mandeville Hospitals trafen, um sich im Bogenschießen zu messen. Von diesem Zeitpunkt an folgte eine kontinuierliche Weiterentwicklung mit Blick auf die Anzahl der Sportarten, der Teilnehmer und der Para Sport ausübenden Nationen. Heute zählt das IPC 200 Nationen und viele Sportorganisationen als Mitglied. Die Paralympics werden auf vertraglicher Grundlage mit dem IOC seit einigen Jahren und mindestens bis 2032 immer am gleichen Ort der Olympischen Spiele und mittlerweile auch vom gleichen Organisationskomitee ausgerichtet.
Die Paralympics haben sich zu einer starken Marke mit weltweiter Beachtung entwickelt. Immer mehr Menschen werden von der Faszination des Para Sports und den unglaublichen Leistungen der Athletinnen und Athleten in den Bann gezogen. Dennoch gibt es national und international in verschiedenen Bereichen noch Luft nach oben. Das gilt sowohl für die immer noch nicht ausreichende mediale Präsenz als auch für die in Teil-Bereichen fehlenden finanziellen Ressourcen, wobei wir mit Blick auf den Leistungssport ausdrücklich die deutlich gestiegene staatliche Unterstützung durch Bundestag und Bundesministerium davon ausnehmen müssen.
Ist es ein Modell für die Zukunft, dass der Behindertensport Anschluss an die olympischen Sportverbände sucht, weil es Inklusion konsequent zu Ende denkt?'
Ohne Zweifel ist es das richtige Modell, wenn olympischer und paralympischer Sport möglichst gemeinsam betrieben wird. Das gibt es inzwischen an einigen Olympischen und Paralympischen Trainingsstützpunkten ebenso wie in den Strukturen vieler Sportverbände und -vereine vor Ort. Das gemeinsame Sporttreiben in den olympischen Sportfachverbänden muss deshalb weiterhin auf der Zukunftsagenda stehen.
Wie soll die Rolle des IPC und auch die des DBS in Zukunft idealerweise aussehen? Was sind die wichtigsten Aufgaben für die Zukunft?
Das IPC muss den Weg von den noch in Eigenregie betriebenen Sportarten wie Para Leichtathletik, Para Schwimmen oder Para Ski alpin in die olympischen Weltsportverbände gehen. Als Deutscher Behindertensportverband müssen wir uns noch stärker in der weiteren Anerkennung des Para Sports sowie in der Nachwuchsgewinnung und -förderung engagieren. Ebenso muss dies für den Behindertensport in der Breite gelten. Auch dafür braucht es personelle und finanzielle Ressourcen, um noch mehr Menschen mit Behinderung zum möglichst wohnortnahen Sporttreiben zu animieren.
Der paralympische Leistungssport kann bei uns derzeit nicht auf eine ausreichende Basis im Breitensport aufbauen. Internationale Konkurrenzfähigkeit geht nicht ohne vernünftige Trainingsbedingungen. Und die findet man als Sportler mit Behinderung nur selten vor der Haustür. Die Tatsache, dass so viele Menschen mit Behinderung in Deutschland keinen Sport treiben – 46 Prozent – hängt auch damit zusammen, dass sie sich fragen: Wo soll ich es machen? Das Sportangebot für Menschen mit Behinderung ist nicht flächendeckend. Gerade wenn jemand vom Land kommt, dann ist die Sportstätte nebenan oft nicht barrierefrei, dann gibt es keinen Verein, der Sport für Menschen mit Behinderung anbietet. Das ist eine Aufgabe von ganz Sportdeutschland und auch der gesamten Gesellschaft.
Um das Ziel festzulegen, wo der Behindertensport in Deutschland zukünftig stehen soll, haben wir verbandsintern vor einigen Jahren den Prozess „DBS 2027“ angestoßen mit den zentralen Fragestellungen: Wo stehen wir und wo wollen wir hin? Das ist eine spannende Herausforderung, der wir uns zusammen mit unseren 17 Landes- und zwei Fachverbänden stellen.