Aktuelles vom Para Radsport im Deutschen Behindertensportverband
Zehn deutsche Medaillen bei der Para Radsport-WM
Das deutsche Para Radsport-Nationalteam hat bei den Straßen-Weltmeisterschaften in Zürich einen durchwachsenen Abschlusstag erlebt. Handbiker Johannes Herter konnte das H3-Straßenrennen wegen technischer Probleme nicht beenden. Zweiradfahrerin Kerstin Brachtendorf (C5) wurde Fünfte. Sportlich hat das Team mit einer Goldmedaille, drei Silber- und sechs Bronzemedaillen insgesamt überzeugt. Überschattet wurde die inklusive WM vom Unfall-Tod einer Juniorin aus der Schweiz.
Zürich bereitete dem deutschen Team zum WM-Abschluss strömenden Regen und reichlich Pech. Für Johannes Herter (H3) endete das Straßenrennen am Samstag wegen eines technischen Defekts vorzeitig. „Mir ist unmittelbar nach dem Start die Speiche gebrochen. Anschließend hat das Rad so stark geeiert, dass nichts mehr ging“, sagte Herter enttäuscht. Kurz nach Herter startete Zweiradfahrerin Kerstin Brachtendorf (C5). Auf regennassem Untergrund sprang der fünfte Platz für sie heraus. Brachtendorf hatte Bronze im Zeitfahren gewonnen und damit die erste deutsche Medaille bei dieser WM eingefahren.
Zeyen-Giles holt Weltmeistertitel
Für den goldenen Moment hatte Handbikerin Annika Zeyen-Giles bereits am vierten Wettkampftag in Zürich gesorgt: Die 39-Jährige wurde Weltmeisterin im Einzelzeitfahren der Startklasse H3 und setzte ihrer ohnehin erfolgreichen Saison die Krone auf. Nach zwei Bronzemedaillen bei den Paralympics in Paris gewann sie in Zürich Gold im Zeitfahren und Silber im Straßenrennen. „Auch wenn die Zeit zwischen den Paralympics und diesem Event sehr kurz war, hat es großen Spaß gemacht, bei dieser inklusiven WM mit dabei zu sein und hier starten zu dürfen“, sagte Zeyen-Giles und lobte die Organisatoren der Radsport- und Para Radsport-WM. Ihr persönliches Fazit war ebenso positiv: „Ich würde nicht unbedingt sagen, dass es das beste Jahr meiner Karriere war, aber es war ein sehr erfolgreiches.“ Auch die Handbikerinnen Andrea Eskau (H5) und Julia Dierkesmann (H4) überzeugten und fahren mit Edelmetall heim. Eskau gewann Zeitfahr-Silber und erkämpfte sich trotz eines Bremsdefekts noch Bronze im Straßenrennen. Die routinierte Athletin machte eine Kampfansage: „Ich werde wohl bei der WM nächstes Jahr wieder antreten müssen, um mir das Weltmeistertrikot zurückzuholen“, so Eskau. Teamkollegin Dierkesmann setzte mit Bronze im Zeitfahren eher überraschend ein Ausrufezeichen. Für die 57-Jährige war es die erste WM-Medaille ihrer Karriere.
Lang: „Echte Inklusion und Miteinander“
Para Radsport-Bundestrainer Gregor Lang zog eine positive Bilanz, sprach aber auch Herausforderungen an: „Der kurze Abstand von nur zwei Wochen zwischen den Paralympics in Paris und der WM war nicht nur für die Athletinnen und Athleten, sondern auch für das Team ums Team sehr fordernd. Teilweise war noch nicht das gesamte Material wieder aus Paris zurück, und alle waren noch etwas müde. Allen Beteiligten hier gilt mein großer Dank“, sagte Lang. Er lobte die Ausbeute von zehn Medaillen insbesondere vor dem Hintergrund, dass einige Paralympics-Teilnehmende auf einen WM-Start verzichtet hatten. Und er freute sich über die gute Organisation: „Sportlich war das überzeugend, denke ich. Dass es ein inklusives Event ist, haben wir auch gemerkt, mehr noch als 2023 in Glasgow. Dort fanden nur die Bahn-Wettbewerbe parallel statt. Hier haben wir echte Inklusion und Miteinander erlebt – von den Starts bis zu den Siegerehrungen.“
Dreiradfahrer Jäger wird Vize-Weltmeister
Zweiradfahrer Pierre Senska (C1) aus Berlin setzte einen Höhepunkt, als er im Straßenrennen mit einem fulminanten Zielsprint die Bronzemedaille gewann. Es war der versöhnliche Abschluss einer Saison, in der Senska häufig vom Pech verfolgt war. Im WM-Zeitfahren wurde er Vierter, bei den Paralympics in Paris hatte es zuvor ebenfalls dreimal nur für den vierten Platz und damit knapp nicht für eine Medaille gereicht. Auch für Dreiradfahrer Maximilian Jäger (T2) hat sich die WM gelohnt. Jäger zeigte im Straßenrennen eine gute, taktisch kluge Leistung und wurde Vize-Weltmeister. „Das war kein einfaches Jahr für mich, nach meiner Corona-Erkrankung und den langwierigen Folgen, daher bin ich extrem stolz auf diese Silbermedaille“, sagte der 24-jährige Jäger. T2-Fahrerin Angelika Dreock-Käser (48) steuerte zwei Bronzemedaillen zum Gesamterfolg bei. Für Steffen Warias vom BSV München lief die WM nicht wie erhofft. Warias (C3) hatte sein Augenmerk, nachdem er nicht für Paris 2024 nominiert worden war, auf die WM gerichtet. Der kaum profilierte Zeitfahrkurs spielte dem 39-Jährigen nicht in die Karten, seine Stärken liegen im bergigen Terrain. Im Straßenrennen belegte er immerhin Rang sechs.
Schweizer Juniorin stirbt nach schwerem Unfall
Überschattet wurde die WM vom Unfall-Tod der 18-jährigen Schweizerin Muriel Furrer. Furrer hatte am Donnerstag bei einem Sturz im Juniorinnen-Rennen ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten und erlag ihren Verletzungen tags darauf in der Züricher Universitätsklinik. Vor den Wettbewerben am Samstag hatte es eine Schweigeminute gegeben, sämtliche Veranstaltungen rund um die Rennen wurden abgesagt. Der Weltverband UCI hatte beschlossen, die Weltmeisterschaften dennoch fortzuführen. „Der Tod von Muriel Furrer bewegt uns, das habe ich auch meinen Athletinnen und Athleten angemerkt. Das macht uns alle sehr traurig. Wir möchten der Familie, den Freunden und dem Schweizer Team unser aufrichtiges Beileid aussprechen“, sagte Bundestrainer Lang.
Das deutsche Aufgebot bei der Para Radsport-WM 2024:
Kerstin Brachtendorf (52 / Mending / BRSV Cottbus), Julia Dierkesmann (57 / Merzhausen / GC Nendorf), Angelika Dreock-Käser (48 / Bremervörde / BPRSV Cottbus), Andrea Eskau (53 / Apolda / USC Magdeburg), Johannes Herter (40 / Lemgo / RSV Tempoliema), Maximilian Jäger (24 / Bad Kissingen /BPRSV Cottbus), Vico Merklein (46 / Berlin / GC Nendorf), Manuel Scheichl (42 / Rottenmünster / BVS München), Pierre Senska (36 / Berlin / BPRSV Cottbus), Steffen Warias (39 / Allschwil / BSV München), Annika Zeyen (39 / Hennef / SSF Bonn)
Deutsche WM-Medaillen:
GOLD: Annika Zeyen-Giles (H3), Zeitfahren.
SILBER: Andrea Eskau (H5), Zeitfahren; Julia Dierkesmann (H4), Zeitfahren; Maximilian Jäger (T2), Straßenrennen; Annika Zeyen-Giles (H3), Straßenrennen.
BRONZE: Kerstin Brachtendorf (C5), Zeitfahren; Angelika Dreock-Käser (T2), Zeitfahren und Straßenrennen; Andrea Eskau (H5), Straßenrennen; Pierre Senska (C1), Straßenrennen.