Aktuelles vom Para Radsport im Deutschen Behindertensportverband
Para Radsportler Schindler: Neue Trainingsreize für das große WM-Ziel
Zehn Jahre lang hat Matthias Schindler (41) dem Sport alles untergeordnet. Im vergangenen Jahr hat er das Training umgestellt, neue Reize gesetzt und versucht als Familienpapa, bei geringeren Umfängen die Effektivität der Einheiten zu erhöhen. Zur Weltspitze im Para Radsport gehört der Zweiradfahrer trotzdem nach wie vor. Bei den Weltmeisterschaften, die vom 3. bis 13. August im schottischen Glasgow stattfinden, will er ganz vorne angreifen. Kann das gelingen?
Überraschend war das damals nicht, als der Deutsche Behindertensportverband die Nominierungen für die Paralympics in Tokio 2021 bekanntgab und Matthias „Matze“ Schindler auf der Liste stand. Der Para Radsportler zählte damals zwar zu den Debütanten. Auf die Frage, was er sich denn erhofft, sagte er trotzdem: „Ich hole im Zeitfahren eine Medaille für Deutschland!“ Schindler ist keiner von der lauten Sorte, doch er zählt allemal zu den ehrgeizigsten Athleten. Aus Tokio kehrte er denn auch mit Bronze zurück. Schindlers Motto: Erfolg ist das Ergebnis harter Arbeit. Die investiert der Bayer, aber anders als früher.
2013 begann die professionelle Para Radsport-Karriere von Matthias Schindler. Seit einer fehlerhaft verlaufenen Tumor-Operation am Rückenmark hat der gebürtige Regensburger eine inkomplette Querschnittslähmung von der Hüfte abwärts. Er startet in der Wettkampfklasse C3, einer der am härtesten umkämpften Klassen im Para Radsport. Wenige Sekunden trennen dort regelmäßig den Sieger vom unglücklichen Viertplatzierten. Jahr für Jahr hat Schindler mehr investiert, mehr trainiert und sich immer höhere Ziele gesteckt, um in der Weltspitze mitfahren zu können – mit Erfolg. Drei Mal wurde er Vize-Weltmeister im Zeitfahren (2018, 2019, 2021), holte den Gesamtweltcupsieg 2018 und eben jenes Paralympics-Bronze 2021.
In einem Beitrag auf Schindlers LinkedIn-Profil findet sich ein Zitat von Erfolgscoach Dieter Lange: „Wer alle seine Ziele erreicht, hat sie sich nicht hoch genug gesteckt.“ Für Schindler ist das nicht nur ein Spruch. Der 41-Jährige hat seine Karriere und somit einen großen Teil seines Lebens nach diesem Leitbild designt. Vor Tokio hatte er das Trainingspensum hochgeschraubt. Zusätzlich zum Rad-, Kraft- und Athletiktraining hatte er den Körper mit regelmäßigen Saunagängen an die hohe Luftfeuchtigkeit und die Hitze gewöhnt, die in Japan zu erwarten war.
Matthias Schindler: „Ich trete nicht an, um Zweiter zu werden“
In den vergangenen Wochen, kurz vor der Straßen-WM in Glasgow, ist das Training wieder „knallhart“, sagt er. Allerdings auf eine andere Art. Die Trainingszeit pro Woche variiert stark von 15 bis über 30 Stunden. Er hat gelernt, das Training effektiver zu gestalten, weil ihm auch Zeit für seine kleine Familie und Freunde wichtig ist. Gemeinsam mit Trainer Hendrik Werner hat er einen Plan ausgearbeitet. Er trainiert von den Umfängen her weniger, dafür aber intensiver. Statt eines Höhentrainingslagers setzt Schindler diesmal auf ein Hitzetraining auf der Rolle. Er will in Glasgow vorne angreifen. Seine Devise: „Dabei sein ist alles, das funktioniert im Spitzensport nicht. Wenn man sich keine hohen Ziele setzt, kommt man nicht weiter.“
Wie die meisten anderen Para Sportler*innen, hat auch Schindler neben der Profi-Karriere noch einen Vollzeitjob. Er arbeitet im Polizei-Innendienst. Mit Ende 20 wollte er Hubschrauberpilot werden. Als das berufliche Ziel aufgrund der körperlichen Behinderung nicht mehr erreichbar war, konzentrierte er sich auf den Leistungssport. Seitdem setzt er regelmäßig auf dem Zweirad zu Höhenflügen an. „Ganz am Anfang der Karriere war der Druck ein anderer. Heute habe ich einfach Freude am Sport. Das gibt mir Ruhe, setzt aber auch neue Kräfte frei“, sagt Schindler. Virtuell sei er die WM-Strecke bereits abgefahren. Am Wettkampftag – das Zeitfahren der Startklasse C3 findet am Donnerstag, 10. August, statt – will er fehlerfrei fahren, die perfekte Aeroposition finden. „Ich kann nicht beeinflussen, was andere machen. Aber ich trete nicht an, um Zweiter zu werden.“
Text: Jessica Balleer / DBS