Aktuelles vom Para Radsport im Deutschen Behindertensportverband
Denise Schindler: Vom Rad ans Mikro
Der Körper kann nicht mehr, wie er soll, und der Kopf hat Lust auf etwas Neues. Für Denise Schindler ist damit der richtige Moment gekommen, dem aktiven Spitzensport den Rücken zu kehren und die Paralympischen Spiele in Paris (28. August bis 8. September) nicht auf dem Rad, sondern als ZDF-Expertin zu erleben. Die 38-Jährige wird neben dem langjährigen Experten Matthias Berg fachkundige Einblicke geben.
„Der paralympische Sport hat in den letzten Jahren eine so tolle Entwicklung hingelegt, darauf können wir alle gemeinsam stolz sein. Ich möchte den aktiven Athletinnen und Athleten weiter eine große Bühne geben, das haben sie verdient.“ Schindler selbst war 13 Jahre lang als Para Radsportlerin aktiv. Sie nahm an drei Paralympischen Spielen teil und gewann zwischen 2012 in London und 2021 in Tokio zweimal Silber und zweimal Bronze. Außerdem wurde sie dreimal Weltmeisterin, einmal auf der Straße und zweimal auf der Bahn. Aber: „Ich bin jetzt seit 36 Jahren amputiert, da wird der Stumpf immer knöcherner, irgendwann funktioniert das Training auf diesem extremen Niveau nicht mehr“, sagt Schindler.
Ganz sein lassen werde sie das Radfahren aber nicht. Immerhin hat es sie zu der Person gemacht, die sie heute ist: erfolgreiche Spitzensportlerin, gefragte Vortragsrednerin, Buchautorin („Vom Glück, Pech zu haben“) und nun ZDF-Expertin. Eine Ausbildung zur Event-Kauffrau und ein Studium zur Diplom-Betriebswirtin hat Schindler auch noch absolviert. Eine Coaching-Ausbildung soll folgen.
Ein Unfall mit Folgen
Im Alter von zwei Jahren wurde Schindler in ihrer Heimatstadt Chemnitz, damals noch Karl-Marx-Stadt, aus und wurde von einer Straßenbahn mitgeschliffen. Erinnerungen an den schlimmen Unfall hat sie nicht. „Ich kenne mich nicht anders als mit anderthalb Beinen“, sagt Schindler. Beide Füße seien damals schwer verletzt worden – der linke konnte gerettet, der rechte musste amputiert werden. Bis sie 13 Jahre alt war, wurde Schindler immer wieder operiert. Am Stumpf, genauso wie am linken Fuß, den sie heute als „versteiften Klumpfuß“ bezeichnet.
Ein Jahr nach dem Unfall verließen Schindlers Eltern mit ihrer Tochter die DDR. Ihr Ausreiseantrag wurde nach langem Warten und Bangen genehmigt – das war ein halbes Jahr vor der Wende. „Sie wollten eine bessere medizinische Versorgung für mich“, erklärt Schindler. Die bekam sie an der Uniklinik in Regensburg. „Ich hatte schon krass coole Eltern“, sagt die Tochter. Bis Schindler zum Sport fand, vergingen aber noch einige Jahre. Zunächst war sie das Mädchen, das nicht richtig laufen und hüpfen konnte und beim Schulsport immer als Letzte ins Team gewählt wurde. „Das Wort Inklusion gab es damals noch nicht und paralympischen Sport kannte man bei uns auf dem Dorf nicht“, erklärt Schindler.
Mit 18 Jahren trat Schindler einen Job in einem Fitnessstudio an. Dort nahm sie auch zum ersten Mal an einer Spinning-Stunde teil. Und sie stellte fest: Das macht Spaß. Sie sei zwar absolut unfit gewesen, erzählt Schindler, konnte aber mit anderen Athleten Sport treiben. Jeder auf seinem Level, dazu die Musik – und der Fahrradsattel nahm das Körpergewicht von den Beinen, so dass Schindler sich ohne Schmerzen in Fuß und Stumpf verausgaben konnte. Nun war der Weg aufs richtige Fahrrad nicht mehr weit und nach Schindlers zweitem Alpencross sprachen sich die Fähigkeiten der Frau mit der Beinprothese bis in die paralympische Radsportszene herum. Der Rest ist Geschichte. Schindler wurde zur erfolgreichen Medaillensammlerin.
Die Paralympischen Spiele in Paris werden ihre vierten sein. Aber statt auf dem Rad zu sitzen, wird sie diesmal am Mikrofon stehen. Schindler freut sich darauf und prophezeit: „Das werden geniale Paralympics in Paris, das wird dem Geist der Spiele richtig guttun.“
Quelle: ZDF