„Voller Elan und Motivation“ nach der Para Leichtathletik-WM
Sechs Mal Gold, zwei Mal Silber und ein Mal Bronze hat das 18-köpfige deutsche Team bei der Para Leichtathletik-Weltmeisterschaft im japanischen Kobe gewonnen, dazu zwei weitere Startplätze für die Paralympics in Paris geholt. Bundestrainerin Marion Peters zieht ein positives Fazit und sieht ihr Team auf einem guten Weg Richtung großem Highlight.
„Der Zeitpunkt der WM war äußerst ungünstig, das gab es noch nie und es tat mir auch für die Ausrichter leid, weil die WM eines Jahreshöhepunktes absolut würdig war“, sagt Marion Peters mit Blick auf die WM im Paralympics-Jahr: „Normalerweise würden wir jetzt nach der Saisonvorbereitung in die erste Wettkampfphase einsteigen. Das ist eigentlich Irrsinn, da schon um die Welt zu reisen, aber wir haben uns dieser Herausforderung gestellt.“ Der Grund: Bei der WM gab es noch begehrte Nationen-Startplätze für die Paralympics zu holen, sogenannte Slots – und natürlich auch Titel zu verteidigen.
Insgesamt hat das deutsche Team im Universiade Memorial Stadium sechs Gold-, zwei Silber- und eine Bronzemedaille auf dem Konto und belegt Rang sieben im Medaillenspiegel. Ganz vorne landete China, das mit 87 Medaillen doppelt so viele Edelmetalle gewann wie Brasilien auf Platz zwei (42). Doppel-Gold gab es für Léon Schäfer im Weitsprung und erstmals auch über 100 Meter, einen kompletten Medaillensatz für Rennrollstuhlfahrerin Merle Menje über 800 Meter (Gold), 5000 Meter (Silber) und 1500 Meter (Bronze) sowie WM-Titel für Kugelstoßer Niko Kappel, Weitspringer Markus Rehm und 400-Meter-Läufer Johannes Floors. Dazu holte Lindy Ave Silber über 400 Meter. „Bei den Top-Leuten war es auch ein früher Formtest für die Paralympics, das ist in allen Fällen bis auf einen sehr gut gelungen“, sagte Peters mit Blick auf Yannis Fischer, der als einziger Weltmeister seinen Titel von Paris 2023 nicht wiederholen konnte, zuvor allerdings lange von Rückenproblemen geplagt wurde, so dass der vierte Platz dennoch ein Schritt in die richtige Richtung war.
Unerwartet kam für Peters der WM-Titel über 100 Meter von Léon Schäfer, der im Ziel in deutscher Rekordzeit von 12,03 Sekunden nur zwei Hundertstel Vorsprung hatte: „Es war hauchdünn, aber das sind die Battles, die wir sehen wollen, die auch die Zuschauer begeistern, die Athleten brauchen, um sich zu pushen und um weiterzukommen. Das war genial.“
Peters Highlights waren zudem die zwei Paralympics-Slots, die Merle Menje und Lindy Ave erkämpften. „Merle ist fantastisch aufgetreten als noch ganz junge Athletin und hat damit nachhaltig unter Beweis gestellt hat, dass sie auch bei den Paralympics in Paris auf den vorderen Plätzen landen kann“, sagt die Bundestrainerin über die 19 Jahre junge Menje, die bei den Spielen jedoch noch mehr Konkurrenz erwartet. Für Tokio-Paralympicssiegerin Ave, die nach Babypause ihr internationales Comeback gab, ist Peters ebenso voll des Lobes: „Das möchte ich mindestens genauso hoch ansiedeln, weil das Ganze innerhalb von drei Jahren passiert ist.“
Mit Blick auf die Paralympics in Paris hat das deutsche Team damit nun 15 Slots, davon acht für Frauen und sieben für Männer. 13 hatte es schon für die Plätze eins bis vier bei der WM 2023 in Paris gegeben. Über ein sogenanntes High-Performance-Ranking wird es am 28. Juni weitere Startplätze für die deutsche Mannschaft geben. Elf Athletinnen und Athleten konnten bislang die geforderte Norm erbringen: Neben Jule Roß (400 Meter) und Lindy Ave (400 Meter) bei der WM zuvor schon Irmgard Bensusan (200 Meter), Nele Moos (400 Meter), Francés Herrmann (Speerwurf), Katrin Müller-Rottgardt mit Guide Noel Fiener (200 Meter), Noah Bodelier (Weitsprung), Johannes Floors (100 und 400 Meter), Niko Kappel (Kugelstoßen), Markus Rehm (Weitsprung) und Léon Schäfer (Weitsprung und 100 Meter).
Die Entdeckung der WM war für die Bundestrainerin die 17 Jahre junge Jule Roß, die über 400 Meter mit deutschem Rekord zur Paralympics-Norm lief, Rang vier belegte und auch über 100 Meter als Sechste eine persönliche Bestzeit aufstellte. „Wir haben sie als junge Athletin zum Lernen mitgenommen“, sagt Peters und fügt an: „Sie hat sich innerhalb kürzester Zeit einen Stand erarbeitet, der eigentlich unglaublich ist. Da sieht man, dass diese Dynamik einer Weltmeisterschaft durchaus zu einer enormen Leistungssteigerung beiträgt. Sie geht mit richtig positiven Emotionen nach Hause.“
Negativ war für Marion Peters nur der Umstand, dass es im Wurf-Team eine „Krankheitswelle“ gab, die sich durch die ganze WM zog: „Darunter haben mehrere Athletinnen und Athleten gelitten und konnten leider ihr wahres Leistungsvermögen – was sie schon im Trainingslager im türkischen Belek unter Beweis gestellt haben – nicht zeigen. Das ist auch mit Blick auf die Normerfüllung schade. Aber wo viel Licht ist, ist auch Schatten.“
Dem lokalen Organisationskomitee im japanischen Kobe stellt die Bundestrainerin ein gutes Zeugnis aus: „Da kann man nur ,Arigato‘ sagen, es war super schön und wir hatten beste Bedingungen. Was uns in toller Erinnerung bleiben wird, sind die immer winkenden, freundlichen 1500 Volunteers, die uns Tag für Tag jeden Wunsch von den Augen abgelesen haben. Wenn Athleten aus dem Callroom zum Wettkampf gegangen sind, wurden sie mit Applaus verabschiedet. Das habe ich so noch nie erlebt und ist eine tolle Wertschätzung. Das war sehr beeindruckend“, resümiert Peters und ergänzt mit Blick auf die Paralympics in Paris: „Wir gehen voller Elan und Motivation jetzt in die letzte Phase der Normerfüllung und insofern hat sich die lange Reise mehr als gelohnt.“
Nächster Stopp auf der Tour ist der World Para Athletics Grand Prix in Nottwil (Schweiz; 6. bis 8. Juni), am 15. Juni stehen dann die deutschen Meisterschaften in Erfurt an. Die letzte Möglichkeit zur Normerfüllung gibt es schließlich am 6. Juli beim Para Leichtathletik Heimspiel in Leverkusen, ehe der Deutsche Behindertensportverband am 19. Juli die Nominierung des Team D Paralympics für die Spiele in Paris verkündet.
Text: Nico Feißt / DBS