Para Leichtathletik-WM: „Positive Überraschungen“ und zuverlässige Top-Stars
Sechs Mal Gold, zwei Mal Silber und drei Mal Bronze: So lautet die Bilanz der deutschen Nationalmannschaft bei der Para Leichtathletik-WM in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi. „Wir sind wieder zurück“, freut sich Bundestrainerin Marion Peters nach der Para Leichtathletik-WM im indischen Neu-Delhi: „Das Fazit fällt mehr als positiv aus. Wir haben elf Medaillen und Rang elf im Medaillenspiegel gewonnen – damit bin ich sehr zufrieden.“ Nach dem „Tiefpunkt“ bei den Paralympics in Paris mit nur einer Gold-, drei Silber- und vier Bronzemedaillen und Platz 30 im Medaillenspiegel ist es dem deutschen Team gelungen, den Abwärtstrend zu stoppen.
Mit elf Edelmetallen ist die Bilanz besser als bei den Spielen vor einem Jahr, obwohl mit Irmgard Bensusan und Nele Moos zwei Paris-Medaillengewinnerinnen in Indien verletzungsbedingt nicht dabei waren. Zudem ist das Abschneiden besser als bei der WM im japanischen Kobe 2024, als das deutsche Team mit zwei Bronzemedaillen weniger sogar Rang sieben in der Nationenwertung belegt hatte. Maßgeblichen Anteil hatten diesmal die Top-Stars wie Felix Streng (Gold 100 und 200 Meter), Markus Rehm (Gold Weitsprung), Johannes Floors (Gold 400 und Silber 100 Meter), Niko Kappel (Gold Kugelstoßen), Léon Schäfer (Silber Weitsprung) und Lindy Ave (Bronze 400 Meter), die alle bereits Paralympics-Gold gewonnen haben und jetzt für acht der elf Medaillen zuständig waren.
Dazu kamen die „großen positiven Überraschungen“ für Peters: Max Marzillier, der mit einem herausragenden Schlussspurt über 400 Meter zum Weltmeister wurde. Weitspringer Andreas Walser, der angeschlagen nur zwei Sprünge machen konnte, die aber für Bronze reichten. Darüber hinaus Jule Roß, die fünf deutsche Rekorde in sieben Rennen aufstellte und WM-Bronze über 400 Meter abgriff. „Sie hat einen kometenhaften Aufstieg hinter sich und die Rakete steigt immer noch“, sagt Peters: „Alle, mit denen wir auch langfristig für Los Angeles 2028 planen, konnten Bestleistungen erzielen oder haben sich gut verkauft. Das war im Vorfeld mein heimlicher Wunsch und das ist gelungen.“
Nach den Paralympics in Paris mussten „viele Schrauben neu gedreht und viele Steine umgelegt werden. Manche waren nach Paris enttäuscht nach Hause gefahren, andere waren gar nicht erst dabei. Da musste individuell viel neu strukturiert werden, um jetzt ein Ergebnis zu sehen“, sagt Peters: „Ich bin aber auch dem Funktionsteam sehr dankbar, die WM ist optimal durchgelaufen. In puncto Ernährung, Straßenverkehr und Wettkampfvorbereitung wussten alle, was zu tun ist, damit die Athletinnen und Athleten performen konnten.“
Marion Peters: „Das paralympische Programm von 2028 sollte noch einmal überarbeitet werden“
Negative Aspekte gab es für die Bundestrainerin aber auch: Neben den wenigen Zuschauer*innen vor Ort sei gerade mit Blick auf einige Wettbewerbe in Neu-Delhi noch unverständlicher geworden, warum der attraktive Weitsprung-Wettbewerb von Léon Schäfer mit 13 Teilnehmenden aus dem Programm für Los Angeles 2028 gestrichen wurde. „Der Weitsprung der Klasse T63 muss bleiben. Das paralympische Programm von 2028 sollte mit einer Nachbetrachtung der WM noch mal überarbeitet werden“, sagte Marion Peters und sprach ihr zweites Leid an: „Beim Thema Klassifizierung ist leider offensichtlich, dass es immer noch an vielen Ecken und Enden nicht passt. Ein Ansatz könnte es sein, in Zukunft mehr Wissenschaft und KI zu nutzen, um die Klassifizierungen auch im Wettkampf zu überwachen.“
Dem Gastgeber wolle sie allerdings ein Lob aussprechen: „Sie haben das bei allen Herausforderungen, die sie hatten, gut gewuppt. Das Stadion ist toll, die Bahn ist schnell und die Abläufe haben gestimmt.“ Der finanzielle Aufwand für die Reise nach Indien und das Hotel sei jedoch „enorm“ gewesen: „Man merkt, dass jede Medaille immer teurer wird.“ Dennoch habe sich der immense Aufwand gelohnt: „Die Schallmauern im paralympischen Sport fallen weiter und wir sind mittendrin. Man hat auch hier wieder gesehen, wie der Sport Menschen Hoffnung schenken kann – nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern allen.“
Für die Zukunft der deutschen Para Leichtathletik gab es auch positive Zeichen. Mit Jule Roß und Max Marzillier konnten auch zwei Nachwuchstalente Medaillen gewinnen. „Wir haben über die U25-Norm fünf Leute dabei gehabt“, sagte Peters: „Jule Roß ist davon natürlich herausgestochen, aber auch Kim Vaske war im Rahmen ihrer Möglichkeiten sehr gut, große Fortschritte sehe ich auch bei Felix Krüsemann. Da geht aus meiner Sicht noch was.“
Das gelte auch für Lise Petersen, die ebenfalls erst 20 ist, sowie für Phil Grolla, Merle Menje und Nele Moos, die aus gesundheitlichen Gründen nicht dabei waren. Auch Moos habe in Tokio bei den Paralympics Lehrgeld bezahlen müssen und lieferte dann drei Jahre später in Paris mit dem Gewinn der Silbermedaille ab. Über Max Marzillier, der auch erst 24 ist und es wie Petersen über die „normale“ Norm zur WM geschafft hatte, sagt Peters: „Es lohnt sich immer, in Jugendliche zu investieren. Auch bei Max haben wir früh investiert und am Ende hat er absolut performt. Die Jungen müssen einfach lernen, lernen, lernen. Es geht nicht von einem Tag auf den anderen.“
Text: Nico Feißt / DBS
