Floors überragt bei DM in Erfurt, Grolla verpasst Paris-Norm knapp
Wind und Regen erschwerten die Bedingungen bei den deutschen Para Leichtathletik-Meisterschaften in Erfurt. Die Top-Leute nutzten die Bühne im Steigerwaldstadion dennoch, um sich für die Paralympics in Paris zu empfehlen. Der Deutsche Behindertensportverband präsentiert die Ergebnisse und besonderen Leistungen gemeinsam mit der Heinz-Kettler-Stiftung.
10,57 Sekunden – nur drei Hundertstel über seinem Weltrekord. Johannes Floors sprintete in einer Fabelzeit zum deutschen Meistertitel und auch der zweitplatzierte Phil Grolla machte große Augen: In 10,84 Sekunden hätte er die Paralympics-Norm für Paris erfüllt. Für den drittplatzierten Marcel Böttger mit Guide Alexander Kosenkow hätten ihre 11,16 Sekunden gar zum WM-Titel im Mai im japanischen Kobe gereicht. Doch dann die Enttäuschung: Der Rückenwind war mit 4,0 Metern pro Sekunde zu stark und damit unzulässig – die Zeiten zählen nicht für Rekorde und Normerfüllungen.
Das große Spektakel in Erfurt war das Finale über 100 Meter der Männer dennoch, zumal die äußeren Bedingungen den ein oder anderen Wettbewerb deutlich benachteiligten. „Der Wind war extrem stark und drehend“, bedauert Bundestrainerin Marion Peters, die die 100-Meter-Leistungen der Männer auch zum Highlight kürte. Im Vorlauf war Floors bereits mit 10,82 Sekunden zur Weltjahresbestleistung gesprintet, auch über 200 Meter in 21,35 Sekunden hinterließ der Paralympics-Sieger einen starken Eindruck. Erfreulich waren auch die 10,94 Sekunden von Phil Grolla, der lange Zeit verletzt war und jetzt auf Anhieb in Erfurt nur neun Hundertstel über der Paralympics-Norm blieb, die er noch bis zum Para Leichtathletik Heimspiel am 6. Juli in Leverkusen erfüllen kann.
Nachwuchstalent Roß glänzt am 18. Geburtstag
Der Kampf um das Paris-Ticket stand bei den deutschen Meisterschaften über allem. 13 Athletinnen und Athleten haben die Norm bislang erbracht, bei bislang nur 15 deutschen Startplätzen deutet sich ein harter Kampf um die Nominierung an. Sicher für Paris planen können freilich Athleten wie Weitsprung-Weltrekordhalter Markus Rehm, der mit Gegenwind 7,97 Meter sprang, oder Kugelstoßer Niko Kappel, der diese Saison schon 15,07 Meter stieß und in Erfurt mit 14,17 Metern siegte. „Bei ihm ist nach Weltrekord und WM-Titel die Luft etwas raus. Niko wird eine kurze Pause einlegen und sich dann auf Paris vorbereiten“, sagt Peters, die noch ein Nachwuchstalent hervorhob: „Jule Roß fand ich richtig stark.“ Mit 5,11 Metern übertraf die Leverkusenerin an ihrem 18. Geburtstag ihre Freiluft-Bestweite im Weitsprung trotz starken Gegenwindes und sprintete zudem die 100 und 200 Meter schnell. Wie Katrin Müller-Rottgardt und Guide Noel Fiener, die die 100 Meter gewannen, sowie die drittplatzierte 400-Meter-Paralympics-Siegerin Lindy Ave haben sie bereits die Paralympics-Norm, auch 200-Meter-Weltmeisterin Irmgard Bensusan präsentierte sich auf ihrer Paradestrecke gut.
Harter Kampf um die Paralympics bei den Männern
Dahinter tobte der Wettbewerb um die Paris-Tickets. „Speerwerferin Lise Petersen mit 36,19 Meter ist da für mich erwähnenswert, auch Nicole Nicoleitzik hat sich vor allem über 200 Meter an die Norm immer mehr herangekämpft und Kim Vaske eine Bestleistung gestoßen“, sagt Peters. Einen Rückschlag erlitten hingegen die männlichen Kugelstoßer: Weder der lange verletzte Überraschungs-Weltmeister von Paris 2023, Yannis Fischer, noch die erfahrenen Sebastian Dietz und Mathias Schulze kamen in die Nähe ihrer Normen, auch 1500-Meter-Spezialist Felix Krüsemann blieb hinter den Erwartungen zurück. Paralympics-Sieger Felix Streng musste krankheitsbedingt absagen, Weitspringer Andreas Walser fehlte ebenfalls verletzt. „Wir wünschen uns natürlich möglichst viele Normerfüllungen“, sagt die Bundestrainerin, die auf weitere deutsche Paris-Startplätze am 28. Juni über eine sogenannte High-Performance-Liste hofft: „Aber so langsam wird es eng, da die Zeiten und Weiten nur bis 6. Juli erbracht werden können.“
Die Ergebnisse der deutschen Meisterschaften in den Para Sportarten werden in diesem Jahr von der Heinz-Kettler-Stiftung (HKS) präsentiert, um die Aufmerksamkeit für die deutschen Meisterschaften zu erhöhen und die außergewöhnlichen Leistungen der Athlet*innen sichtbarer zu machen. Die HKS wurde von Heinz Kettler und seiner Tochter Dr. Karin Kettler bereits im Dezember 1999 gegründet, um Sportler*innen mit Behinderung in ihrer Sportausübung zu unterstützen und den Inklusionsgedanken in die Praxis umzusetzen.
Text: Nico Feißt / DBS