„Diese Eindrücke bleiben in meinem Kopf“
Berührende Reise: Paralympics-Sieger Sebastian Dietz hat im Libanon ein Projekt der Johanniter besucht – Ein bisschen Mut und Hoffnung trotz erschreckender Bilder und viel Leid
Wer Sebastian Dietz und die syrischen Mädchen beim Fußballspielen beobachtet, sieht eine Gruppe, locker und unbeschwert, die beim Kicken offensichtlich viel Spaß hat. Für die Mädchen ist es Abwechslung, eine Flucht aus dem sonst so schwierigen Alltag. Auch Sebastian Dietz war bei seiner Reise in den Libanon längst nicht immer zum Lachen zumute. Gemeinsam mit den Johannitern besuchte der zweifache Paralympics-Sieger und dreifache Weltmeister im Kugelstoßen und Diskuswurf fünf Tage das Land, in dem über 1,5 Millionen Flüchtlinge leben, das die UN-Flüchtlingskonvention jedoch nicht anerkannt hat. Schöne Momente wechselten sich ab mit erschreckenden Bildern von katastrophalen Bedingungen in den Flüchtlingscamps, in denen Lachen und Hoffnung immer wieder auch Verzweiflung, Ängsten und Hilflosigkeit wichen. Eine Reise mit emotionalen Begegnungen, viel Leid und vor allem: berührend und prägend.
„Ich habe krasse Eindrücke erhalten und Sachen erlebt, die ich zuvor noch nicht gesehen habe und die zeigen, wie schlecht es Menschen auf der Welt leider geht. Es war sehr emotional und ich werde eine Weile brauchen, bis ich das verarbeitet habe“, berichtet Sebastian Dietz. Der 32-Jährige aus Bad Oeynhausen besuchte palästinensische und syrische Flüchtlingscamps, begleitete Jugendliche mit und ohne Behinderung bei ihrer Ausbildung oder spielte mit ihnen Fußball. „Ich habe viele Gespräche mit den Kindern und Jugendlichen geführt, wollte etwas Mut und Hoffnung vermitteln und versuchen, ihnen zumindest einen Moment ohne Probleme zu schenken. Gerade den Jugendlichen mit Behinderung habe ich gesagt, dass es keine Strafe ist, sondern dass es sich lohnt zu kämpfen und man nicht aufgeben darf“, sagt der Leichtathlet, der seit einem schweren Autounfall 2004 inkomplett querschnittsgelähmt ist.
„Wollen verhindern, dass sich die Jugendlichen aus Frust extremistischen Gruppen anschließen“
Doch neben diesen schönen Begegnungen bleiben auch die erschreckenden Bilder haften. Zerstörte Häuser mit unzähligen Einschusslöchern, enge Gassen mit hohen Schuttbergen, viel zu viele Menschen untergebracht in viel zu kleinen Zelten. „Die Verhältnisse dort sind unvorstellbar, wenn man es nicht selbst gesehen hat. Das wird in meinem Kopf bleiben. Es ist für jeden, der dort leben muss, wahnsinnig schwierig, in jeder Hinsicht. Ich kann es absolut nachvollziehen, dass die Menschen von dort weg wollen“, erklärt Dietz.
Doch dieser Perspektivlosigkeit wollen die Johanniter mit ihrem Engagement entgegenwirken. Gemeinsam mit dem lokalen Projektpartner Naba´a ermöglichen sie 120 Jugendlichen mit und ohne Behinderung aus drei palästinensischen Flüchtlingscamps eine Berufsausbildung. In libanesischen Berufsschulen erhalten diese eine Ausbildung zum Friseur, Buchhalter, Koch oder Kellner. Ansonsten sind die Hürden hin zum Berufseinstieg fast unüberwindbar.
„Die Jugendlichen erhalten durch das Projekt eine Chance, die sie sonst nicht bekommen würden. Für sie ist es eine Perspektive, damit sie nicht auf die schiefe Bahn geraten“, sagt Dietz. Wichtig sei jedoch, dass man sich nachhaltig engagiert und es noch mehr Unterstützung gibt, sonst seien solche Projekte nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das ist auch das Ziel der Johanniter.
„Wir wollen verhindern, dass sich die Jugendlichen aus Frust extremistischen Gruppen anschließen oder in die Kriminalität und den Drogenkonsum abrutschen“, erklärt Jens Schwalb, Fachbereichsleiter für den Nahen Osten. Dafür wird sich Sebastian Dietz auch künftig einsetzen. Für ihn steht nach bewegenden und teils sehr bedrückenden Tagen fest: „Ich möchte die Projekte weiter begleiten und auf die Probleme vor Ort aufmerksam machen. Als Sportler finde ich es sehr wichtig, auch solche Erfahrungen zu sammeln und mich zu engagieren.“