Aktuelles aus den Mitgliedsverbänden des DBS
Zwei rheinland-pfälzische Athlet*innen auf dem Weg nach Tokio
Hanne Brenner und Francis Tonleu bereiten sich, wie alle anderen Athlet*innen, unter erschwerten Corona-Bedingungen auf die Paralympics vor. Die Ausgangssituation könnte unterschiedlicher nicht sein.
Sie hat in ihrem Sport schon alles erreicht. Er fiebert dem Höhepunkt seiner Karriere noch entgegen. Dressurreiterin Hanne Brenner und Sitzvolleyballer Francis Tonleu – zwei rheinland-pfälzische Spitzensportler*innen auf dem Weg zu den Paralympics in Japan. In einigen Punkten könnten die Sportler*innen kaum unterschiedlicher sein – in zwei Punkten ähneln sie sich allerdings sehr: Beide verfügen über einen gesunden sportlichen Ehrgeiz und versprühen nahezu grenzenlosen Optimismus. Das hilft in Coronazeiten besonders.
Hanne Brenner müsste sehr weit ausholen, wenn man sie bitten würde, ihre größten sportlichen Erfolge aufzuzählen – dabei würden ihr auf Anhieb wahrscheinlich nicht einmal alle einfallen. Seitdem sie 1999 Weltmeisterin wurde, sammelt sie Medaillen – bevorzugt goldene. Sie ist mehrfache Paralympics-Siegerin, gewann zahlreiche Welt- und Europameistertitel und nennt sich zudem vielfache Deutsche Meisterin. All diese Erfolge feierte sie sowohl im Einzel als auch in der Mannschaft. Mit inzwischen 57 Jahren rückt das Karriereende näher. Hätten die Paralympics in Tokio wie geplant 2020 stattgefunden, hätte sie diese, wie schon die Spiele in Rio vor vier Jahren, wohl verpasst.
Damals ließ eine Erkrankung ihres Wallachs Kawango den Traum von der fünften Teilnahme am größten Sportereignis für Athlet*innen mit Behinderung kurzfristig zerplatzen. In diesem Jahr gab es sogar gleich doppelt gesundheitliche Probleme. Ihre Stute Belissima M hatte sich einen Infekt eingefangen. Sie selbst war zudem zeitweise gesundheitlich ziemlich angeschlagen. "Die Pause durch Corona kam mir sogar gelegen", sagt Hanne Brenner. "Für dieses Jahr wären wir vielleicht nicht fit genug gewesen. Aber für 2021 sieht es hoffentlich anders aus".
Die Reiterin selbst hat ihre Erkrankung inzwischen überwunden. Damit aber eine Teilnahme in Tokio 2021 möglich wird, muss jetzt auch das hochbegabte Wettbewerbspferd besonders behutsam und wohldosiert trainiert werden. Hanne Brenner und auch ihre Trainerin und Lebensgefährtin Dorte Christensen verfügen über die nötige Erfahrung, um Belissima M in optimalem Tempo wiederaufzubauen. „Am wichtigsten sind im Moment gymnastische Übungen. Belissima M muss die nötige Grundfitness bekommen, sich dabei vor allem aber wohlfühlen und locker bleiben“, erklärt Brenner.
„Locker bleiben“ – das hat auch Hanne Brenner verinnerlicht: „Ich denke immer positiv. Was die Spiele in Tokio angeht, bin ich ganz gelassen. Die internationale Konkurrenz ist in den vergangenen Jahren viel stärker geworden, deshalb messe ich den Erfolg nicht nur an Medaillen, obwohl ich mir schon Chancen ausrechne. Um ganz vorne dabei zu sein, braucht man auf jeden Fall auch das nötige Glück. In meiner Startklasse bin ich fast die einzige, die Gehhilfen benötigt – das relativiert dann auch immer das Abschneiden im Wettbewerb.“
Das Kadertraining ist inzwischen wieder angelaufen, aber alles läuft natürlich unter strengen Corona-Auflagen. Dass sie viel zuhause auf der Reitsportanlage in Rheinhessen trainieren kann, ist für die erforderliche Ruhe im Aufbautraining ein wichtiger Faktor – genau wie die noch ausreichende Vorbereitungszeit für die Paralympics in Tokio. „Belissima M braucht noch Zeit – aber die haben wir ja.“ Hanne Brenner hat weitere paralympische Erfolge wieder fest im Blick.
Der Traum von den Paralympics lebt
Francis Tonleu verfügt zwar noch nicht über eine derart beeindruckende Medaillensammlung, wie sie die Dressurreiterin vorweisen kann. In Sachen Ehrgeiz und Optimismus bewegt sich der Sitzvolleyball-Nationalspieler aus Koblenz aber mindestens auf Augenhöhe. Die Paralympics in Tokio sind sein großes Ziel – dafür nimmt er eine Menge auf sich.
„Ich muss jeden Morgen um 4 Uhr aufstehen, um mein Programm absolvieren zu können“, sagt Tonleu und fügt an: „Der Tag beginnt mit einer Stunde Workout. Das muss ich so früh machen, weil ich später dafür keine Zeit habe.“
Nach dem Ganzkörpertraining zu nachtschlafender Zeit beginnt für den 43-Jährigen ein Tagespensum, dass nur mit großer Disziplin zu bewältigen ist. Er betreibt mit einem Freund ein Abbruch- und Recycling-Unternehmen in Andernach, das seine volle Arbeitskraft erfordert. Die nötige Zeit für das aufwendige Training zu finden, verlangt dementsprechend eine optimale Organisation.
Der Aufwand ist als Sitzvolleyball-Nationalspieler während der Corona-Pandemie enorm. Das Kadertraining findet an jedem zweiten Wochenende in Leverkusen statt. Dorthin fährt er mit seinem Koblenzer Team-Kollegen Heiko Wiesenthal. Öffentliche Verkehrsmittel meiden die beiden momentan – lieber nutzen sie den PKW. Corona-Tests stehen alle zwei Wochen im Koblenzer Brüderkrankenhaus an. Ab Januar wird die Vorbereitung dann noch dichter getaktet sein. Dann wird an jedem Wochenende trainiert, wodurch regelmäßigere Tests durchgeführt werden müssen.
Francis Tonleu nimmt es gelassen: „Das klappt alles ganz gut, wir haben uns an die vielen Auflagen mit häufigem Händewaschen, Desinfektion und Abstandhalten ganz gut gewöhnt. Der größte Unterschied ist eigentlich, dass wir viel mehr T-Shirts brauchen. Wir dürfen nämlich nicht in der Halle duschen, sondern immer erst im Hotel. Und deshalb wechseln wir dauernd die Klamotten.“
Die entscheidende Hürde auf dem Weg nach Japan müssen der gebürtige Kameruner, der seit einem Sturz mit einem steifen Fuß lebt, und seine Nationalmannschaftskollegen noch nehmen. Das Qualifikationsturnier mit sieben Mannschaften, von denen nur eine nach Tokio reisen darf. Tonleu ist sich sicher, dass seine Mannschaft die Teilnahme an den Paralympics sichern wird. „Das werden wir sein, da bin ich ganz sicher“, sagt er.
Damit es so kommt, ist mehr Arbeit als das Wochenendtraining notwendig. Daher treffen sich die rheinland-pfälzischen Nationalspieler zu einer weiteren Einheit einmal pro Woche in einer Koblenzer Halle. Die Paralympics in Tokio bleiben weiter Tonleus großer Traum.
Quelle: Behinderten- und Rehabilitationssport-Verband Rheinland-Pfalz (BSV)