Aktuelles vom Para Ski alpin im Deutschen Behindertensportverband
Forster auf Goldkurs ausgeschieden, Fleig mit Pech in Windlotterie
Für Para Skifahrerin Anna-Lena Forster ist es „dumm gelaufen“, Martin Fleig fand es „vogelwild“ und fühlte sich „machtlos“ und seine Para Biathlon-Kollegin Anja Wicker kam sich vor „wie auf hoher See“: Die deutschen Medaillenhoffnungen am achten Wettkampftag bei der Para Schneesport-WM in Lillehammer verpufften allesamt – und doch gab es Ergebnisse und Comebacks, die Hoffnung machen.
Der Traum vom vierten WM-Titel endete für Anna-Lena Forster im Schlusshang des Riesenslaloms. Mit ihrer rechten Krücke hakte die dreifache Weltmeisterin von Lillehammer im Tor ein und stürzte – im zweiten Durchgang mit einem riesengroßen Vorsprung auf die Konkurrenz. „Dumm gelaufen“, sagte Forster, die in der Abfahrt, im Super-G und in der Super-Kombination jeweils Gold gewonnen hatte und nun wieder auf Kurs war: „Bis dahin war der Lauf voll in Ordnung, dann bin ich irgendwie blöd mit der Krücke hängen geblieben. Shit happens – so ist der Rennsport.“ Trotz aller Enttäuschung richtete die 26-Jährige noch im Ziel den Blick auf den Slalom am Samstag: „Da will ich der Welt wieder zeigen, was ich drauf habe.“
"Tolles Spektakel": Rieder und Rothfuss mit Platz vier und fünf in hochklassigem Wettkampf
In der stehenden Konkurrenz war der Kampf um die Medaillen knapp und hochklassig – am Ende gab es für die beiden deutschen Teilnehmerinnen Anna-Maria Rieder und Andrea Rothfuss Platz vier und fünf. „Der Lauf an sich war echt geil“, sagte die 21-jährige Rieder, die in der Super-Kombination Bronze gewonnen hatte und deren Lieblingsdisziplin mit dem Slalom noch kommt: „Aber irgendwie nervt mich das. Ich weiß, dass ich mit denen ganz vorne mithalten kann und oben bin ich auch voll dabei – aber dann geht mir unten die Kraft aus.“
Andrea Rothfuss, die nach vierten Plätzen in der Abfahrt, im Super-G und in der Super-Kombination nun Fünfte wurde, war „so weit“ zufrieden: „Ich hatte ein paar Fehler drin, die mich Zeit gekostet haben. Aber wenn wir die noch rauskriegen, dann bin ich voll dabei“, sagte die 32-Jährige in Richtung Peking: „Man hat gesehen, was möglich ist und es hat voll Spaß gemacht, mich mit den anderen Mädels zu battlen. Da haben wir ein richtig tolles Spektakel abgeliefert.“
Gutes Comeback: Noemi Ristau nach Kreuzbandriss Sechste
Noemi Ristau, die sich Ende September das Kreuzband gerissen und daher auf die Teilnahme an den Speedrennen verzichtet hatte, machte im zweiten Lauf mit Guide Paula Brenzel einen Platz gut und fuhr im Riesenslalom auf Rang sechs. „Im ersten Lauf bin ich sehr verhalten gefahren, im zweiten war es deutlich besser. Ich bin insgesamt ganz zufrieden. Ich weiß, dass ich da noch mehr rausholen kann, aber für mein allererstes Riesenslalom-Rennen in dieser Saison und nach dem Kreuzbandriss finde ich das einen guten Einstieg“, sagte Ristau und Brenzel ergänzte mit Blick auf die nächsten Rennen: „Die Rückstände wollen wir natürlich deutlich verringern, aber heute war eher ein Herantasten, jetzt schauen wir Stück für Stück weiter – der Fokus liegt auf den Paralympics.“
Isabell Thal war mit ihrem Guide Maximilian Körner auf Rang 13 nach dem ersten Durchgang. Im zweiten Lauf verbesserte sich die 22-Jährige auf Platz zehn und grinste breit, als sie bei ihrem ersten WM-Start über die Ziellinie fuhr: „Ich bin mega happy, überhaupt hier zu starten und dass wir zwei Mal ins Ziel kommen und uns im zweiten Lauf noch steigern konnten. Jetzt freuen wir uns auf den Slalom am Samstag.“
Luisa Grube startete mit ihrem Guide Luca Traichel flott ins Rennen, stürzte dann aber und konnte den Lauf nicht beenden. „Es ist extrem ärgerlich, dass ich im ersten Durchgang schon raus bin“, sagte die 20 Jahre junge WM-Debütantin: „Aber ich bin mit Spaß und Selbstbewusstsein oben reingefahren, das war mein Ziel. Die ersten Schwünge waren gut, mit denen kann ich zufrieden sein - aber ärgerlich ist es trotzdem.“
Para Ski nordisch: Vom Winde verweht
Im Para Biathlon-Einzelrennen über 12,5 Kilometer vergaben Anja Wicker und Martin Fleig am Schießstand alle Medaillenchancen. Leonie Walter macht es bei den Frauen mit Sehbeeinträchtigung besser und wird ordentliche Fünfte.
Im Ziel konnte Martin Fleig nur mit den Schultern zucken, ein Lächeln der Fassungslosigkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Das war vogelwild“, sagte der 32-Jährige über ein WM-Rennen, wie er es noch nicht erlebt hatte. „Völlig machtlos“ sei er gewesen angesichts des Winds, der das Tableau bei den Männern sitzend kräftig durcheinanderwirbelte. Fleig erwischte es beim Überraschungssieg des Ukrainers Pavlo Bal (vor Aaron Pike, USA, und Danila Britik, Russian Paralympic Committee) mit am heftigsten. Durch seine zwölf Schießfehler handelte er sich zwölf Strafminuten ein und landete auf Platz 15.
Unliebsame Bekanntschaft mit dem norwegischen Wind machte auch Anja Wicker, die bei den ersten beiden Schießeinlagen je zwei Scheiben stehen ließ und sich früh aus dem Rennen ums Podium verabschiedete. Zum Ende hin näherte sich die 30-Jährige mit zwei fehlerfreien Schießen zwar den vorderen Plätzen an, doch Kendall Gretsch (USA), Natalia Kocherova (Russian Paralympic Committee) und Oksana Masters (ebenfalls USA) waren nicht mehr einzuholen. Wicker wurde Fünfte.
„Ich kam mir unterwegs vor wie auf hoher See. Die Böen waren echt eklig“, sagte sie. Bundestrainer Ralf Rombach bestätigte das: „Der Schnee hat so gestaubt, man hat teilweise die Hand nicht vor Augen gesehen.“ Hinzu kam: Am Schießstand der Deutschen linksaußen fegte der Wind besonders heftig durch. „Es war unberechenbar“, sagte Rombach, für den es nur einen schwachen Trost gab. Die Laufleistungen des deutschen Duos passten.
Leonie Walter erreicht ihr Ziel
Bereits am Vormittag waren in Lillehammer bei noch einfacheren Bedingungen die Frauen mit Sehbeeinträchtigung auf die Loipe gegangen – mit zwei deutschen Starterinnen. Leonie Walter (mit Guide Pirmin Strecker) landete beim erneuten Sieg von Vera Khlyzova (Russian Paralympic Committee) auf einem anerkennungswürdigen fünften Platz, Johanna Recktenwald (mit Guide Valentin Haag) wurde Zehnte.
„Ich wollte heute einfach nur die Null schießen“, sagte die 18-jährige Leonie Walter. Das gelang ihr – wenn auch auf Kosten der Schießzeiten. „Da habe ich einiges verloren.“ Zufrieden war sie trotzdem. „Ich konnte mich auf der Strecke verbessern, gerade an den schwierigen Stellen, an denen ich in den letzten Rennen nicht so gut war.“ Der Bundestrainer ordnete es genauso ein. „Läuferisch war das in Ordnung. Null Fehler sind super, ihre Schießzeiten nicht ganz optimal“, sagte er.
Johanna Recktenwald handelte sich bereits durch einen Fehler im ersten Schuss eine Strafminute ein, eine zweite kam später dazu. „Sie konnte heute ihre Fähigkeiten am Schießstand nicht abrufen“, bedauerte Ralf Rombach. Die 20-Jährige selbst sagte: „Das war zäh heute. Ich bin gefühlt überhaupt nicht vorangekommen, über den ersten Fehler habe ich mich total geärgert. Es war nicht mein Tag.“
Das Gefühl teilte sie mit Martin Fleig und Anja Wicker. Die anderen Deutschen schonten sich am Donnerstag für die ausstehenden Langlauf-Rennen im Klassik-Sprint am Samstag und in der Staffel am Sonntag. Für Vivian Hösch und ihren Guide Florian Grimm ist die WM derweil vorzeitig beendet. Hösch kann in Lillehammer verletzungsbedingt nicht mehr starten.
Para Snowboard: Schmiedt als Achter in den Finale
Gemischte Gefühle hatte Para Snowboard-Cheftrainer André Stötzer nach der Qualifikation im Snowboard Cross. Wie in der vergangenen Woche erreichte Christian Schmiedt als einziger Deutscher den morgigen Finaltag. Der Siebtplatzierte im Dual Banked Slalom der Klasse LL1 schaffte es als Achter direkt in die Viertelfinal-Ausscheidungen am Freitag: „Es lief recht gut, alles hat geklappt, aber ein paar Sachen hätte ich besser machen können“, sagte Schmiedt nach dem Qualifikations-Lauf. Im Viertelfinale am Freitag bekommt der 32-Jährige es mit dem Quali-Schnellsten Tyler Turner aus Kanada und dem neuntplatzierten Österreicher Rene Eckhart zu tun, die beiden Besten erreichen das Halbfinale – doch Schmiedt will mehr: „Das Ziel für morgen ist jetzt ganz klar: den Finallauf erreichen.“
Matthias Keller und Manuel Ness verpassten in der LL2 die Qualifikation für Freitag. Als 18. und 20. der Zeitläufe mussten beide in die Pre-Heats. Dort scheiterte Keller als Dritter seines Vorlaufs, Ness konnte als Vierter ebenfalls nicht überraschen. „Wir lassen am Start zu viel liegen und können das dann nicht mehr aufholen“, sagte Cheftrainer André Stötzer: „Matze hatte mit dem Gewinner des Dual Banked-Slalom aber auch eine denkbar schwierige Aufgabe.“ Für Freitag ist Stötzer dennoch optimistisch, dass Schmiedt als verbliebener Deutscher eine gute Rolle spielen kann – und dann steht für alle drei auch noch das Team Event am Samstag auf dem Plan.
Nach acht Wettkampf-Tagen bei der Para Schneesport-WM hat das deutsche Team vier Gold- und zwei Bronzemedaillen auf dem Konto. Bereits am Donnerstag hatte Anja Wicker auf der Langlauf-Mitteldistanz überraschend Rang drei belegt. Am Freitag gewann Anna-Lena Forster Gold in der Abfahrt. Am Samstag wurden Wicker im Biathlon-Sprint und Forster im Super-G Weltmeisterinnen. Am Montag holte Forster in der Super-Kombination ihr drittes Gold, Teamkollegin Anna-Maria Rieder Bronze. Am morgigen Freitag findet neben der Entscheidung im Snowboard Cross auch der Slalom für die alpinen Skifahrer statt.
Die Para Schneesport-WM in Lillehammer ist die erste zusammengelegte Weltmeisterschaft mit den Sportarten Para Ski alpin, Para Ski nordisch und Para Snowboard. 30 Athletinnen und Athleten aus Deutschland kämpfen vom 13. bis 23. Januar 2022 um die Medaillen.
Weitere Informationen und Ergebnisse rund um die Para Schneesport-WM gibt's hier.
Quelle: Nico Feißt & Ben Schieler
Kader Para Ski alpin:
Noemi Ristau (30, Großostheim, SSG Blista Marburg), Paula Brenzel (22, Bad Hersfeld, Ski Gemeinschaft Kreis Rotenburg), Andrea Rothfuss (32, Freudenstadt, VSG Mitteltal), Anna-Lena Forster (26, Singen, BRSV Radolfzell), Anna-Maria Rieder (21, Garmisch-Partenkirchen, RSV Murnau), Christoph Glötzner (18, Neumarkt in der Oberpfalz, RBA im ASV 1860 Neumarkt), Leander Kress (20, Friedberg, TSV Friedberg), Luisa Grube (20, Göttingen, SSG Blista Marburg), Luca Traichel (16, München, SC Garmisch), Isabell Thal (22, TSV Kareth-Lappersdorf), Maximilian Körner (30, Garmisch-Partenkirchen, SC Partenkirchen).
Kader Para Ski nordisch:
Alexander Ehler (52, Leninogorsk (Kasachstan), SV Kirchzarten), Martin Fleig (32, Freiburg, Ring der Körperbehinderten Freiburg), Patrik Fogarasi (46, Dresden, SV Kirchzarten & WSC Oberwiesenthal), Florian Grimm (37, Kempten, SSV Niedersonthofen), Valentin Haag (21, Kirchzarten, SV Kirchzarten), Vivian Hösch (30, Freiburg, SV Kirchzarten), Marco Maier (22, Oberstdorf, SV Kirchzarten), Merle Menje (17, Mainz, StTV Singen), Nico Messinger (27, Freiburg, Ring der Körperbehinderten Freiburg), Johanna Recktenwald (20, St. Wendel, Biathlon Team Saarland), Pirmin Strecker (19, Kirchzarten, SV Kirchzarten), Leonie Walter (17, Freiburg, SC St. Peter), Anja Wicker (30, Stuttgart, MTV Stuttgart), Robin Wunderle (23, Freiburg, SC Todtnau), Linn Kazmaier (15, Oberlenningen, SZ Römerstein), Florian Baumann (20, Beuren, SZ Uhingen).
Kader Para Snowboard:
Christian Schmiedt (32, Backnang, SV Germering), Matthias Keller (40, Sigmaringen), Manuel Ness (31, Ochsenhausen, SV Germering).