Aktuelles aus dem Bereich Leistungssport

„Wir müssen bekannter werden“

Interview mit Jörg Dittwar, Nationaltrainer der Fußballer mit intellektueller Beeinträchtigung vor den deutschen Meisterschaften der Werkstätten für behinderte Menschen.

Vom 8. bis 12. September finden in der Sportschule Duisburg-Wedau die 14. deutschen Fußballmeisterschaften der Werkstätten für behinderte Menschen statt, die von der DFB-Stiftung Sepp Herberger, dem Deutschen Behindertensportverband, der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen und Special Olympics Deutschland ausgerichtet werden. Dabei wollen sich die besten 16 Teams aus der gesamten Bundesrepublik den Titel sichern. Doch neben der ersehnten Trophäe steht noch mehr im Mittelpunkt: Kevin Müller sprach mit dem ehemaligen Bundesliga-Profi und heutigem Trainer der Nationalmannschaft für Fußballer mit intellektueller Beeinträchtigung, Jörg Dittwar (51), über die große Schwierigkeit bei der Suche nach neuen Talenten – und über die Chance, die die deutsche Meisterschaft dabei bietet.

Herr Dittwar, im Rahmen der deutschen Meisterschaften bestreitet die Nationalmannschaft für Fußballer mit intellektueller Beeinträchtigung ein Einlagespiel gegen die Traditionself des MSV Duisburg. Kurz nach der Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Brasilien also das nächste Highlight für Ihre Spieler.
Genau, und wir freuen uns sehr darauf. Allerdings können nicht alle Jungs der Nationalmannschaft teilnehmen, so dass auch neue Spieler die Chance erhalten, sich für höhere Aufgaben zu empfehlen.

Die WM in Brasilien liegt noch nicht lange zurück. Wie beurteilen Sie das Abschneiden?
Wir konnten leider nicht ganz an die Erfolge von Jogi Löw und seiner Mannschaft anknüpfen (schmunzelt). Unser Ziel war es eigentlich, den sechsten Platz zu verteidigen. Wir mussten aber feststellen, dass uns manche Nationen überholt haben. Beispielsweise sind die Strukturen in Japan oder Südafrika deutlich professioneller geworden. Da können wir nur neidisch herüberschauen.

Ein tolles Erlebnis war’s aber trotzdem, oder?
Natürlich. Ich habe es als Fußballer nie nach Brasilien geschafft. Die Jungs können daher sehr stolz auf sich sein. Es war eine Riesenerfahrung und wir haben alles aufgesaugt – auch wenn wir nur am Strand trainieren konnten statt auf dem Fußballplatz. Das macht zwar anfangs Spaß, doch man kann taktisch und spielerisch nicht vieles einstudieren. Da müssen wir uns unbedingt verbessern, wenn wir bei den kommenden großen Turnieren weiter vorne landen wollen. Wir wissen aber, wo wir den Hebel anlegen müssen.

Und zwar?
Wünschenswert wären mehr Lehrgänge, so dass wir als Team noch enger zusammenwachsen und uns besser einspielen können. Dafür versuchen wir, Sponsoren zu finden. Doch das wichtigste Ziel ist: wir müssen bekannter werden. Viele wissen doch gar nicht, dass es eine Nationalmannschaft für intellektuell beeinträchtigte Fußballer gibt.

Wer kommt denn dafür überhaupt in Frage?
Der Weltverband schreibt vor, dass Spieler mit einem nachgewiesenen Intelligenzquotienten von unter 75 bei uns spielen dürfen. Zudem muss der Nachweis über die Behinderung vor dem 18. Lebensjahr erfolgen. Es müssen unbedingt mehr Menschen mitbekommen, was die Voraussetzungen sind und dass wir existieren. Es gibt bestimmt noch viele super Spieler in Deutschland – nur wir wissen nicht wo.

Wie groß ist die Chance, bei der anstehenden deutschen Meisterschaft neue Talente zu entdecken?
Darauf hoffen wir natürlich. Für uns als Trainerteam ist es nahezu die einzige Möglichkeit, um neue Spieler zu sichten. Dafür ist mein Co-Trainer Herbert Harrer vor Ort und ich versuche, am Tag des Endspiels ebenfalls nach Duisburg zu kommen. In der Vergangenheit haben wir auf diesem Weg bereits einige Spieler entdecken können. Wer auf sich aufmerksam macht und die Voraussetzungen erfüllt, bekommt eine Einladung zur Nationalmannschaft.

Was bedeutet die Meisterschaft für die Spieler?
Das ist immer ein großes Erlebnis, dem sie entgegenfiebern. Das Niveau ist hoch, es herrscht ein schönes Flair und die ausrichtenden Partnerverbände stellen einiges auf die Beine. Dabei geht es nicht nur um Siege und den Titel, sondern auch um Teamgeist, Fairness und den Kontakt untereinander.

Sie sind bereits seit 2009 als Honorartrainer dabei. Wie ist die Entwicklung zu bewerten?
Insgesamt sind wir auf einem guten Weg, auch wenn wir aktuell mit der Weltspitze nicht mithalten können. Was uns aber positiv stimmt, ist die Tatsache, dass unser Netzwerk immer größer wird, ebenso wie das Interesse. Dennoch ist noch sehr viel Luft nach oben. Wir hoffen auf neue Jungs, die wir in die Nationalelf einbauen können. Einer unserer Spieler heißt übrigens Kevin Boateng. Er ist 18 Jahre und ein großes Talent – aber nicht verwandt mit Jérôme oder Kevin-Prince Boateng.

Braucht man als Trainer besonders viel Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Spielern?
Nicht unbedingt. Man muss nur Geduld haben und ruhig bleiben. Mich erschüttert jedenfalls so schnell nichts mehr (lacht). Außerdem ist es wichtig, positiv auf die Jungs einzuwirken und sie immer wieder aufzubauen. Aber das fällt mir nicht schwer, da ich mit viel Herzblut bei der Sache bin. Mir macht diese Aufgabe einfach großen Spaß.