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Para Schwimmen: Höhentrainingslager im Schnee
Die meisten Sportler wählen für Trainingslager im Frühjahr warme Länder wie Spanien, Portugal oder Südafrika. Unsere Schwimmerinnen und Schwimmer, darunter auch die Paralympics-Teilnehmer Tobias Pollap, Hannes Schürmann, Elena Krawzow, Janina Breuer und Emely Telle, sendeten aber keine Bilder mit Palmen und Meer, sondern mit Schnee – an manchen Tagen soweit das Auge reicht. Sie waren im Höhentrainingslager im bulgarischen Belmeken.
„Das Wetter ist ein bisschen bescheiden. Hier ist tiefster Winter“, sagt Pollap und lacht. Als der Weltverband verkündete, dass die Weltmeisterschaften in diesem Jahr vom 30. September bis zum 7. Oktober in Mexico City stattfinden würden, entschied sich die deutsche Schwimm-Nationalmannschaft dazu, das Trainingslager im bulgarischen Belmeken auszutragen – aus verschiedenen Gründen, wie Bundestrainerin Ute Schinkitz sagt: „Bulgarien ist in Europa und wir haben keine Zeitumstellung. Zudem sind 2050 Meter ideal für den Einstieg in das Höhentraining, das Preis-Leistungs-Verhältnis ist sehr gut und man kann unter guten Bedingungen und ohne Ablenkung trainieren.“
Im Fokus stand ohnehin das Training: Nach der Anpassung am Anfang wurde die Belastung langsam erhöht, nach zweieinhalb Trainingstagen war jeweils ein Nachmittag frei. Nach der zweiten Einheit des Tages ging es teils noch in die Sauna oder zur Physiotherapeutin zur Regeneration – oder nach dem Abendessen direkt ins Bett, wie Pollap verrät: „Wir müssen ja um viertel nach sechs schon wieder raus.“
Nach intensiven Wochen fiel das Zwischenfazit von allen Seiten positiv aus. „Die Belastung ist schon spürbar eine andere, aber die Zeiten und Tests sind alle okay und wir bekommen positive Rückmeldungen“, sagt der 30-Jährige, von dem die Bundestrainerin erzählt: „Tobi ist als erfahrener Athlet ein Vorbild für die gesamte Gruppe und hat sich persönlich toll entwickelt. Ich habe mich bei ihm für die gute Zusammenarbeit und seine positive Ausstrahlung im Team bedankt.“
Während Pollap im vergangenen Jahr schon zwei Mal im Höhentrainingslager im Sierra Nevada dabei war und gute Erfahrungen sammelte, ist es für Schürmann und Engel das erste Mal. „Für Taliso kommt es sehr früh, er hat noch ganz andere Möglichkeiten, seine Zeiten auch im Flachen zu steigern. Normalerweise wird Höhentraining erst ab einem bestimmten Leistungsniveau eingesetzt. Aber er hat die Chance, die Nachwuchsnorm für die WM zu schwimmen und da ist es wertvoll zu wissen, wie sein Körper auf die Höhe reagiert“, sagt Schinkitz über den 14-Jährigen, der in Bulgarien mit dem Berliner Schwimmtrainer Phillip Semechin trainiert.
Der 19-jährige Schürmann, der noch von einer Grippe geschwächt angereist war und Antibiotika nehmen musste, konnte nach einer Woche endlich auch mit der Gruppe trainieren und fiel positiv auf, wie die Bundestrainerin sagt: „Wir können hier an Sachen arbeiten, die zuhause gar nicht möglich sind und Hannes ist sehr bemüht, auch kleinste Dinge umzusetzen.“ Ute Schinkitz hat schon mehr als 20 Trainingslager in der Höhe geleitet und dabei oft eine positive Leistungsentwicklung ausgemacht. Neben der Arbeit an Kraft, Ausdauer und Technik kommt auch die Videoanalyse zum Einsatz und mit Unterstützung des Olympiastützpunkts Rheinland wird jeden morgen der Creatinkinase-Wert gemessen, um zu sehen, wie erschöpft die Sportler sind. Die Auswertung erfolgt dann nach der Rückkehr Anfang Mai.
Von Bulgarien aus fliegt die Mannschaft direkt zur zweiten Station der neuen World Para Swimming Series in Sheffield. „Wir erwarten dort keine Bestzeiten, aber die Erfahrung zeigt, dass in den ersten drei Tagen das ein oder andere gute Resultat herausspringen kann. Wir wollen sehen, welche Schwerpunkte die Sportler auch im Wettkampf umsetzen können. Danach kann es zu instabilen Ergebnissen kommen“, sagt Schinkitz, die den Kader bewusst vier Wochen zusammengeholt hat: „Das ist nicht so einfach, aber wir erhoffen uns dadurch eine mentale Stärkung des Teams, für die uns auch Mentaltrainerin Dr. Anke Delow unterstützt.“ Offenbar erfolgreich: „Mir macht das Training riesigen Spaß. Es ist eine Freude zu sehen, wie sich die Sportler tagtäglich bemühen und gegenseitig unterstützen."
Das gibt sie den Sportlern auch zurück: Als einige Athleten am freien Nachmittag auf den Berg spazieren wollten, der 500 Meter höher ist, drückte die Bundestrainerin ein Auge zu, obwohl sie sich lieber eine Ruhepause gewünscht hätte: „Dort liegt richtig viel Schnee. Als ich gesehen habe, wie hoch motiviert sie sind, habe ich sie eben gehen lassen.“
Quelle: Nico Feißt, Ergänzungen DBS