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Länderspiel gegen Schweden

Alles für Sotschi – in Hamburg begann der Weg

Die deutsche Sledge-Eishockey-Nationalmannschaft
Die deutsche Sledge-Eishockey-Nationalmannschaft

Fünf Fans, Freunde, Anhang. Praktisch niemand wusste, dass sich die deutsche Sledgehockey-Nationalmannschaft am vergangenen Wochenende in Hamburg zu einem Lehrgang traf und zwei Tests gegen Schweden spielte. Nach dem 3:2 am Samstag gab es in aller Herrgottsfrühe am Sonntag eine 1:4-Niederlage. „Wir haben den kompletten Kader durchgetestet, das Ergebnis war uns egal“, sagte Bundestrainer Andres Pokorny.

Der ehemalige Eishockey-Nationalspieler Pokorny ist seit fast zwei Jahren Coach der deutschen Sledge-Eishockey-Nationalmannschaft. Das Team hat im März die B-Weltmeisterschaft gewonnen und ist damit in die A-Gruppe aufgestiegen. Ende Oktober versucht die Mannschaft beim Qualifikationsturnier in Turin einen von noch drei freien Plätzen für die Paralympics 2014 in Sotschi zu erobern. Das ist das große Ziel, dafür nehmen die zur Zeit noch 17 Spieler auch die größten Unannehmlichkeiten in Kauf. So gab es die erste Trainingseinheit am Freitag von 23.30-1.00 Uhr. Samstag war dann wieder um 8.30 Uhr Training. „Wir sind ja froh, dass wir in Hamburg überhaupt Eiszeiten bekommen haben“, sagt Pokorny. In Berlin ging zum Beispiel gar nichts.

Schweden, Italien, Japan, Südkorea und Großbritannien sind die Gegner im Qualifikationsturnier. „Wir spielen jeder gegen jeden, da ist jede Partie ein Endspiel“, sagt Pokorny. Drei weitere Trainingslager stehen an den folgenden Wochenenden noch an. Die Paralympics zu erreichen, wäre für die Aufmerksamkeit des Sports in Deutschland eminent wichtig.

„Sotschi 2014“ steht auf einem Zettel innen an der Wohnungstür von Frank Rennhack. Dazu Bilder von seinem Sport, olympische Ringe. Der Hamburger ist seit zwei Jahren der Kapitän des Teams. Er gilt als einer der besten Spieler der Welt. „Der Zettel ist noch eine zusätzliche Motivation, wenn man mal nicht so viel Lust auf Training hat“, erklärt der 23-Jährige. Schon mit 16 feierte er sein Debut in der Nationalmannschaft, war auch bei den Paralympics in Turin dabei: „Aber damals konnte ich das noch nicht so richtig einordnen.“ Fünfmal Training die Woche ist angesagt, die „Sledger“ sind paralympische Leistungssportler. Sporthilfe allerdings bekommen sie nicht, die Ausrüstung muss im Wesentlichen selbst bezahlt werden. Immerhin kommt der Deutsche Behindertensportverband für die Kosten der Reisen zu Turnieren und Trainingslager auf. Doch ein Jahresetat von 60.000 Euro reicht eigentlich hinten und vorne nicht.

Das Spiel ist kaum weniger rasant und physisch fordernd als das Eishockey der „Läufer“ (Rennhack). Fünf gegen fünf plus Torwart, allerdings 15 Minuten Spielzeit pro Drittel, praktisch gleiche Regeln, gleiches Spielsystem. Nur dass sie in meist selbstgebauten Schlitten auf Kufen sitzen, einen kurzen Schläger in jeder Hand, der auch zum Vorwärtsabstoßen genutzt wird. Mit den Schlitten fahren und Balancieren vergleicht Außenstürmer Rennhack mit Motorradfahren: „Wichtig ist, dass du Gefühl im Hintern hast.“

Hat er. Die Nationalmannschaft besteht zum größten Teil aus Amputierten und inkompletten Querschnitten. Wie Rennhack. Der verlor mit zehn Monaten in Folge eines Kunstfehlers bei einer Herz-OP durch Sauerstoffmangel im Gehirn seine Mobilität in den Beinen. Seine  „Steuerzentrale“ ist kaputtgegangen, die Nervenleitungen sind aber intakt. Er spürt zum Beispiel Schmerzen, kann auch leichte Bewegungen mit dem Fuß ausführen. „Ich kenne es nicht anders, es war immer so, es hat mich nie gestört“, sagt er, „ich glaube, es ist schlimmer, wenn du zum Beispiel nach einem Motorradunfall gelähmt bist.“

Seit drei Jahren wohnt der gebürtige Sachse in Hamburg, Freundin Teresa hat einen Job im Krankenhaus Altona angenommen, er ist mitgekommen und machte eine Ausbildung zum Veranstaltungs—Kaufmann, die er im Sommer abgeschlossen hat. Rennhack spielt in Adendorf in einer Spielgemeinschaft mit Bremern, ist dort auch Trainer. „Die Motivation der Spieler ist extrem hoch, das ist schon krass, was die auf sich nehmen“, sagt Pokorny. Praktisch alle Spieler arbeiten, oder studieren, opfern ihre komplette Freizeit für den Sport. „Wir sind ein verschworener Haufen“, sagt Frank Rennhack.

Quelle: Medienmannschaft