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Eine coole Truppe mit großen Zielen
Tobias Pollap, Hannes Schürmann und Bastian Fontayne schwimmen im Wuppertaler Wasser fleißig ihre Bahnen – es ist eine der letzten Einheiten vor dem Abflug nach Portugal. Feinschliff für die Europameisterschaften. Die Wettkämpfe in Funchal finden vom 1. bis 7. Mai statt und neben dem Trio sind noch zwei weitere Athleten aus dem Schwimmteam NRW dabei. Die EM stellt einen weiteren Höhepunkt für die Schwimmer in dieser Saison dar – und ist eine wichtige Station auf dem Weg zu den Paralympics in Rio de Janeiro. Denn die Zeit, um die Normen für die Spiele am Zuckerhut zu schwimmen, ist nicht mehr lang. Letzter Wettkampf dafür werden die Internationalen Deutschen Meisterschaften (IDM) in Berlin vom 9. bis 12. Juni sein. Doch am liebsten würden Tobias Pollap, Hannes Schürmann und Bastian Fontanye ihre Norm jetzt direkt bei der EM schwimmen.
Vor allem Tobias Pollap hat nach seinem Paralympics-Debüt in London Ehrgeiz entwickelt und will unbedingt wieder dabei sein. Seit Januar 2015 hat er sein Training dafür umgestellt und weiter optimiert – so hofft der 29-Jährige. Er spezialisiere sich jetzt auf Kurzstrecken und verbringe deutlich mehr Zeit im Kraftraum. „Ich will auf jeden Fall in Rio dabei sein. London 2012 war so eine unglaubliche Erfahrung“, betont Pollap, bleibt bei seiner Zielsetzung allerdings realistisch: „Ins Finale kommen möchte ich unbedingt, auch wenn es wahrscheinlich nicht für das Podium reichen wird. Aber mit einem fünften oder sechsten Platz wäre ich auf jeden Fall zufrieden.“
Pollap: "In Hannes steckt noch viel Potential"
Auch Hannes Schürmann träumt von Rio, wären es doch seine ersten Paralympischen Spiele. Der 18-Jährige startet in derselben Startklasse wie Tobias Pollap. Allerdings nicht nur auf den Kurzstrecken, sondern auch noch auf den längeren Distanzen. „In Hannes steckt noch wahnsinnig viel Potential“, erzählt Pollap, „der kann auch noch gut die langen Strecken schwimmen. Ich habe leider erst relativ spät mit dem Leistungssport angefangen, nämlich mit 21 Jahren. Da haben so junge Athleten wie Hannes schon bessere Chancen.“ Doch Hannes Schürmann selber bleibt ganz gelassen: „Ich konzentriere mich auf das Hier und Jetzt. Zunächst zählt für mich die EM. In Portugal will ich unbedingt im Finale landen. Dabei dann auch die Norm für Rio zu schwimmen, wäre natürlich super.“
Bastian Fontayne hat seine Ziele für die EM nicht ganz so hoch gesteckt. Er war gerade zwei Wochen krank, hat seinen Fokus inzwischen mehr auf die IDM im Juni gelegt, um dort seine Norm zu schwimmen. Das ging im letzten Jahr vor den Weltmeisterschaften schief – ein bitterer Moment für den 19-Jährigen. „Dabei war ich ganz nah dran und es war richtig knapp. Ich bin jeden Wettkampf ein bisschen schneller geschwommen, aber es hat leider nie für die Norm gereicht. Das war schon ziemlich frustrierend.“ Darum gehe er an die EM und auch mit Blick auf die Spiele in Brasilien etwas entspannter heran. „Mein nächstes großes Ziel ist auf jeden Fall Tokio 2020. Rio wäre natürlich auch ein Traum, aber ich weiß, dass es für mich schwierig wird.“
Komplettiert wird das Team aus NRW von einem „alten Hasen“ und einem „jungen Wilden“. Sebastian Iwanow, Paralympics-Zweiter von 2012, gilt als erfahrenster Athlet des Schwimmteams NRW und hat trotz vieler Verletzungssorgen in den vergangenen Jahren gute Chancen auf Topplatzierungen bei der EM.
Taliso Engel ist der Fünfte im Bunde des NRW-EM-Team. Mit 13 Jahren ist er sogar der jüngste Teilnehmer der ganzen EM. Für den jungen Athleten ist es neben seiner Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften der ganz große Höhepunkte in der Saison, darum nutzt er seine EM-Premiere, um internationale Erfahrungen zu sammeln und routinierter bei Großveranstaltungen zu werden.
Individuelle Rituale vor dem entscheidenden Moment
Die nötige Routine ist für alle Athleten von großer Bedeutung – auch in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung, um im entscheidenden Moment die Leistung abrufen zu können. Tobias Pollap hat sich inzwischen angewöhnt, besonders bei wichtigen Wettkämpfen erst relativ spät auf den Startblock zu klettern, damit er dort oben beim Warten aufs Startsignal nicht zu nervös wird und womöglich einen Fehlstart produziert – vor allem auch wegen seiner halbseitigen Lähmung. Hannes Schürmann und Bastian Fontayne wollen mit ihren Ritualen zunächst nicht herausrücken. Doch Trainerin Marion Haas-Faller berichtet mit einem Augenzwinkern: „Hannes haut sich ein zweimal kräftig auf die Brust und knackt dann mit den Zehen, um sich zu entspannen. Basti hingegen setzt sich gemütlich auf den Startblock und lockert seine Arme. Manchmal auch zur Musik.“
Auf den Punkt fit sein zu sein und alles zeigen zu können, was in ihnen steckt - das ist eine sehr wichtige zu trainierende Eigenschaft für die Athleten. Aber nicht nur bei den Wettkämpfen, auch im Alltag müssen die Jungs viel unter einen Hut kriegen. „Ich schreibe zwei Wochen nach der EM die Klausuren für mein Fachabitur. Das ist schon ein ordentlicher Druck momentan.“, berichtet Hannes Schürmann. Denn zu den 24 Stunden Training pro Woche kommt bei den Schwimmern nicht nur die Schule, das Studium oder die Ausbildung, sondern auch noch die Anfahrtszeit zum Training, die teilweise bis zu einer Stunde pro Strecke beträgt.
Doch auch wenn das Pensum so groß ist und die Athleten so viel Energie und Zeit in ihren Sport stecken, wissen sie: nicht alle werden einen Startplatz bei den Paralympics in Rio ergattern. Trotz des Konkurrenzkampfes herrscht große Fairness im Team. „Wir sind eine coole Truppe und ich würde es auch allen anderen gönnen, in Rio starten zu dürfen“, sagt Bastian Fontayne.
Quelle: Anna Zumegen, DBS