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Jubel und Erleichterung

„Schöner hätte der Abschluss nicht sein können“, sagt Kirsten Bruhn. Mit zwei Goldmedaillen und einmal Bronze verabschiedet sich die querschnittgelähmte Schwimmerin endgültig von der internationalen Bildfläche. Über ihre letzte Europameisterschaft, ihre großartige Karriere und ihr Leben danach sprach Kevin Müller mit der 44-jährigen Wasbekerin (Schleswig-Holstein).

Kirsten Bruhn, es ist vorbei. Zweimal Gold und einmal Bronze bei Ihrer letzten Europameisterschaft und dem Abschied aus der Nationalmannschaft. War das der perfekte Abschluss?

Das war es definitiv, schöner hätte es nicht sein können. Ich habe sogar mehr mitgenommen als erwartet. Natürlich habe ich über 100 Meter Brust und 100 Meter Rücken mit Medaillen spekuliert. Dass es dann aber zweimal Gold wird und ich auch noch über 50 Meter Freistil Bronze gewinne, damit hatte ich nicht gerechnet. Und sogar die Zeiten waren gut – das ist für mich das Sahnehäubchen.

Eigentlich viel zu schade, um aufzuhören – zumal Sie die Strecken weiterhin dominieren. Wären die Paralympics in Rio nicht auch noch eine reizvolle Herausforderung?

Natürlich, aber man sollte sein Bauchgefühl nicht ignorieren – und das hat mir klar signalisiert, dass es jetzt die richtige Zeit ist, um einen Schlussstrich zu ziehen. Der Spaß an der Sache ist die oberste Maxime und der geht irgendwann etwas flöten, wenn man zwölf Jahre am Stück Leistungssport gemacht hat. Auch der Körper ruft allmählich „Stop“, speziell die Schultern machen Probleme.

Davon war in Eindhoven aber für den Außenstehenden nichts zu sehen.

Gerade die 100 Meter Rücken waren die Hölle für mich. Nach der Wende habe ich mich nur noch gequält und hatte schon gedacht, dass es nicht mehr reicht. Beim Anschlag habe ich dann einen Urschrei losgelassen.

Vor Freude?

Sagen wir so: Es war ein Urschrei des Jubels – aber auch der Erleichterung, dass es jetzt vorbei ist. Das Ventil war auf, und ich habe alle Emotionen herausgelassen. Die Nervosität war vor den Rennen doch ziemlich groß. Unterschwellig schwingt natürlich schon mit, dass es die letzten Wettkämpfe sind und man vom Gefühl her einen schönen Abschied haben möchte.

Blicken Sie nicht doch mit etwas Wehmut zurück?

Nein, dafür bin ich zu sehr Pragmatin. Ich haben den Entschluss so gefasst, und ziehe ihn jetzt auch durch. Nichtsdestotrotz blicke ich gerne auf die Zeit zurück. Es waren zwölf tolle Jahre, in denen ich unglaublich viele Eindrücke und Erfahrungen sammeln durfte, die mir keiner mehr nehmen kann. Außerdem war es eine Entwicklung, die mir persönlich sehr gut getan hat, um nach dem Motorradunfall damals mit meinem Leben klarzukommen. Das war sehr alles wohltuend für mich und der Sport hat mir dabei sehr geholfen. Ich konnte es zwar nicht ständig genießen, da ich ein sehr ehrgeiziger Mensch bin, aber als Fazit kann ich sagen: es war immer schön.

Dreimal Paralympics-Gold, sechsfache Welt- und achtfache Europameisterin: Jeder Fußballer hätte wohl ausgesorgt. Sie auch?

Das wäre schön, aber zurücklehnen kann ich mich jetzt nicht, sondern muss mir weiterhin Lohn und Brot verdienen. Ich bin Mitarbeiterin der Pressestelle des Unfallkrankenhauses in Berlin und dort in der Funktion als Botschafterin tätig. Das ist auch eine spannende Herausforderung.

Und im Wasser sehen wir Sie gar nicht mehr?

Doch natürlich, ich werde mich künftig nur anders im Wasser aufhalten. Zunächst mache ich noch bei einer Art Show-Event (Paralympic Day) in der Londoner Schwimm-Arena von 2012 mit und auch bei den Deutschen Kurzbahnmeisterschaften im November. Ohnehin werde ich jetzt rund zwei Jahre abtrainieren. Und ein Leben ganz ohne Schwimmen wäre für mich undenkbar. Das gehört zu meinem Leben, das gehört zu mir, und ich habe keine andere Alternative, um mich so auszupowern, wie beim Schwimmen.

Bleiben Sie auch dem paralympischen Schwimmen verbunden?

Ich werde es auf alle Fälle weiterhin verfolgen und begleiten. Ob als Patin oder Ratgeberin in der Nationalmannschaft – da ist vieles denkbar. Gerade die Nachwuchsförderung und die Animation zu mehr Bewegung liegen mir sehr am Herzen. Es muss ja nicht zwangsläufig immer in Richtung Leistungssport gehen. Doch Schwimmen zu lernen, ist in meinen Augen ein Muss – alleine schon, um in bestimmten Situationen überleben zu können. Welche Rolle ich da auch künftig übernehmen könnte, eines kann ich ausschließen: ich werde definitiv keine Trainerin.

Quelle: Kirsten Bruhn