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Taime Kuttig: Großes Talent mit großen Zielen

Akribische Vorbereitung auf die EM - Taime Kuttig
Akribische Vorbereitung auf die EM - Taime Kuttig © Carsten Kobow

Einer der Nachwuchssportler, die im Rahmen der Nachwuchseliteförderung paralympisch durch die DFB-Stiftung Egidius Braun und die Deutsche Sporthilfe unterstützt werden, ist Taime Kuttig aus Marburg (Hessen). Der 23-Jährige zählt zu den talentiertesten Blindenfußballern in Deutschland. Ab dem kommenden Freitag startet er mit der Blindenfußball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft im englischen Hereford (21.-29.8.2015). Ziel ist, mit einem erfolgreichen Abschneiden bei der EM erstmals die Qualifikation für die Paralympics zu schaffen und im Sommer 2016 in Rio de Janeiro dabei zu sein. Rainer Kalb stellt den Spitzensportler vor.

Den 23. Mai 2015 wird Taime Kuttig so schnell nicht vergessen. Der Blindenfußball-Nationalspieler von den Sportfreunden / Blau-Gelb Blista Marburg ist glühender Fan von Bundesligist VfB Stuttgart und fieberte an diesem Tag natürlich mit der Mannschaft von Trainer Huub Stevens mit, die beim SC Paderborn nach einer Zittersaison den Klassenerhalt am 34. und letzten Spieltag unter Dach und Fach brachte. „Ich hatte selbst so viele Trainingseinheiten, dass ich vergangene Saison nicht ins Stadion gehen konnte, aber das soll jetzt wieder anders werden“, sagt der BWL-Student.

Den Trainerwechsel und die Umstrukturierungsmaßnahmen beim VfB hat er natürlich genau verfolgt. Kuttig hätte es gerne gesehen, wenn Stevens am Cannstatter Wasen weitergemacht hätte. Aber in der neuen Saison sind die Karten auch für seinen Lieblingsklub neu gemischt. Auf eine weitere Zittersaison mit dem VfB kann Kuttig gerne verzichten.

Kuttig: „Ich will der weltbeste Blindenfußballer werden!“

Als Spieler in Marburg sind die Ambitionen in der Blindenfußball-Bundesliga ohnehin in dieser Spielzeit ganz andere. „Wir haben ganz gute Chancen, um den Titel mitzuspielen.“ Aktuell sind die Hessen nach vier von fünf Spieltagen Tabellenführer in der von der DFB-Stiftung Sepp Herberger, dem Deutschen Behindertensportverband sowie dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband organisierten Spielrunde. Der MTV Stuttgart ist einmal mehr der große Konkurrent der Marburger im Titelkampf. Kuttig: „Die waren viermal Deutscher Meister, wir zweimal.  Aber eigentlich kamen wir immer in den letzten Jahren unter die Top-Teams.“ Mit dem Chemnitzer FC und dem FC St. Pauli sind dieses Jahr auch zwei Überraschungsteams oben mit dabei. Am 12. September 2015 steigt auf dem Münsterplatz in Freiburg das Saisonfinale – dann steht der neue Deutsche Meister fest.

Kuttig ist dabei als offensiver Mittelfeldspieler ein absoluter Leistungsträger seines Teams und natürlich auch der deutschen Blindenfußball-Nationalmannschaft. Mit seinen 23 Jahren ist er der zweitjüngste Spieler, das Durchschnittsalter im Nationalteam beträgt 33 Jahre. „Weil ich ja noch so jung bin, habe ich schon ganz konkrete Ziele“, sagt der Student, der sich zurzeit im vierten Semester befindet und nach dem Bachelor-Studiengang noch gerne den Master in Sportmanagement anschließen möchte. Im Augenblick studiert er in Mainz, wohin es ihn dann verschlägt, das weiß er noch nicht.

Nächstes Ziel: Über Hereford nach Rio
Taime Kuttig - Erfolgreich in der Blindenfußball-Bundesliga
Taime Kuttig - Erfolgreich in der Blindenfußball-Bundesliga © Carsten Kobow

Aber zurück zu seinen Zielen. Was möchte er im Blindenfußball erreichen? „Ich möchte der beste Spieler der Welt werden, und das ist nicht unrealistisch“, betont Kuttig, der immer wieder wichtige Tore für seine Teams erzielt. Dieses und nächstes Jahr sind von ganz besonderer Bedeutung. Vom 21. bis 29. August 2015 steht die Blindenfußball-Europameisterschaft im englischen Hereford auf dem Programm. Deutschland mit Leistungsträger Kuttig spielt in Gruppe A gegen Gastgeber England,  Polen, Italien und die Türkei. „Wir haben gute Chancen, ins Finale zu kommen und damit das Ticket für die Paralympics 2016 in Rio zu lösen. Auch für die anderen ausländischen Teams gehören wir zu den Favoriten“, berichtet Kuttig. Es wäre eine Premiere – bisher konnte sich das durch den Deutschen Behindertensportverband rekrutierte Nationalteam noch nicht für eine Teilnahme an den Paralympics qualifizieren.

Die Auswahl hat sich akribisch auf ihr Ziel vorbereitet, zahlreiche Wochenenden waren mit Lehrgängen verplant. „Die Belastung war schon enorm“, sagt der Marburger Top-Spieler. Ende Mai fand eine Standortbestimmung beim Miniturnier im russischen St. Petersburg statt. „Es ging gegen Bordeaux, die beste Vereinsmannschaft der Welt, und gegen Russland. Gegen Bordeaux haben wir 1:2 verloren, gegen Russland 1:0 gewonnen“, skizziert er das Abschneiden. Ist damit Frankreich mit den Bordeaux-Spielern der große Widersacher bei der EM? Kuttig: „Die Spieler aus Bordeaux und die Nationalmannschaft haben sich zerstritten und spielen dort nicht.“ Gut für Kuttig und die deutsche Auswahl. Aber warum ist Bordeaux zurzeit das Nonplusultra? „Die haben einfach andere finanzielle Mittel, bestreiten in der Saison rund 50 Spiele und reisen, wenn es sein muss, mal kurzerhand nach Brasilien.“

Nachwuchseliteförderung paralympisch ist wichtiger Stützpfeiler
DFB-Präsident Wolfgang Niersbach schaut dem talentierten Taime Kuttig beim Fußball zu
DFB-Präsident Wolfgang Niersbach schaut dem talentierten Taime Kuttig beim Fußball zu © Carsten Kobow

Für Kuttig ist die finanzielle Unterstützung im Rahmen der Nachwuchseliteförderung paralympisch ein wichtiger Stützpfeiler. Mit dem Hessen wird erstmals ein Fußballer mit Handicap durch die DFB-Stiftung Egidius Braun über die Deutsche Sporthilfe gefördert. Das Engagement der beiden gemeinnützigen Stiftungen ermöglicht Kuttig, seinen Sport neben dem Studium optimal zu betreiben. „Ich finanziere damit einen Teil der Miete und kann auch Sonderaufwendungen leichter aufbringen. Das hilft schon ungemein“, sagt Kuttig, der im August vergangenen Jahres einen Kreuzbandriss erlitt, inzwischen aber wieder seine komplette Fitness erreicht hat. Kuttig: „Probleme hatte es zwischenzeitlich mit der Reha gegeben. Die wollten mich zuerst nicht aufnehmen, weil sie meinten, sie könnten sich nicht um mich kümmern. Am Ende hat aber alles wunderbar funktioniert.“

Kuttig weiß sich also nicht nur auf dem Fußballplatz durchzusetzen. Er hatte von Geburt an eine Sehbehinderung, verlor mit zwölf Jahren durch eine Netzhautablösung seine komplette Sehkraft. Der Sport war neben der Schule - oder jetzt dem Studium -  immer der nötige Ausgleich. Goal- und Torball bedeuteten den Einstieg für den Blindenfußball. Die sportliche Betätigung nimmt bei Taime Kuttig einen breiten Raum ein. Inzwischen hat der Student der FH Mainz eine neue Leidenschaft entdeckt: das Tanzen. Mit seinem breitgefächerten sportlichen Engagement ist er sicherlich auch ein Vorbild für alle Sehenden. Und wer weiß, vielleicht klappt es ja mit Rio.

Weitere Infos zur Nachwuchseliteförderung paralympisch finden Sie hier.

Quelle: DFB-Stiftung Egidius Braun