Aktuelles aus dem Bereich Sportentwicklung
Weniger Engagement für Menschen mit Behinderung, deutlicher Rückgang an Übungsleitenden

Die Erkenntnis ist ernüchternd: Laut aktuellem Sportentwicklungsbericht, den der Deutsche Olympische Sportbund kürzlich veröffentlicht hat, geben 23 Prozent der Sportvereine an, sich für Menschen mit Behinderung zu engagieren – das ist ein Rückgang von zwei Prozent verglichen mit den Ergebnissen aus 2022. Stark abgenommen hat die Zahl der Übungsleitungslizenzen im Behindertensport. In den vergangenen fünf Jahren gab es laut Lizenzstatistik einen Einbruch um gut 15 Prozent.
Ein zentrales Ergebnis des Sportentwicklungsberichts der Jahre 2023 bis 2025 ist, dass das Engagement und die gesellschaftliche Verantwortung der Sportvereine stetig wachsen. Doch diese gewachsene Verantwortung trifft immer öfter auf begrenzte Ressourcen. Die Personalprobleme haben sich spürbar verschärft: 17,5 Prozent der Vereine sehen sich inzwischen in ihrer Existenz bedroht, weil es ihnen nicht gelingt, ausreichend ehrenamtliche Funktionsträger*innen zu gewinnen und dauerhaft zu binden. Während in den Strukturen des DOSB die steigenden Mitgliedschaften immer häufiger zu einer erhöhten Belastung des vorhandenen Personals führen, zählt der Deutsche Behindertensportverband (DBS) nicht mehr Mitglieder als vor der Corona-Pandemie. Die Anzahl an Übungsleitungslizenzen sinkt jedoch kontinuierlich. Waren es 2020 noch mehr als 45.000 Lizenzen, ging die Zahl bis 2024 um rund 7000 zurück auf nur noch gut 38.000.
„Die Gründe für diesen Rückgang von über 15 Prozent sind vielfältig. Das größte Problem ist jedoch eindeutig die fehlende Zeit. Hier spielt insbesondere die schwierige Vereinbarkeit des Ehrenamts mit dem Beruf und der Familie eine entscheidende Rolle“, sagt Benedikt Ewald, Direktor Sportentwicklung im Deutschen Behindertensportverband und fügt an: „Leider ist es schwierig, der fehlenden Zeit und dem Wunsch nach der Work-Life-Balance mit Maßnahmen entgegenzuwirken. Eine größere Wertschätzung des Ehrenamts und eine bessere Honorierung des Aufwands könnten Anreize schaffen, sind aber kein Allheilmittel. Die Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement ist generell rückläufig – das macht es für den Sport von Menschen mit Behinderung doppelt schwer, qualifizierte Übungsleitungen zu finden.“
Zumal der Sportentwicklungsbericht auch einen Rückgang mit Blick auf das Engagement von Deutschlands Sportvereinen für Menschen mit Behinderung aufzeigt. Gaben 2022 noch 25 Prozent an, sich zu engagieren, sind es jetzt nur noch 23 Prozent. Ewald: „Auch wenn der Bericht Fragen offenlässt, was genau unter diesem Engagement zu verstehen ist – ob regelmäßige Angebote oder bspw. ein jährliches Sportfest, an dem auch Menschen mit Behinderung teilnehmen – zeigen die Zahlen: Die dringend notwendige Steigerung ist nicht nur ausgeblieben, das Engagement ist sogar leicht zurückgegangen. Das vergrößert unsere ohnehin schon bestehenden Sorgenfalten. Wirkliche Teilhabe am Sport funktioniert nur, wenn es auch wohnortnahe Angebote gibt. Dazu brauchen wir Deutschlands Sportvereine, die ihre Türen auch für Menschen mit Behinderung öffnen."
Demgegenüber stehen jedoch die begrenzten Ressourcen in den Vereinen, die bereits Schwierigkeiten haben, ihre bestehenden Angebote aufrechtzuerhalten. Ein Dilemma. So sagt Univ.-Prof. Dr. Christoph Breuer, einer der Autoren der Studie: „Angesichts dieser Entwicklung scheinen sich erste Vereine von gesellschaftlich wünschenswerten Zusatzaufgaben zurückzuziehen, da deren Bewältigung zunehmend schwieriger wird.“ Und das betrifft letztlich auch den Sport von Menschen mit Behinderung. „Als DBS-Familie versuchen wir gemeinsam mit unseren Landes- und Fachverbänden tatkräftig sowie mit vielen Projekten und Aktivitäten, den Behindertensport in Deutschland zu stärken und den Zugang zu verbessern. Doch es zeigt sich immer deutlicher, dass es nachhaltig nur dann Früchte trägt, wenn die gesamte Gesellschaft an einem Strang zieht. Hier erhoffen wir uns starke Impulse von der neuen Staatsministerin für Sport und Ehrenamt, Dr. Christiane Schenderlein“, sagt Benedikt Ewald. Fest steht: Nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen, es also flächendeckende Angebote in den Vereinen und ausreichend Übungsleitende gibt, kann Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Sport zur gelebten Praxis werden.
Text: Kevin Müller / DBS