Aktuelles aus dem Bereich Sportentwicklung
„Rehasport ist für mich… in jeder Hinsicht Lebensqualität“
Wer die Liebe zum Sport mitbringt und gerne mit Menschen arbeitet, „dem kann ich nur raten, sich als Übungsleiter oder Trainer im Verein zu engagieren“, sagt Ingo Ambs. Oder wie er den Weg einzuschlagen, und seine Leidenschaft zum Beruf zu machen.
Knapp 30 Jahre lang arbeitete der 68-Jährige als Vereinssportlehrer bei der TSG Reutlingen, dem größten Mehrspartenverein der Stadt, kümmerte sich dort um Sportkurse und zeitweise als Leiter der Geschäftsstelle auch um die Belange der Mitarbeiter*innen und Mitglieder – bis er sich mit dem Renteneintritt ganz auf den Rehasport konzentrierte. „Das Trainersein war für mich immer die Arbeit mit der größten Genugtuung”, betont der Reutlinger. Dass er dem Sport auch als Ruheständler treu bleibt, ist für ihn selbstverständlich. „Mit Menschen Sport zu treiben und ihnen mit Bewegung zu einer besseren Gesundheit und mehr Lebensqualität zu verhelfen, bereitet mir nicht nur viel Freude, es erfüllt mich mit großer Zufriedenheit“, sagt Ambs. Und mehr noch: „Für mich ist Rehasport eine optimale Möglichkeit, Kraft zu tanken, ein Ventil, um loszulassen und bedeutet in jeder Hinsicht Lebensqualität.“
Das sagt der zertifizierte Übungsleiter aus tiefster Überzeugung und nicht zuletzt, weil er aus eigener Erfahrung über die positiven Effekte des Rehasports berichten kann. 2003 erhielt Ingo Ambs die Diagnose Brustkrebs. Für einen sportlichen und stets aktiven Menschen wie ihn war das schlimm, die Nachricht im ersten Moment niederschmetternd. Eine Operation war unausweichlich, im Anschluss folgte ein notweniger Aufenthalt in einer Rehaklinik. „Mein absolutes Schockerlebnis war allerdings nach der OP, als ich feststellen musste, dass ich meinen Arm nicht mehr in die Waagerechte bekomme“, erinnert sich Ambs, „zum Glück hatte ich eine sehr gute Physiotherapeutin und im Anschluss danach eine tolle medizinische Betreuung in der Rehaklinik. Dort lag das Hauptaugenmerk auf Bewegung.“
Aus Sicht des Trainers genau der richtige Ansatz – „mich hat schnell der Ehrgeiz gepackt, weil ich durch das Training die Fortschritte sehen und spüren konnte. Ich habe jede freie Minute an mir gearbeitet, um meine Beweglichkeit zurückzuerlangen. Es war mein Job, selbst in der Halle zu stehen. Dafür musste ich wieder fit werden“, ergänzt Ambs, dem die Bewegung schon immer wichtig war. „Wenn man so will, ist sie ein wichtiger Baustein für meine eigene Genesung.“
Sechs Kursstunden wöchentlich
Vor seiner Zeit als Übungsleiter im Rehasport war Ambs viele Jahre als hauptamtlicher Sportlehrer tätig. „Ich war überall im Einsatz, wo ich gebraucht wurde. Vom Eltern-Kind-Turnen bis zum Seniorensport habe ich das ganze Spektrum abgedeckt und mich zwischendurch regelmäßig fortgebildet, etwa als Rückenschullehrer oder im Onko Walking.“
Das ist eine sanfte und äußerst wirksame und gesundheitsfördernde Sportart für Krebspatient*innen. Sie ist ausgesprochen risikoarm, schont Gelenke und Knochen, beinhaltet nur eine geringe Überlastungsgefahr und ist auch für Untrainierte und Sport-Unerfahrene geeignet. „Wir haben diese sofort im Verein aufgegriffen. Es braucht dafür keine Hallenzeiten, man ist in der Natur und tut sich etwas Gutes“, betont Ambs, der nach seiner Wiedereingliederung 2004 das neue Angebot im Verein etablierte und sich damit zugleich selbst etwas Gutes für die eigene Gesundheit tat. Mit der Zeit kamen immer mehr Angebote hinzu. „Meine Geschäftsführung fragte schließlich bei mir nach, ob ich weitere Lizenzen ablegen möchte. Inzwischen bieten wir neben den Lungengruppen im Bereich der inneren Medizin Rehasport im Bereich Orthopädie, für die Wirbelsäule, Osteoporose und Knie an.“
Durchschnittlich sechs Stunden wöchentlich steht Ambs in der Halle und leitet Sportkurse für Menschen, die nach einer Krebserkrankung oder orthopädischer Problematik wieder aktiv werden und ihr Allgemeinbefinden verbessern möchten. „Die unterschiedlichen Bewegungsangebote können helfen, Krankheitsfolgen besser verträglich zu machen, Müdigkeits- und Erschöpfungszustände zu reduzieren und die Lebensqualität wieder zu erhöhen“, erklärt Ambs. Es gehe in erster Linie um die Förderung von Kraft und Ausdauer, Stärkung der Mobilität und Verbesserung der Koordination.
Als ausgebildeter Übungsleiter nutzt er sein Wissen nicht nur um sich, sondern auch anderen betroffenen Menschen zu helfen, sie zu unterstützen, wo es nötig wird. „Wichtig ist, jeden Menschen individuell zu betrachten. Jeder Teilnehmende hat seine eigene Krankheitsgeschichte und seine eigene Motivation. Der eine ist mobiler als der andere. Ich versuche, auf jeden entsprechend einzugehen.“
Dass Ambs inzwischen selbst Menschen helfen und ihnen aufgrund seiner eigenen Geschichte auch ein guter Ansprechpartner sein kann, erfülle ihn mit großer Freude: „Ich helfe und unterstütze, wo ich kann, bin gern Ansprechpartner und wenn nötig auch mal Seelentröster. Meine Gruppen liegen mir sehr am Herzen, ich weiß, wovon die Menschen reden, was sie bedrückt, und kenne ihre Sorgen. Ich versuche immer ein offenes Ohr zu haben, sei es, wenn sie vor oder nach Operationen das Gespräch suchen, Hilfe bei der Reha- oder Kliniksuche benötigen oder einfach Informationen zu Verordnungen brauchen. Das gibt mir unglaublich viel. Was ich da von den Teilnehmenden zurückbekomme, ist unbeschreiblich.“
Ambs weiß aus Erfahrung: Rehasport ist mehr als nur eine Sportstunde. Für viele ist es zugleich ein Treff, ein fester Termin, der Gelegenheit für Gespräche bietet, Sport mit Gleichgesinnten. „Gerade ältere Menschen ziehen sich nach Erkrankungen zurück. Der wöchentliche Sport bringt sie wieder mit anderen in Kontakt, sorgt für Austausch und Teilhabe in der Gesellschaft.“
Auch deshalb möchte er Menschen unbedingt dazu animieren, sich als Übungsleiter zu engagieren und darüber hinaus Vereine dazu animieren, Rehasport anzubieten. Innerhalb der TSG Reutlingen, die 18 Abteilungen vereint, bieten derzeit sechs Übungsleiter an sechs Tagen in der Woche Rehasport an. Neben Gruppen für Menschen mit orthopädischen Erkrankungen gibt es Lungensport sowie Sport nach Krebs oder Herzsport für Kinder. Die Altersstruktur und Gruppenzusammensetzung sei bunt gemischt. „Zu uns kommen 30-Jährige genauso wie Senioren. Mittlerweile trauen sich auch mehr Männer. Wir merken allerdings immer noch, dass der Rehasport leider oft mit Vorbehalten zu kämpfen hat. Ich weiß allerdings nicht warum”, sagt Ambs, der findet, „dass dies ein Sport wie jeder andere ist, nur eben auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden abgestimmt.” Ans Aufhören denkt er daher so schnell nicht. Für ihn steht fest: „Solange ich kann und fit bin, werde ich meine Kurse anbieten. Ich kann nur jedem ans Herz legen, vorbeizukommen.“
Weitere Infos zum Rehabilitationssport und der Kampagne "Rehasport ist für mich..." finden Sie hier.
Quelle: Stefanie Bücheler-Sandmeier