Aktuelles aus dem Bereich Sportentwicklung
Rehasport ist für mich die Heilkraft der Bewegung
Silke Guercke hat lange auf diesen 25. November hingearbeitet – und hin gefiebert. „Ein Reha-Herzsportkurs speziell für Kinder und Jugendliche war bereits vor Monaten unser großes Ziel. Dass nun endlich der Startschuss fällt, freut mich wirklich sehr“, sagt die Übungsleiterin und Gesundheitssport-Koordinatorin im ASC Göttingen.
Passend zu den bundesweiten Herzsportwochen im Monat November startet der Verein einen neuen Rehasportangebot Herz- und Bluthochdruck, der jungen Menschen einmal wöchentlich die Möglichkeit bietet, mit Hilfe von Sport ihre Gesundheit zu fördern. Angesprochen sind Kinder und Jugendliche mit angeborenem Herzfehler oder Adipositas, die in Folge ihres Übergewichts Herzprobleme bekommen haben. „Wir stellen einen zunehmenden Bedarf an Rehasportangeboten auch für die Kleinsten fest und reagieren damit auf die besorgniserregenden Zahlen, dass zu viele Kinder bereits im Grundschulalter an Adipositas erkranken und damit einhergehend häufig mit Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck oder zu hohen Cholesterinwerten zu kämpfen haben“, erklärt Guercke. „Dem wollen wir mit körperlicher Bewegung entgegenwirken. Unser Ziel ist es, Kinder in Bewegung zu bekommen und zu halten. Und was noch wichtiger ist: ihnen klar machen, wie lebensnotwendig es ist, dass sie selbst etwas für ihre Gesundheit tun.“
In der Kindheit und Jugend würden entscheidende Weichen für das spätere Leben gestellt. Beeinträchtigungen oder chronische Erkrankungen können in dieser frühen Lebensphase bereits zu vielfältigen Teilhabeeinschränkungen führen. Umso wichtiger sei es, frühzeitig und gezielt Angebote für betroffene Kinder und Jugendliche zu schaffen. Vor zwei Jahren hat sich der mit über 12.000 Mitgliedern größte und älteste Breitensportverein Niedersachsens daher für den Kinderherzsport zertifizieren lassen. „Seitdem gehen wir aktiv auf Kinderärzte zu, überlegen und entwickeln Ideen, wie wir Herzsport für Jüngere attraktiver machen können. Es gibt so viele – insbesondere – junge Menschen, die ein spezielles Angebot bräuchten, aber nicht zuletzt abgeschreckt werden von den Gruppen vorrangig für Menschen 70+, die im Rahmen der Vereinbarung und Verordnung initiiert werden“, betont die 57-Jährige.
Für ihr Team ist diese Art Versorgungslücke Ansporn und Herzensangelegenheit zugleich. Insgesamt 77 Gruppen bietet allein die Sparte Gesundheitssport im Göttinger Verein – und deckt von Rehasport über Funktionstraining, Herz- und Lungensport im Erwachsenenbereich ein breites Spektrum ab. Für die Kleinsten aber fehlte bis dato ein spezifisches Herzsportangebot.
Die Übungsleiterin hat in den vergangenen Monaten viel Zeit investiert, damit aus der Idee Wirklichkeit wurde – und hat sich nicht abschrecken lassen von bürokratischen Hürden, teils fehlendem Wissen und strukturellen Schwierigkeiten. „Wenn wir von Kindern und Jugendlichen sprechen ist die Altersspanne natürlich sehr groß. Diese Schere erschwert ein gemeinsames Sporttreiben und die Gruppenbildung“, erklärt Guercke, der es wichtig ist, Kindern auch die Freude an Bewegung zu vermitteln und allen Interessierten bestenfalls ein Sportangebot zu machen. Losgelöst von Kursen öffnet der ASC Göttingen beispielsweise im Rahmen seiner „Weekend Specials“ regelmäßig seine Hallen – und lädt unter anderem zu einer Turnzeit für Kinder mit speziellem Herzen an.
„Ich glaube an die Heilkraft der Bewegung. Sie ist für die Menschen gut. Ich habe viele Leute gesehen, die durch Bewegung wieder fit und gesund geworden sind, und ich finde faszinierend, was Bewegung leisten kann, körperlich und seelisch“, sagt Guercke. Auch deshalb setzt sie sich energisch für kindgerechte Angebote ein.
Häufig wüssten Familien nicht, welche Fördermöglichkeiten es für ihre Kinder im Sport gibt. Sie sitzen dann zuhause, statt sich zu bewegen. Das sorgt noch zusätzlich für Einsamkeit. „Dabei ist der Rehasport eine Chance, Sport zu treiben.“
In einer vergleichsweise kleinen Gruppe können zertifizierte Übungsleiter*innen gezielt auf die jungen Sportler*innen und deren Bedürfnissen eingehen. Begleitet wird die 60-minütige Einheit von einem Arzt. Die Kinder dürfen sich ausprobieren – ganz ohne Leistungsdruck oder Gruppenzwang. Im Regelsport, wo eher der Leistungsgedanke vorherrscht und viele Kinder zusammentreffen, kann es hingehen zu Überforderung, Frustration und letztlich Ausgrenzung kommen. Die ersten vier Kinder starten am 25. November. „Ich bin total gespannt, wie es anläuft und hoffe sehr, dass sich unser Angebot rumspricht und weitere Interessenten anlockt.“
Im Fokus steht dabei die Förderung der motorischen Entwicklung, die Stärkung des Selbstwertgefühls der Kinder und Jugendlichen sowie die Schaffung bestmöglicher Voraussetzungen für den Alltag, für die Schule und den späteren Beruf. Der Sport fördert die Körperwahrnehmung, hilft Bewegungsabläufe zu erlernen. Die Kinder gewinnen Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, die Integration in eine Gruppe sorgt überdies für ein Gemeinschaftsgefühl, die regelmäßigen Kursstunden geben der Woche Struktur. „Wir erleben noch zu häufig, dass die Menschen unsere Angebote nicht kennen oder ihnen der Wille fehlt, ihre Kinder regelmäßig zum Sport zu fahren. Dazu kommen Ärzte, die aus Unwissenheit nicht die richtigen Verordnungen ausstellen oder sich verweigern. Nach dem Motto: Das braucht das Kind nicht“, schildert Guercke ihre Erfahrungen. Umso wichtiger sei es, zu informieren.
Der ASC pflegt inzwischen einen guten Kontakt und Austausch mit einem Kinderkardiologen, der sich in einer Schwerpunktpraxis in Göttingen niedergelassen hat und den Verein unterstützen möchte. „Netzwerke wie diese sind wichtig. Als Verein sind wir ein Stück weit darauf angewiesen, dass uns Ärzte oder Kliniken junge Patient*innen schicken. Insofern werden wir nicht müde, für unsere Angebote zu werben“, verspricht die 57-Jährige, „und werden versuchen, auf allem Wegen auf uns aufmerksam machen“
Weitere Infos zum Rehabilitationssport und der Kampagne "Rehasport ist für mich..." finden Sie hier.
Quelle: Stefanie Bücheler-Sandmeier