Aktuelles aus Vancouver 2010
Ziel in Vancouver: Ein kompletter Medaillensatz
Fast schon zu gut im Hinblick auf die dadurch gesteigerte Erwartungshaltung sind die Athleten von Werner Nauber beim Weltcup in Sjusjoen (Norwegen) im Dezember in die Paralympic-Saison gestartet. Positiver Nebeneffekt für den Bundestrainer: für die Paralympischen Spiele vom 12. bis 21. März in Kanada herrscht für vier seiner Sportler durch ihre Treppchenplätze bereits absolute Klarheit über die Qualifikation, zwei weitere sind nahe dran.
Beinahe sensationell zu nennen war in Norwegen der Widereinstand der im letzten Jahr nach einem schweren Sturz mit fatalen Folgen international nicht gestarteten Verena Bentele. Vier Starts, vier teilweise mit großem Vorsprung, vor der fast komplett versammelten Weltelite errungene Siege, - so kann, muss es aber nicht weitergehen, warnt der erfahrene Coach. Freuen über die Leistungen seiner blinden Läuferin an der Seite ihres neuen Guides Thomas Friedrich durfte er sich dennoch. Und der Knoten sei dabei in Sjusjoen bereits im ersten Rennen geplatzt, meinte Werner Nauber. „Vor dem 15 Kilometer-Wettbewerb in der von ihr zuletzt nicht so geliebten klassischen Technik war Verena selbst noch sehr skeptisch. Zusammen mit Thomas Friedrich, der endlich wieder einmal ein guter Begleiter auch in dieser Stilart ist, konnten wir sie aber zu einem Start überzeugen und nach ihrem Sieg mit großem Vorsprung war sie selbst so glücklich wie zuletzt nicht mehr. Und dann ist alles fast wie von selbst gelaufen."
Einen ähnlichen Effekt durch einen Wechsel des Begleitläufers hat der Bundestrainer bei Willi Brem ausgemacht. „Seine Technik hat sich hinter Florian Grimm deutlich verbessert", spricht Nauber von einem in der letzten Saison sichtbaren Rückfall in alte Verhaltensmuster bei dem Freiburger nach einigen Stürzen, der zudem bei der letzten Weltmeisterschaft in Vuokatti mit Verletzungspech zu kämpfen hatte. Mit einem Weltcupsieg in seiner einstigen Paradedisziplin Biathlon meldete sich der Blinde jetzt wieder eindrucksvoll zurück.
Die automatische Qualifikation für Vancouver durch einen Podestplatz im Weltcup sicherte sich in Sjusjoen auch Josef Giesen (Herzlake). Der Contergangeschädigte hat auch vor der neuen Saison an seiner Schießtechnik gearbeitet und mit einer Augenlaserung auch möglichen Behinderungen durch schlechte Sichtverhältnisse vorgebeugt. Im Sprint ließ er einmal mehr die komplette Konkurrenz hinter sich und kann sich daher jetzt in aller Ruhe, ebenso wie Frank Höfle auf Vancouver vorbereiten. Der Routinier aus Isny, immer noch Deutschlands erfolgreichster Behinderten-Skiläufer, machte mit einem dritten Platz das Ticket für Vancouver perfekt. Seit einigen Jahren konzentriert sich der Sehbehinderte ausschließlich auf die Langläufe und hat es dabei neben seinem Dauerkonkurrenten Brian McKeever mit immer stärker werdender Konkurrenz aus Osteuropa zu tun.
Doch keiner seiner Athleten müsse sich bei weiter steigendem Niveau verstecken, so Werner Nauber, der seine Vancouver-Kandidaten Anfang Januar bei einem Lehrgang in Oberwiesenthal wieder leistungsdiagnostisch auf Herz und Nieren prüfen ließ. „Die Werte sind besser als die vor den Spielen 2006 in Turin", konnte Nauber feststellen und attestiert allen seinen Kadersportlern daher "in der Vorbereitung immer voll mitgezogen zu haben; auch unsere berufstätigen Athleten haben sich wieder voll reingehängt." Aktuell sei man daher auf einem guten Weg, "jetzt kommt die Präzisionsarbeit. Und dann muss ich auch noch hoffen, dass alle gesund bleiben, dann kann es mit dem angestrebten kompletten Medaillensatz in Vancouver auch klappen." Damit hat der Bundestrainer die Vorgabe etwas höher gesteckt als vor der WM 2009 in Vuokatti, als "nur" dreimal Edelmetall gleich welcher Farbe angestrebt worden waren.
Zu einem Erfolg bei den Spielen in Kanada beitragen sollen noch weitere Athleten, die ihre Nominierung derzeit noch nicht ganz sicher haben. So Ex-Weltmeister Thomas Oelsner, den beim Auftakt-Weltcup in Norwegen nur großes Pech an einem Spitzenplatz hinderte. Im Biathlon legte er zwar die fünftbeste Laufzeit hin, zielte aber wegen eines Gewehrfehlers gleich 20 Mal daneben. Bei den anstehenden Weltcup-Rennen in Bessans und Oberried sollten aber die geforderten zwei Platzierungen unter den besten Sechs für Oelsner, der nach Vancouver seine internationale Karriere beenden wird, kein Problem sein.
Zumindest im nordischen Skisport noch ganz am Anfang steht dagegen mit Andrea Eskau eine weitere Kandidatin. Die Handbike-Paralympicsiegerin und -Weltmeisterin sorgte mit den Plätzen acht, sechs und vier bei ihrem Einstand bei den Frauen-Schlittenrennen in Norwegen schon für Aufsehen, hatte aber den für eine Nominierung geforderten maximalen Zeitrückstand von fünf Prozent auf Rang drei knapp verfehlt. Auch der 38-Jährigen rechnet Werner Neuber aber gute Chancen ein, das Versäumte schnell nachzuholen.
Endgültig als Wachsspezialist und nicht als Starter, wird bei den Rennen in Whistler dagegen Walter Kuß zum deutschen nordischen Paralympic-Team zählen. „Wir haben es einmal versucht", kommentierte Nauber die Einsätze des Schwarzwälders in Sjusjoen, die aber nicht den erhofften Erfolg hatten. Abzuwarten bleibt, wie das nächste, ähnlich gelagerte Experiment in Bessans ausgehen wird. Dann geht mit dem Nordschwarzwälder Tino Uhlig ebenfalls ein weiterer Läufer an den Start, der auch auf einen Platz im Team für Kanada hofft.
Ähnliches gilt schließlich für den jungen Schlittenfahrer Martin Fleig. Der Freiburger gilt als Faustpfand der Zukunft auch im Hinblick auf die Staffel, war jedoch bei der WM 2009, seinem ersten großen internationalen Einsatz, dem Druck noch nicht gewachsen. "Es nutzt mir nichts, solch einen jungen Mann zu verheizen, aber auch Martin hat natürlich seine Qualifikationschance", so Werner Nauber.
Steht im Februar die endgültige Besetzung der nordischen Skimannschaft für die Paralympics fest, wird die unmittelbare Vorbereitung für die auserwählten Sportler bei einem neuntägigen Lehrgang in Toblach erfolgen. Von dort geht es am 2. März zur offiziellen Verabschiedung nach München. Am 8. März startet das Flugzeug über den großen Teich in Richtung Kanada; am 13. März steht der erste Wettkampf bei den nordischen Skisportlern auf dem Programm. Nauber: „Auf diesen Tag arbeiten wir konzentriert hin, und wir sind voll im Plan.“