Aktuelles von den Paralympics
Paralympics 2012 – Was denkt Deutschland?
Interview-Serie zu den Paralympischen Spiele 2012 in London.
In genau 100 Tagen beginnen in London die größten Paralympischen Spiele aller Zeiten. Vom 29. August bis zum 9. September wird die Welt ein großartiges Sportereignis erleben, welches das Image der kleinen Schwester der Olympischen Spiele längst abgelegt hat. Wie sieht es in Deutschland aus? Wie werden die Paralympics in unserer Gesellschaft wahrgenommen? Welchen Stellenwert nehmen Sie ein?
Wir haben Prominente aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur und nach ihrer Meinung zu den Paralympics in London und zum Behindertensport in Deutschland befragt.
In den nächsten Wochen bis zum Start der Paralympics, werden wir jeden Montag ein neues Interview veröffentlichen. Ein „paralympischer Start in die Woche“ für alle, die die Vorfreude auf die Paralympics mit uns teilen und sich sportlich auf die Woche einstimmen möchten. Lesen Sie heute das erste Interview mit dem Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich.
Dr. Hans-Peter Friedrich ist als Bundesinnenminister zugleich „Sportminister der Bundesrepublik Deutschland“. Die Paralympischen Spielen in London wird er in der Zeit vom 29. bis 31. August besuchen und dabei u.a. die Eröffnungsfeier der Paralympics im Olympiastadtion verfolgen.
Unmittelbar nach den Olympischen Spielen finden in London die Paralympischen Spiele statt. Sie stehen immer noch im Schatten des spektakulären Medien-Großereignisses. Welche Bedeutung hat dieses Ereignis für Sie?
Für mich sind die Paralympischen Spiele ebenso bedeutend wie die Olympischen Spiele. Daher werde ich Wettkämpfe beider Sportgroßereignisse besuchen. Ich freue mich schon sehr auf das Eröffnungsspiel der deutschen Rollstuhlbasketballerinnen gegen die USA. Es findet am 31. August in der Londoner Basketballarena statt. Insgesamt erwartet die deutsche Olympiamannschaft ein harter internationaler Konkurrenzkampf.
Bei der Sportförderung macht die Bundesregierung im Übrigen keinen Unterschied: Das Leistungssportpersonal und die Sportjahresplanungen der Behinderten-Sportverbände werden ebenso unterstützt wie die olympischen Spitzensportfachverbände.
Sie werden die Paralympischen Spiele für einige Tage besuchen. Werden Sie die weiteren Wettkämpfe und Ergebnisse im Fernsehen verfolgen?
Ich freue mich, dass die öffentlich-rechtlichen Sender mittlerweile auch viele Wettkämpfe der Paralympics übertragen. Das erhöht die Aufmerksamkeit auch für die sportlichen Leistungen von Menschen mit Behinderungen. Ganz bestimmt werde ich, wenn ich aus London wieder zurück bin, die eine oder andere Live-Übertragung der Wettkämpfe im Fernsehen ansehen.
Als Sportminister der Bundesrepublik Deutschland haben Sie die Möglichkeit, bei sportlichen Großereignissen deutsche Athletinnen und Athleten sowie Mannschaften anzufeuern. Können Sie während der Wettkämpfe die Alltagspolitik ausblenden und die Atmosphäre genießen?
(lacht) Es ist auf jeden Fall eine der angenehmeren Seiten des Amts, als Innenminister auch Sportminister zu sein. Ich schaue gern bei unseren Sportlern vorbei, jubele bei ihren Siegen und ärgere mich über Niederlagen, oder bin enttäuscht. Da kann ich dann schon auch vom politischen Tagesgeschäft abschalten.
Wie kann die öffentliche Aufmerksamkeit für den Sport von Menschen mit Behinderung gesteigert werden? Was könnten Sie selbst dazu beitragen?
Sport lebt von prominenten Vorbildern. Denken Sie an Verena Bentele, die als blinde Biathlethin ein Star wurde und dadurch dem Behindertensport sehr geholfen hat. Um neue Vorbilder bekannt zu machen, hat das BMI gemeinsam mit dem UN-Sonderberater für Frieden und Entwicklung, Willi Lemke, die Schirmherrschaft für das Filmkonzept „Projekt GOLD“ übernommen. Der Film soll die Lebensgeschichte von drei Athleten der Londoner Paralympics erzählen. Der Regisseur begleitet die deutsche Schwimmerin Kirsten Bruhn, den kenianischen Marathonläufer Henry Wanyoike und den australischen Rollstuhlfahrer Kurt Fearnley bei ihren Vorbereitungen und bei den Wettkämpfen. Eine wunderbare Idee. Der Film soll im Frühjahr 2013 in die Kinos kommen.
Auch der Fair Play Preis zeichnet sportliche Vorbilder aus. Im vergangenen Jahr wurde der Preis nicht ohne Grund an die unterschenkelamputierte Sportlerin Katrin Green vergeben: Bei der Leichtathletik Weltmeisterschaft der Menschen mit Behinderung in Neuseeland wurden die Spikes der französischen Favoritin Marie Amelie LeFur vom Kampfrichter als zu breit befunden. Green hat sich dafür eingesetzt, dass die Französin nach langem hin und her doch mit ihren Spikes laufen durfte. LeFur gewann am Ende die Goldmedaille, Green dagegen nur Silber. Mit ihrer sportlichen Fairness hat sie Maßstäbe gesetzt, auch für unsere Gesellschaft.
Das große Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention heißt Inklusion. Ein weithin unbekannter Begriff. Wie kann er mit Inhalt und mit Leben erfüllt werden?
Sie haben Recht: der Begriff ist noch ziemlich neu. Ging es bislang darum, dass sich Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft integrieren, also sich so gut wie möglich mit ihren Nachteilen arrangieren, ändert sich jetzt die Blickrichtung. Die gesamte Gesellschaft ist gefordert, um den behinderten Menschen nicht nur ein gleichberechtigtes, sondern auch ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Sie brauchen bessere Zugänge zu öffentlichen Räumen und Verkehrsmitteln, sie brauchen bessere Arbeitsbedingungen und mehr Freizeitangebote, auch im sportlichen Bereich. Um diese Ziele zu erreichen, gibt es den Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK). Die konkrete Ausgestaltung wird bei der 5. UNESCO Weltsportministerkonferenz im kommenden Jahr in Berlin diskutiert.