Aktuelles von den Paralympics
Die Strapazen in Sotschi vergolden
Monoski-Fahrerin Anna Schaffelhuber möchte bei den Paralympics auf dem Treppchen ganz nach oben
Im Sommer 2013 brauchte Anna Schaffelhuber eine Auszeit. Hinter ihr lag eine kräftezehrende Saison auf dem Monoski, anschließend musste die 21-Jährige aus Bayerbach bei Landshut mächtig für ihr Jura-Studium pauken. Nach der letzten Klausur ging es mit Rucksack und Rollstuhl für fünf Wochen ab nach Australien. Den Kopf freibekommen. Denn die Paralympics-Saison steht vor der Tür. Und es sollen ihre Spiele werden.
Dass Anna Schaffelhuber in Sotschi auf dem Monoski zu Deutschlands großen Medaillenhoffnungen zählen wird, daran ist Gerda Palmer nicht ganz unschuldig. Denn die Überredungskünste der mehrfachen Paralympics-Siegerin haben 2007 gefruchtet. Dabei startete Schaffelhuber, die mit einer inkompletten Querschnittslähmung auf die Welt kam, schon 1998 mit fünf Jahren ihre ersten Versuche auf dem Monoski und wirbelte mit diesem fortan geschickt über die Pisten. „Anfangs habe ich mich ein bisschen gegen den Leistungssport gewehrt“, schmunzelt die 21-Jährige. Dann aber wagte sie den Schritt in den Junioren-Kader des Deutschen Paralympischen Skiteams. „Und ich habe gemerkt, dass ich durchaus mithalten konnte.“ Der Ehrgeiz war geweckt. Es folgte ein steiler Aufstieg.
Zählte Schaffelhuber vor vier Jahren bei ihrer Paralympics-Premiere in Vancouver noch zu den Nobodys, gehört sie in Sotschi zu den heißen Medaillenanwärterinnen in der Klasse der Sitzenden. „Damals hat keiner etwas von mir erwartet, diesmal ist es eine völlig andere Situation“, sagt die schnelle Monoski-Fahrerin vom TSV Bayerbach. Dreimal in Folge lag sie in der Gesamtwertung des Europa- und Weltcups ganz vorne und auch in dieser Saison präsentiert sich Schaffelhuber in bestechender Form. Acht Siege in den ersten zehn Rennen, dazu zwei zweite Plätze – eine beeindruckende Bilanz.
„Ich bin sehr zufrieden und noch etwas schneller unterwegs als in den Vorjahren“, erklärt Schaffelhuber und ergänzt selbstbewusst: „Ich fahre zu den Spielen nicht mit dem Ziel, Silber zu holen.“ Eine Kampfansage an die Konkurrenz, die vor allem aus Österreich und den USA sowie mit Anna-Lena Forster auch aus dem eigenen Team kommt. Gleich fünfmal kann die 21-Jährige Gold ins Visier nehmen, denn sie geht in allen Disziplinen an den Start. „Die größten Chancen rechne ich mir im Slalom aus“, betont die frischgebackene Behindertensportlerin des Jahres 2013. Doch sie weiß: „An einem paralympischen Tag muss einfach alles passen: die Verhältnisse, der Kurs, die Form und natürlich die eigenen Nerven.“
Die Rolle der Favoritin kann sie kaum von sich weisen. Es sei nicht einfach, mit dieser Erwartungshaltung umzugehen. Nicht verrückt machen und auf die eigene Leistung konzentrieren, so lautet die Devise. Tipps holt sie sich bei Martin Braxenthaler, der in Vancouver dreimal ganz oben auf dem Treppchen stand. Nun werden von ihr Medaillen erwartet. „Mein primäres Ziel ist es, meine beste Leistung abzuliefern. Gelingt mir das, bin ich zufrieden. Wenn dabei noch eine Medaille oder hoffentlich sogar Gold herausspringt, bin ich umso glücklicher“, sagt Schaffelhuber.
Trotz des Drucks steigt neben der Anspannung auch die Vorfreude. Die Spiele rücken näher. Sotschi steht über allem. „Vier Jahre habe ich auf dieses Ziel hingearbeitet. Jetzt wird es Zeit, dass es endlich los geht“, betont die Bayerbacherin. Die Generalprobe auf dem Paralympics-Hang in der Vorsaison ist geglückt. Dreimal fuhr Schaffelhuber als Schnellste durchs Ziel.
„Die Piste liegt mir, auch wenn sie eine Herausforderung ist.“ Das hänge weniger mit dem Gefälle zusammen als mit dem weichen Schnee und dem unruhigen Verlauf. „Die Bedingungen sind sehr speziell durch die ungewohnt hohen Temperaturen. Im Zielraum konnten wir uns vergangenes Jahr im T-Shirt aufhalten. Es ist eine andere Welt“, berichtet Schaffelhuber.
Eine Welt, auf die sich die 21-Jährige freut – trotz des faden Beigeschmacks angesichts der politischen Situation in Russland. „Ich habe aber keine größeren Bedenken bezüglich der Sicherheit und bin davon überzeugt, dass Russland für schöne Spiele sorgen wird. Sotschi wird bestimmt ein Highlight.“
Vor allem dann, wenn sich die Jura-Studentin ihre Strapazen der vergangenen Jahre vergoldet. In der Winter-Vorbereitung verbringt sie knapp 30 Stunden pro Woche auf der Piste oder bei Kraft- und Konditionseinheiten. „Studentin bin ich eher nebenberuflich“, schmunzelt Schaffelhuber. Es erfordere viel Selbstdisziplin und ein gutes Zeitmanagement, um Sport und Uni unter einen Hut zu bekommen.
Und wenn sich die Monoski-Fahrerin bei den Paralympics ihren Gold-Traum erfüllt? Rückt dann das Studium mehr in den Fokus? Im Sport hätte sie mit 21 Jahren jedenfalls alles erreicht: Mehrfache Gesamtsiegerin im Welt- und Europacup, zahlreiche WM-Medaillen, zweimal Behindertensportlerin des Jahres – und eben auch paralympisches Gold. Mehr ginge eigentlich nicht. „Solche Zukunftspläne kann ich nach Sotschi schmieden, sollte ich es wirklich auf dem Treppchen nach ganz oben schaffen“, sagt Anna Schaffelhuber und ergänzt grinsend: „Aber dann gilt es wohl, die Bestleistungen in den nächsten Jahren zu toppen.“