Aktuelles aus dem Behindertensport

DBS will bei Regelwerken mitentscheiden

Sportpolitischer Frühstart des DLV stößt auf Widerspruch

Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) will an Regeln für gemeinsame Wettkämpfe von nichtbehinderten und behinderten Sportlern beteiligt werden. Nachdem der Deutsche Leichtathletikverband (DLV) einen Alleingang unternommen hatte, erklärte der Vizepräsident Leistungssport des DBS, Karl Quade, am Montag in Köln: „Wir hätten vom DLV erwartet, dass er uns an Beratungen über eine Regeländerung beteiligt und unsere Standpunkte in seine Meinungsbildung einbezieht.“

Der DLV strebt eine einschneidende Regeländerung für Athletinnen und Athleten mit Handicaps an,  die in der Leichtathletik technische Hilfsmittel benötigen. Künftig solle es keine gemeinsamen Wertungen mit nichtbehinderten Sportler mehr geben, berichte Spiegel online. Einen Beschluss der Regelkommission des DLV bestätigte Verbandspräsident Clemens Prokop und erläuterte im Gespräch mit dpa: „Es geht nicht um einen Ausschluss von behinderten Athleten, sondern um eine klare Trennung in der Wertung.“ Das entspreche den Differenzierungen im Behindertensport selbst, wo es unterschiedliche Schadensklassen gebe.

Als erster Sportler mit Behinderung kommentierte der Paralympics-Goldmedaillengewinner Heinrich Popow den überraschenden DLV-Beschluss empört: „Sollte der DLV den gemeinsamen Sport von  Menschen mit oder ohne Behinderung aktiv verhindern, ist das ein Skandal und weit entfernt von der Lebenswirklichkeit und dem Sport.“ Der DLV zementiere damit eine „Spaltung des Sports“ und zerstöre die Vorbildfunktion der Leichtathletik für die Gesellschaft insgesamt, sagte Popow.

Der DBS kritisierte das Verfahren und den Umgang mit dem benachbarten Fachverband. Der DLV zwar autonom in seinen Entscheidungen, aber unter dem gemeinsamen Dach des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) müssten sich die Spitzenverbände bei so weitreichenden Fachfragen partnerschaftlich abstimmen „und nicht mit voreiligen Veröffentlichungen Frühstarts hervorrufen, mit denen andere Beteiligte benachteiligt werden“, sagte Vizepräsident Quade.

Zu den vom DLV angestrebten Regeländerungen für Athleten und Athletinnen mit Handicaps will sich Quade, der bei den Paralympics 2012 in London Chef de Mission der deutschen Mannschaft war, vorerst nicht äußern. „Es gibt teilweise komplizierte offene Fragen zu klären, und das wollen wir gemeinsam tun, bevor wir damit an die Öffentlichkeit gehen“, sagte er. „Sportpolitische Alleingänge sind schädlich, wir müssen aufeinander zugehen und miteinander reden“, sagte der DBS-Vizepräsident.

Der DBS bleibt bei seinem Anspruch, dass Menschen mit Behinderungen und Nichtbehinderte gemeinsam Sport treiben. Damit erfüllt er den Gedanken der Inklusion, also der gleichberechtigten Teilhabe Behinderter und Nichtbehinderter am Alltagsleben, wie er in der UN-Behindertenrechtskonvention gefordert wird. Das gilt auch für sportliche Wettkämpfe einschließlich im Leistungs- und Spitzensport. Die Diskussion über zweifellos notwendige Regulierungen darf jedenfalls nicht zum Nachteil des Behindertensports geführt werden.