Aktuelles aus dem Behindertensport
Technik-Doping - hässlicher Kampfbegriff
In der Öffentlichkeit wird diskutiert, ob der Läufer Oscar Pistorius bei den Paralympics und den Olympischen Spielen starten darf. Hintergrund ist der Verdacht, dass er sich mit seinen Carbon-Prothesen durch „Technik-Doping“ einen Vorteil verschaffe. „Ein hässlicher Kampfbegriff und ein absurder Gedanke“, meint der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), Friedhelm Julius Beucher, der hierzu in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen Beitrag veröffentlichte, den wir leicht bearbeitet wiedergeben.
Der Start von Oscar Pistorius bei den Olympischen Spielen war keine Frage der Gerechtigkeit, sondern eine des Regelwerks. Wenn jemand Leistungen erbringt, die ihn zu einem Wettbewerb qualifizieren, etwa die Olympianorm, muss man ihn starten lassen. Und wenn ihm die beiden Unterschenkel amputiert sind und sich an ihrer Stelle Prothesen befinden, ist das kein unerlaubtes Hilfsmittel, sondern ein Ersatz der Beine. Oscar Pistorius kann ja schlecht auf seinen Beinstümpfen laufen oder auf allen Vieren kriechen. Der Internationale Sportgerichtshof Cas hatte entschieden, dass die Prothesen dem Läufer keinen Vorteil verschaffen. 400 Meter werden ja nicht auf einer Geraden ausgetragen, wie es seinerzeit das Gutachten des Verbandes unterstellte, sondern die Runde durchs Stadion hat zwei Kurven. Hier liegt der Nachteil: Der menschliche Fuß ist der Prothese weit überlegen. Es gibt einfach keine Prothese, die die Beweglichkeit und Stabilität eines Fußgelenks hat.
Wir müssen gar keine Inklusionsdebatte anfangen: Im Fall Pistorius geht es allein um den Respekt vor seiner großartigen Leistung. Der Mann hat sich auf zwei Prothesen für die Weltmeisterschaft und die Olympischen Spiele qualifiziert. Oscar Pistorius war nicht der erste Sportler mit Handicap, der bei Olympia startete. Vor ihm gab es schon Bogenschützen im Rollstuhl und eine sehbehinderte Läuferin. Aber gerade seine Wirkung in der Öffentlichkeit und seine Erfolge machen jedem deutlich, zu welchen Leistungen Menschen mit Behinderung in der Lage sind. Seine Bestzeit über hundert Meter von 10,71 ist weniger als eine Sekunde von den Zeiten entfernt, die Weltklasseläufer mit zwei Beinen laufen. Die Bestzeit von Heinrich Popow, der mit einer einzigen Beinprothese laufen muss, steht bei 12,66. Solche Athleten müssen wir unterstützen, nicht behindern und bekämpfen.
Wenn im Regelwerk von Sportverbänden der Einsatz von Prothesen verboten wird, ist das eine Diskriminierung. Man schließt einen Menschen mit Behinderung aus. Ebenso ist es, wenn man gegen besseres Wissen festlegt, dass eine Prothese ein unerlaubtes Hilfsmittel sei. Für mich gehört Oscar Pistorius zu den Paralympischen ebenso wie zu den Olympischen Spielen; möglicherweise als Vorkämpfer für die Inklusion, vielleicht als Vorbild für andere. Auf alle Fälle aber als großartiger Athlet.