Aktuelles vom Para Radsport im Deutschen Behindertensportverband
Para Radsport-Team sammelt 21 WM-Medaillen auf Bahn und Straße
Großevent erfolgreich gemeistert: Erstmals fanden im schottischen Glasgow und Umgebung (3. bis 13. August) die Bahnrad-, Mountainbike und Straßenrad-Weltmeisterschaften gleichzeitig als inklusives Event statt. Am letzten Wettkampftag feierte das 21-köpfige deutsche Para Radsport-Team einen Abschlusserfolg: Das Handbike-Trio Annika Zeyen, Vico Merklein und Johannes Herter gewann Silber im Team Relay. Bundestrainer Gregor Lang ist mit der Ausbeute von 21 Medaillen zufrieden und ordnet die Leistungen im internationalen Vergleich ein.
„Silber im Team Relay war ein sehr schöner Abschluss dieser WM. Wir haben mehr Medaillen geholt, als ich vorher gedacht hatte. Fünfmal Gold ist eine großartige Ausbeute. Zudem haben wir viele starke Leistungen gesehen. Insgesamt bin ich sehr zufrieden“, sagte Bundestrainer Lang, der seine erste WM im Amt erlebte. Im Vergleich mit anderen Nationen stehe das Nationalteam gut da: „Wir sind nicht ganz vorne, aber wir sind auf Tuchfühlung mit der Spitze. Andere Teams haben vielleicht etwas mehr in die Waagschale geworfen und sind ein bisschen weiter vorne, allen voran Frankreich, mit den Paralympics 2024 im eigenen Land, aber wir sind dran.“ Dass diese WM im Rahmen einer Radsport-Großveranstaltung stattfand, habe er vor allem auf der Bahn gemerkt: „Im Velodrom haben wir eng und professionell mit dem Bund Deutscher Radfahrer zusammengearbeitet.“ Anderthalb intensive Wochen liegen hinter Lang, den deutschen Athlet*innen und dem Betreuerteam. Er dankte allen für ihren Einsatz, insbesondere bei der logistischen Herausforderung, Räder und Material zwischen den Bahn-Wettbewerben im Sir Chris Hoy Velodrome in Glasgow und dem Austragungsort der Straßen-WM, dem südlich gelegenen Dumfries, hin und her zu transportieren.
Sechs Medaillen hatte das deutsche Team bereits nach den Bahn-Wettkämpfen auf dem Konto. Das Tandem Thomas Ulbricht/Robert Förstemann gewann Silber im Sprint und Bronze über die 1000 Meter. Das Duo knackte über 200 Meter sogar den deutschen Rekord mit einer neuen Bestzeit von 9,85 Sekunden. Pierre Senska (C1) gewann nach einem taktisch hervorragenden Scratch-Rennen die Silbermedaille. Die Leistung einer deutschen Zweiradfahrerin ist besonders bemerkenswert: Zweiradfahrerin Maike Hausberger (28 / Trier / BPRSV Cottbus) drückte dieser WM ihren Stempel auf.
Auf der Bahn gelang es Hausberger, drei Medaillen abzuräumen. Sie wurde Scratch-Weltmeisterin und holte Bronze im Zeitfahren sowie im Omnium (Mehrkampf). Bei der Straßen-WM gewann sie Gold im Zeitfahren und Bronze im Straßenrennen. „Das hätte ich vorher nicht zu träumen gewagt, es war bis zur WM ein turbulentes Jahr“, sagte Hausberger, die auch neue Stärken an sich entdeckt hat: „Ich wusste nicht, dass ich solche Sprinterqualitäten habe. Das motiviert mich noch mehr für die Paralympics in Paris. Die Vorzeichen stehen besser als vor Tokio 2021, weil ich auf der Bahn und auf der Straße besser geworden bin. Und es ist noch Potenzial da“, sagte Hausberger, die sich mit ihrem neuen Coach Markus Wähner auf die Saison vorbereiten wird. Über einen Zeitraum von zwölf Tagen hatte die gebürtige Triererin jeden zweiten Tag einen Wettkampf absolviert. Zunächst ist bei ihr Regeneration angesagt.
17 Athlet*innen vertraten Deutschland bei der Straßen-WM in Dumfries. Für Zweiradfahrer Matthias Schindler (C3) ging der große Traum vom WM-Gold im Zeitfahren in Erfüllung. Viel Arbeit, unter anderem mit alternativen Trainingsmethoden, hatte Schindler investiert. Es ist der erste Weltmeistertitel des 41-Jährigen aus Bayern. Steffen Warias legte im Zeitfahren der C3-Klasse einen starken vierten Platz hin, musste beim Rennen aber krankheitsbedingt passen. Michael Teuber (C1) erweiterte seine Titel- und Medaillensammlung ebenfalls. Teuber wurde Vize-Weltmeister im Zeitfahren und beendete das Straßenrennen als WM-Dritter. „Ich hatte eine sehr gute Vorbereitung und habe gemerkt, dass ich hier in Topform bin“, so der 55-Jährige, der seiner außerordentlich erfolgreichen Karriere jedes Jahr neue Kapitel hinzufügt. „Natürlich würde ich mich mit Blick auf Paris 2024 freuen, noch mal zu Spielen fahren zu können.“ Einen bitteren und schmerzhaften Moment erlebte Teamkollege Senska (C1) im Straßenrennen: Im Zielsprint um den dritten Platz stieß ihn ein Konkurrent zu Boden. Senska krachte in die Bande – und musste anschließend im Krankenhaus behandelt werden. Er trug sein demoliertes Rad über die Ziellinie und wurde als Fünfter gewertet. Kerstin Brachtendorf belegte in der Klasse C5 zweimal den vierten Rang. Die deutsche C4-Fahrerin Vanessa Laws fuhr auf die Plätze sechs und acht. Thomas Schäfer (C4) wurde zweimal Neunter.
Überragende Leistungen zeigten auch die Handbiker*innen und Dreiradfahrer*innen. Annika Zeyen (H3) wurde Vize-Weltmeisterin im Zeitfahren und verteidigte zwei Tage danach ihren WM-Titel im Straßenrennen. Diesen Titel widmete die 38-Jährige ihrem kürzlich verstorbenen Trainer Alois Gmeiner. Andrea Eskau (H5), die nach längerer Verletzungspause seit dieser Saison wieder mit von der Partie ist, setzte auch zwei Ausrufezeichen. Sie gewann Silber (Zeitfahren) und Bronze (Straßenrennen). Bei den Männern erkämpfte Vico Merklein (H3) sich nach einem starken Zielsprint die Bronzemedaille im Straßenrennen. Zeyen, Merklein und Johannes Herter holten zum Abschluss Silber im Team Relay.
Maximilian Jäger ist ein weiterer Athlet, der für Furore sorgte und sich bei der internationalen Konkurrenz längst einen Namen gemacht hat. Der 23-Jährige ist neuer Zeitfahr-Weltmeister und sicherte sich die Bronzemedaille im Straßenrennen. „Das war bislang ein richtig gutes Jahr für mich. Sportlich lief die Weltcup-Saison schon sehr gut. Die WM mit zwei Medaillen rundet das gut ab.“ Jäger hat zudem sein Fachabitur bestanden und freut sich nun auf die in Rotterdam stattfindende Para Radsport-EM (16. bis 20. August). „Die Europameisterschaften sind für mich die Kirsche auf der Torte.“ Auch die Frauen überzeugten auf dem Dreirad: Angelika Dreock-Käser gewann Bronze im Zeitfahren und wurde Vierte im Straßenrennen. Jana Majunke schloss das Straßenrennen als WM-Dritte ab. Für Dreiradfahrer Benno Schmidt war der WM-Traum bereits vor dem ersten Start geplatzt. Er konnte nicht klassifiziert werden.
Nach dem zwölften und letzten Wettkampftag auf der Bahn und der Straße bei der Para Radsport-WM in Glasgow und Dumfries hat das deutsche Team von Bundestrainer Gregor Lang fünf Gold-, sieben Silber- und neun Bronzemedaillen auf dem Konto und belegt Rang sechs in der Nationenwertung. Weiter geht‘s mit der Para Radsport-EM in Rotterdam.
Die deutschen Medaillengewinner*innen:
Gold: Maike Hausberger (Bahn; C2 / Scratch & Straße; C2 / Zeitfahren), Maximilian Jäger (Straße; T2 / Zeitfahren), Matthias Schindler (Straße; C3 / Zeitfahren), Annika Zeyen (Straße; H3 / Straßenrennen)
Silber: Thomas Ulbricht/Robert Förstemann (Bahn; Tandem / Sprint), Pierre Senska (Bahn; C1 / Scratch), Annika Zeyen (Straße; H3 / Zeitfahren), Andrea Eskau (Straße; H5 / Zeitfahren), Angelika Dreock-Käser (Straße; T2 / Zeitfahren), Michael Teuber (Straße; C1 / Zeitfahren), Annika Zeyen/Vico Merklein/Johannes Herter (Straße, Handbike Team Relay)
Bronze: Thomas Ulbricht/Robert Förstemann (Bahn; Tandem / 1000 Meter), Maike Hausberger (Bahn; C2 / Omnium & Bahn; C2 / Zeitfahren & Straße; C2 / Straßenrennen), Maximilian Jäger (Straße; T2 / Straßenrennen), Jana Majunke (Straße; T2 / Straßenrennen), Vico Merklein (Straße; H3 / Straßenrennen), Andrea Eskau (Straße; H5 / Straßenrennen), Michael Teuber (Straße; C1 / Straßenrennen)
Der deutsche Kader für die Para Radsport-WM:
Bahn: Fabian Döring (37 / Freiburg / RV Concordia Reute), Maike Hausberger (28 / Trier / BPRSV Cottbus), Jakob Klinge (26 / Erlangen / RC Herpersdorf), Manuel Korber (34 / Mallersdorf / BSV München), Vanessa Laws (19 / Ludwigsfelde / BPRSV Cottbus), Thomas Schäfer (42 / Wernigerode / BPRSV Cottbus), Pierre Senska (35 / Berlin / BPRSV Cottbus), Thomas Ulbricht (38 / Salzwedel / PSC Berlin)
Straße: Kerstin Brachtendorf (51 / Mending / BRSV Cottbus), Julia Dierkesmann (56 / Merzhausen / GC Nendorf), Angelika Dreock-Käser (47 / Bremervörde / BPRSV Cottbus), Andrea Eskau (52 / Apolda / USC Magdeburg), Maike Hausberger (28 / Trier / BPRSV Cottbus), Johannes Herter (39 / Lemgo / RSV Tempoliema), Maximilian Jäger (23 / Bad Kissingen /BPRSV Cottbus), Vanessa Laws (19 / Ludwigsfelde / BPRSV Cottbus), Jana Majunke (32 / Cottbus / BPRSV Cottbus), Vico Merklein (45 / Berlin / GC Nendorf), Thomas Schäfer (42 / Wernigerode / BPRSV Cottbus), Manuel Scheichl (41 / Rottenmünster / BVS München), Matthias Schindler (41 / Regensburg / RV Union 1886 Nürnberg), Pierre Senska (35 / Berlin / BPRSV Cottbus), Michael Teuber (55 / Tegernsee / BSV München), Steffen Warias (38 / Allschwil / BSV München), Annika Zeyen (38 / Hennef / SSF Bonn)
Text: Jessica Balleer / DBS