Aktuelles vom Para Dressursport
Para Dressursport: Gold und Bronze zum Abschluss der Heim-EM
Auch am letzten Wettkampftag der Europameisterschaften der Para Dressurreiter*innen im westfälischen Riesenbeck wehte erneut mehrfach die deutsche Fahne auf dem Podium: Heidemarie Dresing (Grade II) ritt wie im Einzel ebenso in der Kür zu Gold und setzte ihre Siegesserie in der laufenden Saison fort. Martina Benzinger vollendete ihr erfolgreiches EM-Debüt mit ihrem zweiten individuellen Edelmetall und Bronze in der Kür. Mit insgesamt sieben Medaillen - zweimal Gold, einmal Silber, dreimal Bronze in der Einzelwertung und in der Kür sowie Team-Silber - setzte die deutsche Mannschaft eine "Duftmarke für Paris".
Erfolgreichste der vier deutschen Para Dressurreiterinnen in Riesenbeck war Grade II-Reiterin Heidemarie Dresing aus Rheda-Wiedenbrück mit zwei Goldmedaillen im Einzel und der Teammedaille. Für die 68-Jährige ist bereits mit Gold in der Einzelwertung „ein Traum in Erfüllung gegangen“. Für die Kür zu Filmmusik von Ennio Morricone hatte sie ihre eigene Messlatte hochgelegt. 80 Prozent wolle sie erreichen, hatte sie vorab angekündigt und tatsächlich wurden es 80,353 Prozent – nochmals Gold. Heidemarie Dresing startet seit 2019 für Deutschland bei Championaten, war mehrfach Vierte. Partner ihres Triumphes in Riesenbeck ist der elfjährige Oldenburger Rappwallach Horse24Dooloop (v. Dressage Royal) aus der Zucht von Nadine Plaster, die Pferd und Reiterin auch als Heimtrainerin nach Riesenbeck begleitete. „Ich bin überwältigt, dass es so gut geklappt hat. Obwohl es mir Dooly heute nicht so einfach gemacht hat nach drei Tagen“, sagte Dresing, er sei eher „ein gemütlicher Typ“. Zeit zum Ausspannen bekommt er jetzt, ab morgen dürfte er vier Wochen auf die Weide. Auf den weiteren Plätzen des Grade II landeten die Britin Georgia Wilson (79,367 Prozent) sowie die Norwegerin Ann Cathrin Lübbe, die in diesem Jahr von Grade III in Grade II gewechselt ist (74,540 Prozent).
Zu zweimal Silber – in der Einzelwertung und im Team – kam für Martina Benzinger und ihre Lipizzaner Stute Nautika am letzten Tag noch einmal Edelmetall hinzu. Beginnend mit Musik aus dem Musical Cabaret („Milord“) marschierte die Schimmelstute durch die Prüfung, die in Grade I nur im Schritt geritten wird. „Sie hat sich super angefühlt. Nur dadurch, dass sie durch das Training etwas ruhiger geworden ist, musste ich vor allem in den Schlangenlinien etwas improvisieren, damit es von der Musik her passt“, sagte Benzinger, die wie Dresing an Multipler Sklerose erkrankt ist. „Wir haben hier wesentlich mehr erreicht, als ich erhofft hatte“, so das Fazit ihrer EM-Premiere. Mit 78,347 Prozent musste Martina Benzinger in der Kür nicht nur den Iren Michael Murphy mit Clever Boy (79,887 Prozent) den Vortritt lassen, sondern vor allem auch Sara Morganti mit 81,640 Prozent.
Frank Sinatras „My Way“ war das Motto der Kür der EM-Debütantin Melanie Wienand. Die ehemalige Berufsreiterin aus Osnabrück, die sich nach einem schweren Reitunfall 2011 ins Leben und in den Sattel zurückgekämpft hat, wurde in der Einzelwertung mit Bronze dekoriert. In der Kür hatte sie allerdings mit einer Fliege zu kämpfen, die sich am Genick ihres Lemony’s Loverboy („Flauschi“) festgesetzt hatte. „Ich merkte schon gleich am Anfang, da ist ein kleines Problem. Weil die Fliege aber direkt hinter dem Genick saß, kam ich nicht richtig ran und dabei habe ich mein Pferd irritiert“, sagte sie. Allerdings habe sie auch gemerkt, dass ihr nach der langen Championatswoche generell etwas die Kraft ausgegangen sei. Prinzipiell zog sie ein positives Fazit der EM. „Eine wundervolle Zeit hier geht zu Ende. Es sind einfach tolle Bedingungen hier, ich hoffe, dass wir das so weitermachen können, auch mit den Regelsportler*innen zusammen.“ Kein Vorbeikommen gab es in Grade III auch in der Kür an dem jungen Dänen Tobias Thorning Joergensen und seiner Schimmelstute Jolene Hill, die nach Riesenbeck nun zeitgleich den Titel in den Paralympics, Welt- und Europameisterschaften halten. Mit 83,833 Prozent verwies er mit Abstand die Französin Chiara Zenati (77,773 Prozent) auf den Silberrang. Bronze ging an die frisch gebackene Teameuropameisterin Lotte Krijnsen (75,680 Prozent).
Sie begannen perfekt, mit viel Ausdruck und auf den Punkt passend zur Musik. Nur kurz vor Ende wurde der Dunkelfuchs Highlander Delight's im Galopp einmal etwas flott. Ein teurer Fehler, wie sich herausstellte. Zwar gab es immer noch 76,170 Prozent für Regine Mispelkamp jedoch vier Zehntel zu wenig, um ein drittes Mal an diesem EM-Wochenende auf dem Treppchen zu stehen. Sie landete somit auf Platz vier. „Es fing mega an. Vor der vorletzten Ecke kam etwas Spannung auf und als dann dieser eine Ton aus dem Lautsprecher kam, musste er, glaube ich, seine Energie rauslassen. Das ist schade, ist aber eben so“, nahm es die an Multipler Sklerose erkrankte Pferdewirtschaftsmeisterin gelassen. Generell fiel ihr Fazit sehr positiv aus: „Wir waren schon guten Mutes, als wir hierhergekommen sind. Aber dass so viel Positives dabei herausgekommt, ist einfach mega. Es war eine tolle Teamleistung. Wir haben alle einen guten Job gemacht und unsere Teamleitung sowieso.“ Der Titel in Grade V ging wie schon in der Einzelwertung an die Belgierin Michèle George mit 81,275 Prozent. Der Niederländer Frank Hosmar sicherte sich mit 79,045 Prozent die Silbermedaille und die Britin Sophie Wells konnte die Bronzemedaille erringen.
„Duftmarke für Paris ist gesetzt“
Mit insgesamt zwei Gold-, einer Silber- und drei Bronzemedaillen in der Einzelwertung und in der Kür sowie Team-Silber konnten die deutschen Para Reiterinnen wieder an frühere Erfolge anknüpfen. Zuletzt standen deutsche Para-Dressurreiter*innen 2015 bei Europameisterschaften und 2018 bei Weltmeisterschaften auf dem Podium. Im vergangenen Jahr bei den WM in Herning gingen sie komplett „leer“ aus.
Der jetzige Erfolg ist auch das Ergebnis einer Umstrukturierung. Der Para Spitzensport wurde Anfang des Jahres ans Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) angebunden, hinzu kommt eine Förderung durch die Stiftung Deutscher Spitzensport. Unter der Leitung der neuen Bundestrainerin Silke Fütterer-Sommer wurde das Training intensiviert und individuell auf die einzelnen Reiter*innen und Pferde zugeschnitten. „Am Anfang war es wichtig, zu sehen, wo die einzelnen Reiter*innen stehen, um sie optimal dort abholen zu können. Wir haben viele Hausbesuche gemacht, damit man sieht, wie das Training zuhause abläuft und unter welchen Bedingungen gearbeitet wird. Danach wurde für alle ein Plan entwickelt, es wurden individuell ‚Hausaufgaben‘ aufgegeben und bei den Lehrgängen die Entwicklung überprüft“, berichtet die Bundestrainerin. Im Austausch mit den Heimtrainer*innen sei so immer mehr an den Feinheiten gearbeitet worden. Dazu kamen zahlreiche Turnierbesuche: „Auch das war für mich natürlich eine Hilfe, um die Reiter*innen kennenzulernen. Das Training ist das eine, aber die Prüfungssituation ist natürlich nochmal eine ganz andere." Abschließend nennt Silke Fütterer-Sommer auch das Vertrauen zwischen Reiter*in und Trainer*in als entscheidenden Faktor. Dass das Ergebnis so rasch Früchte tragen würde, findet Silke Fütterer-Sommer selbst unglaublich: „Unser Auftrag war es, eine ‚Duftmarke‘ für die Paralympics in Paris zu setzen“, sagte sie – das ist mehr als gelungen.
Die deutsche Para Dressursport-Nationalmannschaft ist bereits seit der WM im vergangenen Jahr für die Paralympics 2024 in Paris qualifiziert. Die Chance, sich für diese Equipe zu empfehlen, haben alle deutsche Reiterinnen mit jeweils mindestens einer individuellen Medaille und Edelmetall in der Teamwertung genutzt.
Text: Uta Helkenberg / Deutsche Reiterliche Vereinigung & DBS