Aktuelles vom Para Dressursport
Para Deux: Eine neue Symbiose
Nach den Paralympics in Paris und dem dort erfolgreichen Abschneiden der deutschen Para Dressur-Mannschaft ist das Thema Reiten für Menschen mit Behinderung erneut in den Vordergrund gerückt. Beim traditionellen Para Dressur-Turnier am Pferdesport- und Reittherapie-Zentrum (PRZ) der Gold-Kraemer-Stiftung in Frechen zeigte sich dies eindrucksvoll.
Über 50 teilnehmende Reiter*innen aus dem Leistungs- und Breitensport stellten sich vor einem großen Publikum in ihren Leistungsklassen den Prüfungen. Als Spitzensportlerin trat Regine Mispelkamp, die zweifache Silbermedaillengewinnerin im Einzel und Bronzegewinnerin mit der Mannschaft bei den Paralympics in Paris, an.
Für das PRZ war dies der richtige Zeitpunkt, im Turnier-Sport ein neues Prüfungsformat auszuprobieren: das Para Deux. Bei dieser Innovation zeigt zunächst eine Para Reiterin oder ein Para Reiter und im Anschluss eine Sportlerin oder ein Sportler ohne Behinderung die gleiche Dressuraufgabe – entsprechend der Wettkampfklasse der Para Reiter*innen. Somit gibt der Para Sport die Prüfungsaufgabe vor. Die Wertnoten beider werden im Anschluss für die Teamwertung addiert. Die Para Teilnehmer*innen erhalten dabei auch für ihre Einzelleistungen eine Platzierung.
Insgesamt gingen 26 Teilnehmer*innen, somit 13 Paare beim Para Deux an den Start. In der Wettkampfklasse Grade I gab es drei Paarungen, die jeweils auf demselben Pferd geritten sind. Regine Mispelkamp trat in ihrer Wettkampfklasse Grade V auf ihren Nachwuchspferden Top Chance und Venicio P zweimal an. „Das ist genau die richtige Prüfung, um Reiter mit und ohne Behinderung zusammenzubringen. Gerade durch die Teamwertung ist das Para Deux eine wertvolle Symbiose von Regel- und Para Sport“, erklärte Mispelkamp. Sie wies dabei auf die Wertschätzung hin, mit der sich die jeweiligen Paare begegnet sind: „Der Regelreiter sieht, wie punktgenau man in der Para Dressur reitet und lernt dadurch eine andere Wertschätzung fürs Para Reiten.“
Dies unterstrichen ihre beiden Partnerinnen Charlotte Hieb und Rabea Stawski. „Ich war sehr nervös und aufgeregt, Regine Mispelkamp als Teampartnerin zu haben. Aber ich habe mich riesig gefreut, bei dieser Premiere dabei gewesen zu sein. Vor allem meinem Pferd Lotti habe ich es zu verdanken, dass ich die Aufgabe gut bewältigen konnte“, konstatierte Charlotte Hieb, die im Training auf M-Niveau reitet und zuletzt vor sechs Jahren eine L-Dressur im Turnier geritten war.
Rabea Stawski ritt ihre Prüfung auf ihrem sechsjährigen Wallach Carli: „Im Para Deux die Aufgabe aus dem Grade V zusammen mit Regine zu reiten, war eine große Ehre und eine genau so große und anspruchsvolle Herausforderung.“ Zuhause trainiert sie auf L-Dressur-Niveau mit spielerischem Einbau der ersten Lektionen der Klasse M. „Carli ist erst wenige Turniere geritten. Mir ist es wichtig, dass das Pferd und das harmonische Reiten im Vordergrund stehen. Genau das wird am Standort des PRZ gelebt. Die Inklusion bezieht sich hier nämlich nicht nur auf die Regel- und Para Sportler*innen, sondern auch auf das Wohl unserer vierbeinigen Partner“, sagt Rabea Stawski, für die gemeinsame Prüfungen mit Para Spitzensportlern eine ideale Gelegenheit sind, von den Para Reiterinnen und Reitern und deren Beziehungen zu deren Pferden zu lernen.
Wie schwer diese Punktgenauigkeit bei den Para Lektionen ist, konnten die Richterinnen Sabine Ingenhoff und Ilona Müller genausten analysieren. Auffällig: Bei fast allen Paarungen hatten die Para Reiter*innen gegenüber ihren Teampartnern ein Stück weit die Nase vorne. „Die Para Reiter*innen sind sehr sorgfältig geritten“, erklärte Ilona Müller und hob hervor, es sei „beeindruckend zu sehen, wie Leistung gerade mit einem respektvollen Umgang mit dem Pferd erritten werden kann.“ Dieser Umgang ließ sich bei Regine Mispelkamp deutlich erkennen. „Ich lasse wesentlich mehr Gefühl beim Reiten zu, seitdem ich meine Erkrankung angenommen habe. Ich lebe intensiver“, sagte sie. Seit 1997 ist sie an Multiple Sklerose erkrankt, aber erst seit 2018 Para Reiterin.
Auf dem Weg zum CHIO Aachen?
Auch die Bundestrainerin Silke Fütterer-Sommer zeigte sich vom neuen Prüfungsformat angetan: „Es wäre schön, wenn diese neuartige Prüfung auch auf den Regelturnieren angeboten würde. Ich könnte mir vorstellen, dass das Para Deux beim CHIO Aachen für Begeisterung sorgt. Es ist ein überzeugendes Modell, das Kontakt zum Para Reitsport herstellt und vor allem junge Nachwuchsreiter*innen im Para Sport motiviert.“ Für die erfolgreiche Teilnahme ihrer Para Dressur-Mannschaft bei den Paralympics in Paris wurde die Bundestrainerin zusammen mit Regine Mispelkamp und dem Mannschaftstierarzt Malte Penning gesondert geehrt.
„Die Premiere des Para Deux zeigt, dass es gelingt, sowohl den Leistungsanspruch als auch das Gemeinschaftserleben und Gemeinschaftsgefühl von Reiter*innen mit und ohne Behinderung zu stärken“, lautet das Fazit von Inga Nelle, der Leiterin des PRZ.
Text: GKS